Titanfall 2: Nicht nur eine Kampagne. Eine richtig gute Kampagne!
Wer hätte das gedacht?
Ich sollte vermutlich nicht überrascht sein. Aber irgendwie war ich es doch. Nach der müden Ausrede von einer Kampagne, die der erste Teil an seinen Multiplayer getackert hatte, erwartete ich einen bestenfalls netten Einzelspielermodus für die Fortsetzung. Viel mehr als eine Einführung in die Mechanismen würde das hier nicht sein, war ich mir sicher. Nun, eine durchzockte Nacht später habe ich sechseinhalb der offenbar neun Level hinter mich gebracht und sehe meinen Irrtum. Wie konnte ich vergessen, dass hier Leute am Werk sind, die einst mit Modern Warfare eine der besten Shooter-Kampagnen aller Zeiten gemacht haben?
Was als erstes auffällt, wenn man den Helm des Titanenpiloten Connor aufsetzt, ist, wie toll sich dieses Spiel anfühlt. Auch das hängt direkt mit meiner gerade erwähnten Ignoranz zusammen. Ich befürchtete auf Konsole ein visuelles Spektakel in "filmischen" 30 Bildern pro Sekunde, bekam aber einen der gleichzeitig schönsten und flüssigsten PS4-Shooter der jüngeren Vergangenheit. Wiederum: Ex-Call-of-Duty-Leute, du Dummy! Zampella und Co. beteten schon immer am Altar hoher FPS, weil sie wissen, dass die für ein Spiel dieses Tempos eben doch den Unterschied machen. Optisch hat man nicht den Eindruck, dass hierfür Schärfe oder Detailreichtum geopfert werden mussten und freut sich gleichzeitig über eine Fortbewegung mit wunderbarem Gefühl für Gewicht, Trägheit und Beschleunigungskräfte.
Alles geht ungemein eingängig vonstatten, die Waffen haben je nach Typ die angemessene Schwere - und es gibt eine in ihren Zwischenlösungen vielleicht etwas unübersichtliche Menge von ihnen - und nicht zuletzt einen irrsinnigen Punch. Auch hier blitzt Modern Warfare durch, wenn Titanfall 2 erlittene und gelandete Treffer audiovisuell wunderbar spürbar macht. Wallruns gelingen mit der Leichtigkeit eines Mirror's Edge, bei vollem Tempo über den Boden zu schlittern und dabei seitwärts zu zielen ist die Königsdisziplin Matrix-artiger Überwältigung eurer Gegner.
Die sind, zumindest auf dem normalen Schwierigkeitsgrad, ein wenig mit eurem Bewegungsdrang in den großzügig dimensionierten Arenen und wegen eurer zuschaltbaren Unsichtbarkeit zwar ein bisschen mit euch überfordert. Aber dafür gibt es ja noch zwei Härtegrade mehr, die ich zum abschließenden Test in der nächsten Woche noch einmal antesten werde. Auf normal stirbt man zwar ziemlich schnell, wenn man es wie einen konventionellen Shooter spielt. Aber wer stetig seine Position wechselt, sich tarnt und dann in den Rücken oder die Flanke seiner Feinde kommt, walzert fast durch die geschätzten sechs bis sieben Stunde Kampagne.
Doch vielleicht ist das für den ersten Durchgang auch genau das richtige Tempo. Mit zunehmender Meisterschaft von Connors Talenten und den verschiedenen Loadouts des Titanen BT 7274 führt man hier ein Ballett der Zerstörung auf, das regelmäßig daran erinnert, wie gut Videospiele als Science-Fiction-Machtfantasien funktionieren. Die Geschichte verfolgt man nur an ihren groben Eckpunkten wirklich interessiert, sie entblödet sich nicht einmal, einen der Endgegner als Schwarzenegger-Radebrech zu inszenieren. Aber Connors frischer Bund mit dem sympathischen Blechkameraden BT ist genug, um sie voranzutreiben. Dieses Spiel ist voller guter Momente, in der Mitte gibt es sogar eine der erinnerungswürdigsten Missionen der letzten Jahre. Ich warne an dieser Stelle ausdrücklich davor, zu viel im Netz darüber zu lesen, denn am eigenen Leib herauszufinden, was dort passiert, ist ein fantastischer Moment.
Strukturell ist in jedem Fall zu beklatschen, dass Respawn immer wieder gute Gründe findet, Piloten und Titanen zu trennen. Sich nur in dem wandelnden Panzer durch die Level zu schießen und alles dem Erdboden gleich zu machen, würde dem Spaß nicht gerecht, den das Spiel aus dem Wechsel seiner beiden Bewegungsmodi zieht. Überhaupt ist "Wechsel" ein gutes Stichwort, denn ich habe selten das Gefühl gehabt, zwei Level in Folge das Gleiche zu machen. Tatsächlich nutzt Respawn seine besten Tricks sehr maßvoll. Einige Passagen sind schwindelerregende Jump-and-run-Puzzles, andere faszinierende Gadget-basierte Szenariospielereien - ihr wisst, was ich meine, wenn ihr es seht - und wieder andere zermürbende Vernichtungsschlachten. Es fällt schwer, dieses Spiel beiseite zu legen, weil man wissen will, was man als nächstes machen wird. Ich hatte durchaus erwartet, etwas in der Art über den Mehrspielermodus zu sagen, umso größer die Freude, dass die Kampagne dieses Gefühl provoziert.
Also ja: Obwohl ich den Multiplayer-Modus noch nicht spielen konnte, hatte ich den gestrigen Tag über schon reichlich Spaß mit Titanfall 2. Hier wirkt nichts lieblos oder hingeschludert, sogar die diversen in den Leveln versteckten Pilotenhelme lagen immer an Stellen, die schon für sich ein Rätsel darstellten - "wie zur Hölle komme ich da bloß rauf?" -, anstatt billig in einer Sackgasse, in der kein geistig gesunder Mensch gucken würde, oder klischeehaft hinter einem Wasserfall. Das und der wunderbare Fluss dieser Kampagne zeugen von einer Verspieltheit und Detailversessenheit, die einen guten Story-Modus von einer geistlosen Aneinanderreihung von Missionen unterscheiden. Ich bin gespannt, wie es ausgeht. Beehrt uns nächste Woche wieder für das abschließende Urteil, sobald ich ordentlich Zeit in den Multiplayer versenken konnte.
Entwickler/Publisher: Respawn Entertainment/EA - Erscheint für: Xbox One, PlayStation 4, PC - Geplante Veröffentlichung: 28. Oktober - Angespielt auf Plattform: PS4