Tom Clancy's Ghost Recon: Future Soldier - Vorschau
Ein Hauch Zukunft
Ubisoft Paris hat ganz offensichtlich die Ruhe weg. Wenn Tom Clancy's Ghost Recon: Future Soldier im Mai erscheint, ist der Titel schon deutlich über zwei Jahre lang angekündigt, der letzte Teil des Franchise schon mehr als fünf Lenze alt. In Zeiten, in denen sich fertige Spiele kaum von ihren ersten Screenshots, Features und Gameplay-Schnipseln unterscheiden, die die PR-Maschinerie im Vorfeld mit beinahe medizintechnischer Präzision der Öffentlichkeit verabreichte, erinnert die bewegte Entwicklungsreise von Future Soldier vor allem an eines: Was für ein dynamischer und "weicher" Prozess doch eigentlich die Entwicklung eines Spieles ist.
Erstes Promo-Material zum Titel wirkte beinahe befremdlich weit in der Zukunft. Ubisoft zeigte schultermontierte Raketenwerfer, wie sie wohl selbst der Predator noch als vollkommen jagdtauglich anerkennen würde, Exoskelette, die die körperliche Leistungsfähigkeit steigerten, und fahrende, schwer bewaffnete Tarnkappen-Mechs an der Seite der Ghosts. Und auch wenn der Mitarbeiter von Ubisoft Paris, der uns während unseres Besuches auf dem Future-Soldier-Event in der Seine-Metropole zur Seite steht, vor allem über den Verbleib dieses eleganten "Metal Gears" nichts verraten will - und dabei ein bisschen so klingt, als würde es zumindest irgendwann noch etwas in der Form geben: In den drei Leveln der Kampagne, die ich an diesem Tag auf der Veranstaltung spielen konnte, ist von diesen Elementen nichts mehr zu sehen.
Offenkundig haben die Entwickler irgendwann in den vergangenen zwei Jahren den Rückwärtsgang eingelegt, um das Spielerlebnis nicht allzu weit von der Realität - und damit auch der Erwartungshaltung der Spieler - zu entrücken. So geerdet ist das Spiel doch problemlos als Abkömmling von Advanced Warfighter zu erkennen. Und ich vergleiche Future Soldier bewusst nur mit der Next-Generation der Ghost-Recon-Spiele, denn wo die sich schon von ihren ledernackigen, beinharten Taktikwurzeln ein gutes Stück entfernten, geht der jüngste Teil noch einen Schritt weiter. Alles ist komfortabler, mit mehr Flash in Szene gesetzt und zum Teil auch einfacher, sofern sich das im Rahmen eines Events mit Bestimmtheit sagen lässt, das vor allem darauf ausgelegt ist, dass die Besucher möglichst viel vom Spiel zu sehen bekommen.
Ob die Level und Räume jetzt viel kleiner sind als damals in GRAW? Anhand des Gespielten schwer zu sagen. Die versammelte Presseschar hat im Rahmen der vorausgehenden Demonstration definitiv auch einige deutlich schmalere Areale zu sehen bekommen. Trotzdem ist das hier noch lange nicht Call of Duty. Nur einer der von mir tatsächlich ausprobierten Level, eine Straßenschlacht in Pakistan, war auch nur ansatzweise mit der schnelllebigen Action vergleichbar, wie sie heute für einen Millionenseller geboten zu sein scheint. Hier verpixelte zwar unschön die Sicht, sobald man sich ein paar Meter abseits des Missionsgebietes umsah, wodurch man sich gleich ein wenig gegängelt vorkam. Aber selbst in den actionreichsten Momenten dieses einen Schlauchlevels war Run-and-gun keine Option, kamen hier doch eher Assoziationen zum Squad-gestützten, zermürbenden "Duck-and-Cover" eines Gears of War auf als zu den eher Arcade-artigen Kampagnen der Military-Platzhirsche von nebenan. Ob letzten Endes die enger angelegten oder die offeneren Einsatzgebiete dominieren werden, lässt sich bisher schwer sagen. Die Waldumgebung oder die Infiltration eines Wüstencamps waren in Sachen Größe aber nicht so weit von den direkten Vorläufern der Reihe entfernt.
