Tiger Woods 13 - Test - Xbox 360, PS3
Wie kommen denn die Coins in mein Vollpreisspiel?
Es hat ein wenig gedauert, aber jetzt ist alles klar. Tiger Woods ist nicht länger schlicht eine Sportspiel-Marke im eigentlichen Sinne. Es ist ein Testballon für zukünftige Verkaufstechniken von Onlinemechaniken und Zusatzinhalten.
12 Monate sind seit Nummer 12 vergangen. Meine Hoffnung, dass nach dem dort schon extrem kurzen Abstand zu 11 jetzt für etwas länger als den Standard-Zyklus Ruhe sein würde, hat sich offensichtlich nicht erfüllt, aber diesmal schlägt es über die Stränge. In 12 kaufte ich die Fantasy-Kurse Predator, Griechische Inseln und Highlands für viel Geld. Generell fehlen sie in Tiger Woods 13 natürlich wieder. Macht ja nichts, ich hab sie ja vor ein paar Monaten gekauft. Werden ja wohl noch gültig sein. Importierbar. Anrechenbar. Oder etwas in der Art.
Von wegen. Ausgegraut, 400 Punkte bitte.
Was?
Ernsthaft?!
WARUM? ICH HABE BEZAHLT! ICH WERD NICHT NOCH MAL BEZAHLEN! SCREW! YOU! TIGER! WOODS! 13!
Ok, ok, ruhig bleiben. Was sind diese komischen Coins? Den Begriff kenne ich doch eher aus dem Free-2-Play-Bereich. Ich muss ein paar Tausend Coins einsetzen, dann kann ich eine Runde auf den Highlands spielen? Hm, fein, in jeder Runde verdiene ich ein paar Coins, es bleiben ja immerhin noch 16 reguläre Kurse, die ohne Zusatzleistungen immer spielbar sind, dann drehe ich ein paar Runden auf diesen. Kann ja nicht so lange dauern. Und wenn ich die Gold-Master-Herausforderungen auf den Highlands bewältige, indem ich ihn ein paar Mal für einzelne Runden freischalte, bekomme ich ihn sogar ganz ohne zu bezahlen. Hey, vielleicht ist das hier doch nicht so übel.
15 Stunden später.
Ich spiele und spiele und es ist am Rande erwähnt immer noch ein fantastisches Golfspiel. Aber meinem Ziel, auch nur diesen einen Kurs freizuschalten, kam ich zwar näher, aber die Fleißaufgabe, 100 Pars auf dem Kurs hinzulegen, steht immer noch aus. Die Gold-Master sind weniger Herausforderungen als eher Geduldsspiel und inzwischen kann ich das hier nur als Free-2-Play-Spiel bezeichnen. Nur, dass ihr es für 60 Euro kaufen müsst.
Alle Merkmale sind vorhanden. Die Karotte ist da, ihr könnt alles haben, ohne extra Geld auf den Tisch zu legen. Ihr müsst einfach nur lange genug spielen. Sehr, sehr lange. Um euch gelegentlich daran zu erinnern, dass diese Kurse da sind und dass ihr sie noch nicht habt, tauchen sie im Tour-Kalender auf. Aber es kann schließlich keiner sagen, dass ihr sie kaufen müsst. Ihr müsst nur sehr, sehr, sehr, sehr lange spielen. Coins sammeln, Kurse für Coins bespielen, Gold-Master etwas näher kommen, wieder woanders Coins sammeln. Nach mehr als 15 Stunden einen Kurs freischalten. Mit dem nächsten der 20 DLC-Kurse von vorne anfangen.
Oder Coins kaufen. Geht auch. Wundert es euch etwa?
Das nächste Free-2-Play-System betrifft die Pins. Boni sind nun nicht mehr an die Klamotten gebunden, sondern kommen in Form von Pins, die ihr an euer virtuelles Kursbuch tackert. Höhere Präzision, mehr Schlag-Vorschauen oder sogar fünffache Erfahrungspunkte. Ratet doch mal, wie ihr an diese Pins kommt. Richtig, Coins. Sehr, sehr langsam erspielbare oder teuer kaufbare Coins. Mit ihnen ladet ihr die nur begrenzt nutzbaren Pins auf oder kauft neue, die dann auch später aufgeladen werden müssen.
