Toki - Test: Heftiger Kurs für alten Frust
Aber besser sah der Affe noch nie aus.
Toki? Ernsthaft? Nun, lasst mich euch ein kleines Geheimnis zu Toki, einem 1989/90er Arcade-Plattformer, der auf so ziemlich alles damals umgesetzt wurde, verraten: Das war kein gutes Spiel. Seltsam unpassend düstere Farben in vielen Versionen, billige Tode mit einer Figur ohne Lebensleiste, schwaches Leveldesign. Frust in Tüten, außer auf dem NES, wo es sich noch schlechter spielte, aber wenigstens sehr viel einfacher war.
Toki ist ein Spiel ohne eine wahrnehmbare Fanbasis, im Gegensatz zum Beispiel zu Wonderboy oder Flashback. Es hat keine Nachfolger, die dann besser waren. Es war zu einem guten Teil vergessen und begraben. Und ja, ich hätte nicht gedacht, dass mich an diesem Umstand jemals etwas stören würde. Aber aus welchen Gründen auch immer - die Lizenz auf der Straße gefunden wäre eine meiner Theorien - gibt es nun ein aufwändiges Remake für die Switch. Und das keineswegs billig. Dachte ich zuletzt noch, dass 20 Euro für Gods etwas mutig sind, was soll ich nun über 35 Euro als Download und 45 in der immerhin wirklich sehr nett aufgemachten Retrollector's Edition denken? Vielleicht, dass das komplett unverschämt ist?
Nun, ja, das sicher auch. Zumindest der Download ist über jede tolerierbare Grenze hinaus. Aber dann ist der Aufwand, der technisch hier reingesteckt wurde, durchaus beachtlich. Für die neue Grafik mit komplett neuen und wirklich hinreißenden kleinen Animationen wurde Philippe Dessoly angeheuert, ein in der Szene namhafter Anime-Zeichner. Und was er hier bei dem Helden Toki selbst, den Hintergründen, den niedlichen Gegnern und vor allem Bossen abgeliefert hat, ist schlicht großartig. Endlich mal Pixel-Kunst, die nicht dem NES huldigt, sondern das zeigt, was wir damals gerne gehabt hätten. Dazu passt der spaßige Soundtrack perfekt, rein vom Look und Sound her ist das neue Toki schlicht eine Freude.
Es gibt übrigens keine Möglichkeit, zum Original umzuschalten oder dieses überhaupt hier zu spielen. Für so eine Umsetzung ist das eher ungewöhnlich und auch wenn es mehr aus historischem Interesse spannend gewesen wäre, irgendwie ist es schade, dass man sich nicht direkt daran erinnern kann, dass das alte Toki wenig Spaß machte. Der Hauptgrund dafür blieb erhalten: Toki stirbt mit nur einem Treffer. Wenn ihr das seltene Glück hattet, einen Football-Helm für den Affen zu finden, dann dürft ihr kurz unachtsam sein, aber sonst heißt es: Ein Treffer und tot.
Damit das nicht sofort in Riesenfrust ausartet, gibt es Massen an Rücksetzpunkten in den sechs sehr kurzen Levels und sogar direkt vor den Bossen immer einen. Mit neun Leben auf dem einfachen Grundsetting habt ihr dann ein paar Anläufe, bevor ihr eines der neun Continues verbraucht, das geht dann schon. Vor allem, weil innerhalb der Level Skill weniger gefragt ist, ein gutes Gedächtnis ist wichtiger. Toki bewegt sich langsam und dank diagonaler Schussrichtungen könnt ihr locker auf alles reagieren, solange ihr wisst, dass es kommt. Das ändert sich dann auf den höheren Schwierigkeitsgraden, die weit über den alten Arcade-Automaten hinausgehen. Nur noch zwei Leben, drei Continues und die Gegner verwandeln sich in Kugelschwämme, während ihr immer noch nur einen Schuss aushaltet. Wer das durchspielt, der hat einfach zu viel Zeit und zu wenig Spiele, denn mit Spaß hat das nicht mehr viel zu tun.
Das Leveldesign von vor 30 Jahren blieb auch weitestgehend unangetastet. Das ist gut für den Nostalgiewert, nicht immer gut für die Spielbarkeit. Wie gesagt, billige Tode sind die Regel, solange ihr sie nicht einmal gestorben seid und im Gedächtnis gespeichert habt. So funktionierten halt damals viele Spiele, aber die besseren machten mehr daraus als Toki - siehe Contra zum Beispiel, ein im Grunde sehr ähnliches Spiel. Jeder Level hat seine ein, zwei netten Momente - meist die Zwischenbosse, von denen der erste nach wie vor mein eigener Favorit ist -, aber der Rest ist so kurz wie uninspiriert. Und manchmal auch komplett unfair in Momenten, in denen ein Gegner so platziert ist, dass er in der Sekunde aufpoppt, wo ihr ein Extra erhüpfen wollt. Das ist schlicht billiger als ein primitiver Jumpscare und weit frustrierender.
Was aber weit besser ist als ich gedacht hätte und auch präziser als im Original - zumindest in der Mega-Drive-Version, die ich aus irgendeinem Grund sogar besitze -, ist die Steuerung. Sie passt perfekt zu dem langsamen, methodischen Ablauf des Spiels, reagiert exakter als früher und lässt sich genau und präzise timen. Ja, ihr werdet dank billiger Fallen und auf Tode ausgelegtem Leveldesign häufig sterben, aber zumindest liegt das nicht an der Steuerung, was für die Motivation sehr wichtig ist. Würde Toki nämlich hier schwächeln, gäbe es keine Motivation, über die wir reden müssten.
Kann ich Toki empfehlen? Nein, natürlich nicht! Es ist ein altes Game mit all seinen Schwächen, die sich zwar mit 30 Jahre altem Leveldesign erklären, aber nicht mehr im Jahr 2019 entschuldigen lassen. Es ist stupides Auswendiglernen von sechs kurzen Stages mit Bossen, die selbst zig Kugeln schlucken, aber wehe euch streift auch nur eine. Und doch... Ich mag die präzise Steuerung, mit der sich die Level wie Gedächtnispuzzle präzise lösen lassen und die Aufarbeitung des alten Looks ist hier ein seltener Volltreffer durch und durch. Also ja, ich hatte meine zwei Abende Spaß - was mehr ist, als ich über das Original sagen kann - und das bringt uns zum größten Problem: 35 Euro bis 45 Euro dafür? Sorry, ich weiß, Preis-Leistung ist ein schwieriges Thema und hier steckt sicher weit mehr Aufwand drin als in dem lieblosen Flashback zuletzt, aber trotzdem. Selbst für die nette Box-Version ist das ein wenig zu heftig, um ein Auge zuzudrücken.
Außer natürlich ist seid ein echter Toki-Fan der ersten Stunde und zählt dieses Game bis heute zu euren Lieblingen. Dann kauft es. Sofort. Es wurde nur für euch gemacht. So viele werdet ihr ja wohl nicht sein.
Entwickler/Publisher: Microids / Astragon - Erscheint für: Switch - Preis: 35 bis 45 Euro - Erscheint am: 18. Januar 2019 - Getestete Version: Switch - Sprache: deutsche Texte, englische Sprachausgabe - Mikrotransaktionen: Nein