Vorgehensweise und Tempo schlagen gerade in diesen offeneren Arealen weiter ganz andere Töne an als die Konkurrenz, was durchaus für die Abwechslung der Kampagne sprechen könnte. Hier will jeder neue Bereich erst einmal gescoutet werden, weil schon wenige Treffer dafür sorgen, dass ihr blutend darniederliegt und nur noch in Deckung krabbeln könnt, bis euch eines eurer hoffentlich nicht ebenfalls außer Gefecht gesetzten Squadmitglieder heilt. Beobachtungsgabe und die Analyse der Situation sind also selbst im dicksten Gefecht noch Trumpf, auch wenn das Spiel nicht ganz so unerbitterlich mit euch umspringt wie noch damals. Aber wie gesagt: Aussagen zum Schwierigkeitsgrad sollte man sich bei frühen Versionen noch sparen - und wer es härter mag, der spielt einfach auf "schwer".
In jedem Fall ist das geisterhafte Vorgehen eurer Einheit weiter ihr größtes Plus. Denn wer "Guns Blazing" eine Stellung stürmt, hat es deutlich schwerer, als wenn er sich die Zeit nimmt, mit der fliegenden Drohne feindliche Stellungen zu identifizieren und seinem Trupp bis zu vier Feinde für einen synchronen Abschuss zu markieren - an dieser Stelle vielleicht die Bemerkung, dass sich die Mitspieler-KI sehr clever für diese Treffer in Position bringt. Doch selbst wenn das reibungslos geschehen ist, könnte ein höher postierter Waffenbruder der russischen Putschisten das Geschehen beobachten und Alarm schlagen. Es reicht also nicht nur, schlicht die Optionen zu nutzen, die euch die Systeme des Spiels anbieten, ihr müsst euch auch Gedanken machen, wie und wann ihr eine solche Aktion konzertiert und ob nicht vielleicht erst noch andere Voraussetzungen erfüllt sein müssen - etwa zuvor noch eben erwähnten Scharfschützen auf dem Dach auszuschalten.
Auffällig ist, dass Ubisoft Paris euch die Kontrolle über die Bewegung eurer Kollegen genommen hat. Glücklicherweise ahmen sie mittlerweile immerhin eure Körperhaltung nach und bezogen in den Probeleveln schon sehr geschickt selbst Position, ohne auch nur einmal von den Feinden entdeckt worden zu sein. Ihr könnt sie aber nicht mehr durch die Gegend schicken, um etwa eine gegnerische Befestigung von einer bestimmten Seite zu nehmen. Zumindest nicht direkt. Hier könnte es sein, dass Ubisoft die taktischen Möglichkeiten ein wenig kastriert hat. Allerdings kann man das ein wenig umgehen. Durch das Markieren von Feinden von einer Seite sorgt ihr dafür, dass die Kollegen auf ihre Ziele anlegen und sich nicht mehr vom Fleck bewegen, bis ihr am gewünschten Fleck für den Feuerbefehl seid. In der offeneren Umgebung mangelte es zudem ein bisschen an Übersicht, wenn euer Squad einen Feindkontakt meldet. Nur selten ließ sich für mich die Position des Gegners aus dem Funkspruch ableiten. Warum wird der entdeckte Feind nicht einfach als durchscheinende AR-Grafik auf dem Display eingeblendet, wie das nach dem Taggen eines Ziels durch einen Mitspieler oder nach der Detonation einer Ortungsgranate der Fall ist?
Was bisher jedoch sehr gut funktionierte, ist die Sperrfeuer-Funktion. Ihr gebt nämlich auf Wunsch die Anordnung, einen bestimmten Gegner, ein MG-Nest oder dergleichen mit Feuer zu belegen, um die Aufmerksamkeit von euch abzulenken. Das gibt euch wiederum die Gelegenheit, euch aus eurer Deckung zu entfernen und den Feind selbst zu flankieren. Wer in GRFS einmal von einem Geschütz hinter einer Mauer festgenagelt wird, weiß die Funktion zu schätzen. Wenn nämlich Sperrfeuer in eure Richtung fliegt, könnt ihr aus der Deckung kaum hervorlugen. Die Kamera fährt in diesem Fall näher an die Figur heran und beginnt stark zu wackeln, was nicht nur ein tolles Gefühl von "Ich bin geliefert" vermittelt, sondern auch verdammt befriedigend ist, wenn man sich mit Hilfe seiner Kollegen aus dieser bleiernen Umklammerung befreit. Ähnliches gilt auch für das Wechseln der Deckung selbst, das nun durch einen Klick auf die jeweils anvisierte nächste Deckungsmöglichkeit mit packender Embedded-Journalist-Kameraführung sehr komfortabel klappt.
