Tony Hawk: Shred
Was ein Shred...
Wisst ihr, was ich letztes Jahr mit dem Skateboard-Controller von Tony Hawk: Ride und dem Spiel gleich dazu tat? Ich verschenkte es ein paar Tage nach dem Test. Auf dem brauchbaren Casual-Mode war ich durch und ich hatte die feste Vermutung, dass sich für dieses fehlerhaft konzipierte Brett nie wieder ein zweiter Titel finden würde. In gewisser Weise hatte ich ja auch recht. Die Hoffnung von Activision, dass der Controller von anderen Entwicklern unterstützt würde, hat sich zum Glück nicht erfüllt und man durfte hoffen, dass das Thema durch ist und das nächste Tony Hawk entweder zurück zur Tradition findet oder mit einem neuen Plastik-Brett aufwartet. Leider weder noch. Was bedeutet, dass ich mir diesen wundervollen Ersatz-Grinder noch einmal organisieren durfte.
Die gute Nachricht dabei lautet wohl, dass man Ride praktisch hinterhergeworfen bekommt. Es lassen sich also ein paar Euro einsparen, indem man für Shred erst einmal Ride kauft und dann das Game dazu. Oder besser noch: Kauft ein echtes Skateboard, dazu einen Helm und ein paar Knieschützer. Bis zum Frühjahr habt ihr den kleinen Aufpreis zusammengespart. Die schlichte Wahrheit lautet nämlich, dass Shred in ein paar marginalen Punkten nachbesserte, der Controller selbst aber immer noch wie ein Waschbrett fest auf dem Boden liegt. Die Rollen und die Aufhängung eines echten Boards erlauben einem Skater feinfühlige, millimetergenaue Anpassungen seiner Bahn. Hier gibt es einen glatten Unterboden und das Kippeln geht über die harte Kante hinaus immer noch nicht leichtgängig.
Damit fallen die beiden Schwierigkeitsgrade Mittel und Hart immer noch flach. Eine Lenkbewegung und ihr rudert in die Wand. Und wir reden hier nur über das Lenken, nicht einmal über Tricks. Kurs zu halten, das widerspenstige Brett zum Ollie anzuheben und dann auch noch leicht zur Seite abzukippen erfordert jemanden mit den Fähigkeiten des Birdman persönlich. Schließlich hat er ja letztes Jahr laut genug geschrien, dass das geht. Seid ihr kein Profi, dann geht es aber eben nicht. Seid ihr doch einer, frage ich mich, warum ihr das hier lest.
Es bleibt also wieder der Casual-Modus, der euch auf einer festen Bahn durch die schlauchförmigen Areale schickt. Nur die Tricks müsst ihr auslösen, und egal ob ihr das koordiniert tut oder einfach nur am Brett rumwedelt, da passiert schon was. Okay, das war böse. Diese Variante macht nach wie vor halbwegs Spaß und wird im neuen Casual-Plus-Modus sogar ein klein wenig netter, da man minimalen Einfluss auf die Bahn hat, aber halt nicht gleich komplett zur Seite abrauscht.
Die Spielmodi haben ebenfalls ein wenig die Bissigkeit aus dem Programm genommen. Die Herausforderungen, in denen ihr etwas Vorgegebenes erledigen sollt, wollen nun keinen spezifischen Flip mehr sehen, sondern einfach einen Flip. Welchen? Vollkommen Latte. Im Zeitfahren sucht ihr die beste Route, Punktefahren schickt euch auf einen Trick-Marathon, in den Spots sollt ihr in kürzester Zeit den Score maximieren. Nichts Bewegendes also. Daran ändert der neue Snowboard-Modus denkbar wenig. Keine weiten, offenen Pisten weit und breit, stattdessen Schlauchabfahrten per Schuss ins Tal. Die Steuerung bleibt ähnlich frimmelig, das Design der Strecke langweilig und mehr als andere Optik solltet ihr nicht erwarten. Das fühlt sich beim Nutzen des Controllers endgültig vom Geschehen am Screen losgelöst an. Ziemlich das Gegenteil dessen, was der Hardwareaufwand bringen sollte.
Optisch entschloss man sich zum kompletten Stilwechsel und setzt auf massives Cel-Shading. Komplett. Der erste Eindruck auf der Xbox 360 war: Bunt! Der Zweite: Wii! Der Dritte: Gibt es hier etwas, das nicht clippt, zittert oder niedrig auflöst? Zumindest die letzte Frage lässt sich mit „ja, zumindest subjektiv" beantworten, da bei hohem Tempo die relativ inkompetente Grafik schneller und bunter vorbeirauscht und man einmal gut im Flow das alles mehr als einheitlichen Farbbrei wahrnimmt. Ride war nicht schön, aber ganz anders als das hier. Und ich würde sogar Ride trotz der gehobenen Farbfreude Shreds den Vorzug geben. Dieses hatte auch nicht mit einigen massiven Bugs zu kämpfen, in denen der Boarder – es passierte meist auf Schnee – glatt durch die Landschaft durchrauschte. Nur nicht so wie gedacht sondern in einer wahrhaft radikalen Vertikale durch den Boden.
Too little, too late heißt die internationale Version der Zusammenfassung von Tony Hawk: Shred, auf Deutsch sage ich es mal in der Formulierung der Arbeitszeugnisse: Es hat sich stets bemüht. Aber es half nichts. Das Board leidet unter den gleichen Problemen wie vor einem Jahr. Kein Wunder, es ist das gleiche Brett mit den gleichen Kanten, die nicht genau genug kippen, um die Steuerung in der Hälfte der Schwierigkeitsgrade benutzen zu können. Das Rail-Boarden mit Casual funktioniert nach wie vor, nur beleidigt es immer noch jegliches Gespür für Freiheit, das ein Skate-Spiel eigentlich im Blut haben sollte.
Casual Plus gibt euch auch nicht diese Freiheit, dafür aber eine Möglichkeit, auch auf Casual mal danebenzuhauen. Macht etwas mehr Spaß, retten tut es aber nichts. Es bleibt ein Nachmittag halbherziges Rail-Boarding, das wars wieder. Nehmt noch die diesmal auf neue Weise erschütternde Technik dazu und ein paar handfeste Bugs, das Ganze zum Vollpreis und es wird klar, dass die Karriere von Tony Hawk als Videospiel-Ikone in freien Fall den Status des Has-Beens schon vor einer Weile passierte und nun in unkartografierte Regionen vorstößt. Reboot bitte. Und zwar komplett. Und um Himmels willen ohne das Board.
Tony Hawk: Shred ist ab sofort auf Xbox 360, PS3 und Wii erhältlich, sowohl als einzelnes Spiel als auch zusammen mit dem Board-Controller.