'To Heir is Human's Enkel: King's Quest Episode 2
'Stein oder nicht Stein' wandelt auf dunkleren Wegen.
Na, das wurde ja auch langsam mal Zeit. Fast fünf Monate haben sich die Entwickler von The Odd Gentlemen Zeit genommen, um der zweiten Episode der King's Quest-Neuinterpretation die nötige Spielreife zu verpassen. Aber wie mir Studioboss Matt Korba bei meinem Studiobesuch glaubwürdig mitteilte, wollte man sich auf gar keinen Fall hetzen lassen. Ein neues Kapitel gibt es eben erst dann, wenn alle Beteiligten rundum mit dem Ergebnis zufrieden sind.
Im Falle von King's Quest ist die Wartezeit für mich, als nostalgisch verklärtem Fan von Adventures, besonders der alten Sierra-Zeiten, zwar schmerzlich. Aber es ist auch kein wirklicher Beinbruch, denn die Episoden sind in sich abgeschlossen. Keine fiesen Cliffhanger trüben das Ergebnis meiner Bemühungen, und ich habe mich nach dem Ende von King's Quest Kapitel 1: Der seinen Ritter stand mit großer Zufriedenheit zurückgelehnt. Ja, ich wollte gleich mehr von dem verqueren Humor, den subtilen Anspielungen an die Klassiker des Genres, den interessanten Charakteren, den knackigen, immer logischen, Rätseln und den Don-Bluth-artigen Todesszenarien. Aber da war auch keine Enttäuschung, kein Gefühl, zu kurz gekommen zu sein. Einfach nur die Vorfreude, mich in naher Zukunft wieder durch die herrlich abstrusen Abenteuer des Märchenprinzen Graham rätseln zu können. Und ich sollte nicht enttäuscht werden.
Es ist einige Zeit ins Land gezogen. Graham ist nun frisch gekrönter König von Daventry und sieht sich vor ernsten Problemen gestellt. Eine Bande fieser Goblins überfällt in einer regnerischen Nacht das Reich, und verschleppt den Herrscher und die Einwohner des Märchenlandes in ein gar finsteres Verlies. Sobald ich die Steuerung übernehme, hocke ich dann in einem kargen Gefängnis und muss für die Goblins niedere Aufgaben erledigen. Spinnweben entfernen, Riesenratten füttern, eben all die Dinge, die in einer unterirdischen Goblinstadt so anfallen. Bei meinen Streifzügen durch das Höhlenlabyrinth stoße ich auf meine in Käfigen gefangenen Untertanen. Die Schmiedin Amaya Blackstone, das Alchemistenehepaar Chester und Muriel Hobblepot, sogar die Ziege Mr. Fancycakes, befinden sich in der Gewalt der Goblins. Meine Aufgabe: Aus dem Verlies entfliehen und möglichst die Bewohner Daventrys vor ihrem schrecklichen Schicksal bewahren. Schade nur, dass ich keineswegs ein selbstbewusster und starker König bin, sondern saft- und kraftlos mit hängenden Schultern und trübem Sinn, durch die Gänge wanke. Selbstzweifel plagen mich. Angst zu versagen und als Herrscher eine Niete zu sein, die ihr Volk im Stich lässt.
Die Episode 2 wirkt von Anfang an deutlich düsterer und Entscheidungen scheinen diesmal echte Auswirkungen zu haben. Ein Beispiel: Spreche ich mit den gefangenen Mitbürgern, wird eine unterschiedliche Anzahl an Herzsymbolen angezeigt. Erfülle ich nicht den Wunsch nach Essen, Medizin oder anderen Dingen, entfleuchen die Lebensgeister mit jedem im Spiel vergangenen Tag, den ich vergeblich an den Lösungen rätsle. Der stete Druck, den das Spiel auf mich ausübt, zeigt schnell Folgen und ich erwische mich, wie ich bei jeder Entscheidung länger grübele, als ich es noch in Episode 1 getan habe. Ich gelange beispielsweise recht früh in den Besitz eines Schinkens, dessen Größe Obelix glücklich machen würde. Den kann ich essen. Das macht mich ein wenig stärker. Dann kann ich schneller laufen, Dinge bewegen und Türen in neue Bereiche des Spielareals öffnen. Ich kann aber mit dem Essen auch einige meiner Untertanen glücklich machen und so deren Lebensenergie für eine Weile auffrischen. Entscheidungen, die mich immer wieder vor eine Gretchenfrage stellen. Sicherlich noch keine Dramaturgie, wie bei den, auf gemeine „Entweder-Oder"-Entscheidungen getrimmten, Situationen von Beinahe-Spielen wie „The Walking Dead" von Telltale Games. Aber schon deutlich heftiger, als es noch die leichtherzigere Episode 1 geboten hat.
Für „Stein oder nicht Stein" stand der Klassiker King's Quest 3: To Heir is Human von 1986 Pate. Ein bockschweres Spiel, in dem ein entführter Junge einen bösen Magier überlisten muss, um sich zu befreien. Die Parallelen: Ein im Vergleich zu Episode 1 sehr begrenztes Areal zum Erkunden, die Flucht aus der Gefangenschaft als Ziel des Spiels und der ernste Unterton der Geschichte. Aber ganz so düster haben es die The Odd Gentlemen dann doch nicht werden lassen. Die Mischung aus Slapstick, oft subtil humorvollen Dialogen und den meist völlig überraschenden Todesfolgen, meines eigentlich so logischen Handelns, bieten wieder den nostalgischen Charme, den Episode 1 so spielenswert gemacht hat.
Ja, wieder fehlt eine Karte zwecks vernünftiger Orientierung in den Kammern des Höhlensystems. Und ja, einen großen Teil der vielleicht fünf oder sechs Stunden Spielzeit, verbringe ich mit dem Hin- und Herlaufen zwischen den immer gleichen Orten. Auch die Grafik, die wunderschöne Animationen, aber oft auch potthässliche Hintergründe anbietet, hat sich nicht verändert. Das Gesamtpaket aber ist eine lohende Beschäftigung für ein weihnachtliches Wochenende, zumal weitgehend auf Quick-Time-Einlagen verzichtet wurde.
Das Rätseln steht im Vordergrund. Ohne eingebautes „Wir wollen nicht, dass der Spieler nachdenken muss"-Hilfesystem oder auch nur der Anzeige, welche Objekte sich überhaupt in einem Bereich befinden. Mit ein wenig Überlegung kommt man immer dahinter, wie sich die logischen Puzzles entwirren lassen. Dass ich dabei immer wieder sterbe, ist gewollt und gehört zum Spielprinzip. Das ist aber alles nicht so schlimm. Immerhin wird auch diese Episode von Opa Graham seinen Enkeln als Geschichte erzählt. Und wenn der junge Graham drauf geht, wird die Geschichte eben schnell umgeschrieben und ich darf es noch mal versuchen. Wer sich noch gar nicht mit der Wiederauferstehung von Graham beschäftigt hat und über eine PlayStation 4 mit Plus-Account verfügt, kann sich die erste Episode kostenlos holen. Es lohnt sich.