Tom Clancy's Splinter Cell 3D
Chaostheorie gegen Marketingkalkül
Eine weitere Problematik liegt schlicht in der Tatsache, dass der 3DS nicht über einen zweiten Analog-Stick verfügt. Die ersten vier Splinter Cells waren nie für besonders schlanke Interfaces berühmt, weshalb sich die relative Armut an Eingabeelementen auf Nintendos neuem Wundergerät hier gleich doppelt bemerkbar macht: Wie von einigen PSP-Shootern bereits bekannt, nutzt Ubisoft die Tasten A, B, X und Y zum Steuern der Third-Person-Kamera und zum Zielen der zwei Waffen und Granaten.
Was soll man zu dieser Lösung großartig sagen? Es funktioniert. So gerade eben. Ein angemessener Ersatz für eine analoge Stick- oder gar Schiebepad-Lösung ist es jedoch in keiner Sekunde. Selbst auf der schnellsten Ziel-Einstellung ist das Justieren von Sicht oder Visier wahlweise zu langsam oder – der softwareseitigen Beschleunigung zum Undank – zu schnell. Insgesamt eine verkrampfte Übersetzung analoger Vorgänge auf digitale Tasten. Dass man für Aktionen wie Ducken, Springen oder das Anlehnen an Wände auf das Steuerkreuz umgreifen muss und demnach den Schieber für die Bewegung loslassen muss, ist ebenfalls eher ein Workaround um die Limitationen der Hardware herum als ein natürliches Eingabeelement.
Nach symbolischen 777 Worten Beerdigungsandacht, die sicher wieder eine ordentliche Grundsatzdiskussion lostreten werden (oder auch nicht), sollte man aber auch noch ein paar Sätze zu den durchaus vorhandenen Stärken des Titels verlieren. Denn trotz allem ist Splinter Cell 3D kein Totalausfall. Immerhin haben wir es hier mit einer Umsetzung von Chaos Theory (2005) zu tun, die mit deutlich gestrafften Leveln immer noch zu einigen recht spannenden Schleicheinsätzen einlädt.
Sam Fishers Aktionsrepertoire und das sich daraus entspinnende Katz-und-Maus-Spiel waren schon immer ein starkes Verkaufsargument. Und Situationen, in denen man im Spagat unter der Decke eines schmalen Korridors auf einen Gegner lauert, werden einfach nie alt. Wer gerne am perfekten Weg durch eine schwer gesicherte Festung knobelt, wird diesem Titel einige seiner Schwächen durchaus nachsehen. Zudem haben es einige nette Präsentationskniffe in das Remake des sieben Jahre alten Klassikers geschafft, wodurch zum Beispiel die Missionsziele auf originelle Art und Weise in die Spielumgebung eingearbeitet werden.
Auf der Habenseite ist zudem auch ein Großteil der Touchscreen-Funktionalität zu verbuchen. Der Bildschirm für Anfasser ist für Inventar-Angelegenheiten und alle anderen Dinge reserviert, die auf den Tasten keinen Platz mehr fanden. Karte, Ablenkungsgeräusche und die Modifikation der Schießeisen oder Granaten liegen hier. Hundertprozentig wird man zwar auch hier nicht überzeugt, da es etwa vier "Tastendrücke" braucht, um ein optisches Kabel unter einer Tür hindurchzuschieben (hier kommen übrigens netterweise die Neigungssensoren des 3DS zum Einsatz). Trotzdem unterm Strich eine gute Idee.
Punkte gibt es demnach für das noch immer gelungene Kern-Gameplay, das es in dieser Form schon viel zu lange nicht mehr gibt und eine damals wie heute sehr genießbare Auswahl abwechslungsreicher Missionen – dem großen Xbox-Vorbild sei's gedankt. Letzten Endes ist Splinter Cell 3D jedoch trotzdem die Sorte Launchtitel, die viel zu leichtfertig auf den Markt geworfen werden. Nur weil man Wege für eine Umsetzung sieht, heißt es nicht gleich, dass man diese auch unbedingt beschreiten muss. Die Situation erinnert übrigens frapperiend an den Wii-Start und Ubisofts ungelenke Umsetzung von Double Agent. Wie es besser geht, zeigt die Firma schließlich selbst mit Ghost Recon Shadow Wars, dessen Test dieser Tage ebenfalls hier zu lesen ist.
Splinter Cell 3D also - kein ärgerliches, aber ein über die Maßen sperriges und irgendwo auch etwas überflüssiges Spiel.
Tom Clancy's Splinter Cell 3D ist ab heute erhältlich.