Es fühlt sich schrecklich an. Ich gehöre normalerweise zu den Leuten, die nichts gegen DLC haben. Wenn mir ein Spiel gefallen hat, kaufe ich gerne noch eine Extra-Runde dazu. Aber ein Vollpreis-Spiel fest mit Free-2-Play-Bezahlmechaniken zu verheiraten, ist eine beinahe bösartige, verkommene Idee. Hier ein Gegenvorschlag: Das Spiel geht zum symbolischen Preis von 10 Euro über den Tisch. Es sind nur drei oder fünf Kurse dabei, der Rest unterwirft sich den gerade vorgestellten Mechaniken. Kein Thema, bin an Bord, kann ich mit leben. Aber 10 Euro kostet ja schon der Online-Pass! Ja, den gibt es hier auch noch! Obwohl auch der Zweitkäufer wieder von vorn anfangen kann, alles zu erspielen oder wahrscheinlich eher zu kaufen. Aber auch für dieses Privileg muss er erst mal zahlen.
Angesichts all dieser Dinge stellt die Tatsache, dass die im Vorgänger gekauften Kurse nicht genutzt werden können, dann nur noch das Sahnehäubchen dar. Das geht hier alles zu weit. Sorry, nicht zum Vollpreis. Nein.
So, jetzt endlich ein paar Worte zu Spiel. Wie schon gesagt, ist es zusammengefasst super. Immer noch. Wie 12, 11 oder auch 10. Gänzlich neu kam der Tiger-Vermächtnis-Modus dazu. In einer erstaunlich langweiligen, praktisch nicht in sporthistorischen Kontext eingearbeiteten und spielerisch frustrierenden Serie von 50 Herausforderungen verfolgt ihr Tigers Sportler-Leben - ja, nur den Teil, in dem er mit kleinen Bällen spielt -, von den späten 70ern bis in das fiktive 2019. Es wird von euch verlangt, schlecht beschriebene, teilweise extrem schwierige Herausforderungen zu meisten, indem ihr sie dutzendfach wiederholt und nicht mal Coins dafür bekommt. Arbeit, kein Vergnügen.
Weit erfrischender sind da die Online-Country-Clubs, was sich weitestgehend auch mit Klein-Lobby übersetzen lassen könnte. Clubs können offen oder privat sein, in Turnieren gegeneinander antreten und vor allem verdient ihr Coins, wenn ihr brav jeden Tag für euren Club spielt und dadurch Punkte holt. Sprichwörtlich jeden Tag. Ein Multiplikator zählt mit und geht zurück auf eins, sobald ihr einen Tag aussetzt. Ganz vornehm und gar nicht wie bei zwanghaft Süchtigen, das Country-Club-Leben.
Die wirklich relevante Neuerung, die das Spiel sogar nachhaltig verändert, ist die Total Swing Control. EA Tiburon hat das gesamte Schwung-System überarbeitet und es reicht nun nicht mehr, den Zielpunkt zu bestimmen und draufzuhalten, ihr müsst mit unglaublich viel Feingefühl den Stick bewegen. Es ist fast wie im richtigen Spiel: Absolviert erst tausend Schläge, sucht euer Zen und euren Schwung, dann erst geht auf den Platz. So filigran genau arbeitet das System. Fast schon zu genau. Ich bin nicht mehr sicher, dass der Stick das richtige Eingabegerät ist. Man kann sich darin einarbeiten, mit der Zeit klappen die Schläge immer besser, aber das Gefühl, wirklich hundertprozentige Kontrolle zu haben, stellte sich auch nach vielen Stunden noch nicht ein.
In der Theorie müsst ihr auf dem kurzen Weg des Sticks den Stopp-Punkt halten, den Rückschwung meistern, nur dann einen Millimeter verziehen, wenn ihr dem Ball entsprechenden Drift mitgeben wollt, wobei hier mit Abweichungen sowohl im Ausholen als auch im Durchschwingen gearbeitet werden kann. Alles auf den zwei Zentimetern Spielraum des Sticks. Es ist ebenso großartig in der Erkennung und Umsetzung der Bewegung wie das Eingabegerät dem letztlich nicht angemessen ist.