Ein weiterer Stolperstein für Run-and-Gunner der Modern-Warfare-Denkschule sind die Zivilisten, die einige der Level bevölkern. Verluste unter Unbeteiligten bestraft das Spiel je nach Schwierigkeitsgrad ab einer bestimmten Menge mit dem Game Over. Gut, dass diese nicht teilnahmslos im Weg stehen. Wenn ein Ghost sich ihnen geduckt nähert, bedeutet dieser ihnen, sich aus dem Staub zu machen. Hier und da ist es für den Erfolg einer Mission zudem unabdinglich, unentdeckt zu bleiben, sodass ihr Stealth-Kills aus dem Hinterhalt und dergleichen einsetzen müsst. Dabei hilft die Tarnkappe, die euch automatisch halb-unsichtbar macht, sobald ihr in die Hocke geht. Allerdings erkennen euch Feinde, sobald ihr eine gewisse Distanz unterschreitet. Sie ist also kein Freifahrtschein, sondern eher eine recht atmosphärisch eingesetzte Art zweite Chance, noch aus dem Blickfeld eines neugierig gewordenen Feindes zu entweichen.
Der andere verbleibende Future-Touch, den ich während meines Besuches ausmachen konnte, war die zielsuchende Munition, die einen Gegner, einmal markiert, mit unheimlich zielstrebiger Autonomie von den Beinen holt. Überhaupt sind die Waffen, deren Feedback nun deutlich griffiger ist, als man das von der Reihe bisher gewohnt war, vielleicht das größte Steckenpferd dieser Ghost-Recon-Ausgabe. Im Gunsmith-Modus konfiguriert ihr jeden Schießprügel in zehn Kategorien. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich nur absolute Waffennarren ewig damit beschäftigen werden, mir persönlich ist es ziemlich egal, wie tot nun ein Gegner ist. Allerdings gibt es für Leute wie mich auch Presets, die sich auf die wesentlichen Variationen - (Laut-)Stärke, Reichweite, Gewicht - beschränken.
Wissen sollte man lediglich, dass gewisse Munition und Waffenkonfigurationen einige Materialien (und auch mehrere hintereinander stehende Gegner) zu durchdringen in der Lage sind und andere nicht, was neue taktische Optionen auf dem Schlachtfeld eröffnet. Ein Abschuss durch ein Zelt oder die Seitenwand eines Verschlages hindurch, nachdem der Gegner per Magnetfeld-Sicht durch das Hindernis hindurch entdeckt wurde, sorgt für ein angenehmes Gefühl von Überlegenheit und Hellsicht. Was das angeht, darf man vor allem im Hinblick auf den Drop-In-Koop für vier Spieler gespannt sein. In der Theorie stelle ich es mir sehr packend vor, perfekt synchrone Abschüsse und Flankiermanöver mit drei Freunden abzusprechen.
"Schach ist auch einfach zu spielen. Gut darin sein … nicht so sehr."
Die Frage, ob das jetzt noch Ghost Recon ist, beantworte ich einfach mal mit einem beherzten "Ja". Zwar scheint der Taktik-Anteil nicht mehr ganz so beinhart und unerbittlich wie noch in der letzten Konsolengeneration, das bedächtige und von Beobachtung gekennzeichnete Gameplay sorgt aber immer noch für ein Spielgefühl, das sich unmissverständlich von gängigen Geradeaus-Shootern abhebt. Was die vermeintliche Verdummung angeht, halte ich die Skepsis für nicht zwangsläufig angebracht oder gar zielführend. Nur weil etwas leichter und komfortabler zu spielen ist, muss nicht gleich die Tiefe fehlen. Schach ist auch einfach zu spielen. Gut darin sein … nicht so sehr. Will heißen: Wenn Leveldesign, Gegner-KI und Balance ein Versagen im taktischen Bereich noch konsequent bestrafen, dürfte dies eine Zeitreise werden, die auch altgediente Taktik-Shooter-Fans noch gerne antreten. Falls nicht, dauert es unter Umständen halt wieder eine halbe Dekade, bis wir etwas Neues von den Ghosts zu hören bekommen.
Ghost Recon: Future Soldier erscheint am 24. Mai für Xbox 360 und PS3, eine PC-Version folgt später. Im April wird es auf PS3 und Xbox 360 eine Multiplayer-Beta geben.