Kinect oder Move sind in der Grobbewegung deutlich geeigneter, haben aber entweder mit der Präzision kleiner Bewegungen zu kämpfen (Kinect) oder sind nicht in der Lage, den Körper in der Gesamtheit zu erfassen (Move). Die jeweiligen Aspekte, die diese Geräte erkennen, meistern sie, aber für alles, was Total Swing zu bieten hat, sind auch sie nicht optimal. So sehr ich die Total Swing Control prinzipiell loben kann, ich halte die verfügbaren Eingabegeräte gerade auf den Turnier-Level für inzwischen ungeeignet. Es lässt sich einfach nicht vollständig ausreizen, was Tiger Woods 13 zu bieten hat, die Software hat die Hardware hinter sich gelassen. Wer jetzt übrigens sagt, dass ihm das alles egal sei, weil er eh mit 3-Klick spielt: 3-Klick gibt es nicht mehr. Pech gehabt.
Ich habe jetzt gerade zwei fertige Fazits gelöscht, weil ich nicht möchte, dass die dort genutzte Wortwahl mit meinem Namen darüber in der Öffentlichkeit auftaucht. Ich bleibe doch lieber sachlich und letztlich wäre es auch unfair. Die Vorgänger hatten nicht mehr als die 16 Kurse, die es hier auch gibt. Die Auswahl ist nicht schlechter, die Fantasy-Kurse gab es nirgendwo für lau und hier gibt es sogar die Chance für Leute mit viel Zeit, all das freizuspielen. Warum also diese Ablehnung?
Weil sich diese Mechaniken in einem Spiel, das für 60 Euro über den Tisch geht, schlicht so unendlich falsch anfühlen. Überall, an jeder Ecke, ist hier etwas zum "freischalten", der Kauf-Button ist immer nur einen Klick entfernt. Es fühlt sich an keiner Stelle danach an, als würde ich ein vollständiges Spiel besitzen, obwohl das ausgehend vom vorhandenen Content eigentlich der Fall ist. Lägen diese Kurse einfach im Hintergrund als Kauf-DLC, würde ich anders empfinden. Es ließe sich weit besser ignorieren. Wahrscheinlich würde ich sogar den einen oder anderen kaufen, ohne zu sehr zu murren. So muss ich im Geiste immer die Karotte des Freischaltens/Freikaufens zur Seite schlagen, um das zu sehen, was da ist. Es nervt unglaublich, es ist aufdringlich und es hat in einem Spiel, das für den Vollpreis den Besitzer wechselt, absolut nichts verloren. Und davon abgesehen ist es eine bodenlose Frechheit, dass ich mir die gekauften Kurse aus dem direkten Vorgänger in keiner Weise anrechnen lassen kann.
Was die eigentlichen Neuerungen angeht, hat sich ja sogar einiges getan, auch wenn ich nicht sicher bin, dass sich alles zum Besseren entwickelte. Die Tiger-Vermächtnis-Karriere ist ein irgendwie ganz witzig gedachter, in der Umsetzung aber eher langweilig bis frustrierender Bonus, der am Rande rumlungert. Die Online-Clubhäuser sind eine willkommene und schöne Lobby-Idee, die auch ohne den Coins-Bonus eine Daseinsberechtigung hätte. Das große Ding der Stunde jedoch, Total Swing Control ... Ich bin mir nicht sicher, dass die Welt im Allgemeinen und die Hardware im Besonderen dafür bereit ist. Der Level des Realismus und der Simulation, der angestrebt wird, ist ein Zeugnis, welch hohen Standard man inzwischen bei Tiburon fährt. Aber selbst wenn man davon absieht, dass die Masse der Spieler - in diesem Genre ein relativer Begriff - damit spätestens auf Turnier-Level überfordert sein dürfte, weil sie einfach nicht so viel Zeit zum Üben haben, dürfte auch die harte Fraktion meckern lassen. Einfach, weil sie recht schnell sehen, dass eigentlich andere Hardware als schnöde Mini-Sticks oder noch nicht hundertprozentig akkurate Bewegungserkenner nötig wären, um mit diesem Grad an Feingefühl wirklich mit Genuss zu spielen.
Tiger Woods 13 ist auf der einen Seite also ein Spiel, das fast schon zu gut für diese schnöde Controller-Welt ist, auf der anderen Seite ein fehlgeleitetes Experiment in Sachen Online-Umsatz-Plattformen. Irgendwo dazwischen findet sich das perfekte Golfspiel. Mal schauen, ob es in der 14. Auflage herausgeschält werden kann.