Tony Hawk's Downhill Jam
Es geht abwärts auf voller Linie!
Es gibt Spiele, die können einen zum Wahnsinn treiben. Nicht unbedingt, weil sie besonders schlecht sind, sondern weil man ums Verrecken nicht mit dem Gameplay zurechtkommt. Tony Hawk's Downhill Jam ist zumindest teilweise für mich eine solche Erfahrung. Mit dem gewohnten Tony Hawk-Feeling, wie wir es zuletzt bei Tony Hawk's Project 8 auf der Xbox 360 erleben durften, hat das Ganze nämlich recht wenig gemein. Vorbei sind bei diesem Ableger die Zeiten, wo es in erster Linie um jede Menge Tricks auf dem Skateboard ging. Hier brettern wir steile Straßen, Berghänge und andere Pisten herunter - Grinds, Flips, Wallrides und Konsorten spielen meist nur eine Nebenrolle.
Weniger Tricks, mehr Speed
Das Spielprinzip dieses Wii-Titels wurde also mit einem anderen Schwerpunkt versehen. Nun gut, mit dieser Tatsache wird der geübte Skater-Fan möglicherweise fertig - solange man sich wenigstens das geliebte Brett unter die Füße schieben kann. Die erste Ernüchterung erfolgt jedoch schon, bevor der Startschuss fürs erste Rennen gefallen ist: In der Auswahlmaske steht mit Mr. Hawk lediglich ein Superstar der Skater-Szene zur Auswahl. Alle anderen Fahrer sind Fantasyfiguren, denen irgendwelche klischeehaften Rollenfiguren anhaften. Ihr kennt das ja, jede Clique besitzt einen Doofi, 'ne Zicke, das Sport-Ass, den Tollpatsch, einen Rebellen und so weiter. Nicht besonders interessant und trotz kleiner Video-Clips vor jedem Renn-Event, in denen Euch die Leute näher gebracht werden sollen,fällt die Identifikation mit den Charakteren letztendlich eher dezent aus.
Bei Downhill Jam dreht sich folglich alles darum, auf Skateboards möglichst schnell die Berge herunter zu rasen. Meist dienen dabei städtische Umgebungen als Hintergrund, teilweise macht Ihr aber auch einen Ausflug in die Natur. Dafür stehen im Downhill Challenge eine ganze Reihe von Spielmodi bereit, mit denen so etwas wie Spieltiefe erzeugt werden soll, was aber nur leidlich gelingt. Neben reinen Abfahrtsrennen pest Ihr Slalom-Strecken hinab und sammelt dabei Extrazeit in leuchtenden Toren, sprintet in 1vs1-Duellen um den Sieg und dürft auf den Kursen auch spezielle Trick-Parcours absolvieren. Immer steht Ihr jedoch unter Zeitdruck und/oder tretet gegen eine übersichtliche Anzahl von Kontrahenten an. Zur Einführung für Downhill-Novizen absolviert Ihr vor dem ersten richtigen Wettbewerb ein kurzes Tutorial, das die wichtigsten Features abhandelt.
Achtung, Einbahnstraße!
Allen voran wird dabei natürlich die Steuerung mit der Wiimote erklärt, die man, wie von Rennspielen auf der Wii bislang bekannt, horizontal hält und quasi als Lenkrad benutzt. Mit den Tasten 2 und 1 aktiviert Ihr Ollies (Sprünge) und Specials, wie Grabs, Flips und Grinds. Oder attackiert andere Skater und Passanten, die Euch im Weg stehen. Zusätzlich kommt dafür auch noch das D-Pad zum Einsatz, wobei Eure Fingergeschicklichkeit und Euer Geschmack entscheiden, was Ihr wann einsetzt. Um die eigene Spielfigur über die Piste zu steuern, neigt man die Fernbedienung jeweils in die Richtung der Kurve, bei Sprüngen vollführt das Alter-Ego durch einige Gesten auch spezielle Bewegungen, wie Drehungen und Salti. Prinzipiell funktioniert das zwar recht solide, allerdings bleibt auch nach längerer Spielzeit irgendwie immer die Tendenz zu übersteuern. Das führt zu ärgerlichen Drehungen gegen die Fahrtrichtung, was einem jedoch nicht immer sofort bewusst wird. Das Spiel blendet erst nach mehreren Sekunden die Reaktion auf einen solchen Fauxpas ein - Zeit, die man nur sehr schwer wieder aufholen kann.
Darüber hinaus ist das Design der Kurse ziemlich gewöhnungsbedürftig und häufig völlig chaotisch und unübersichtlich. Nicht selten passiert es, dass man durch einen Sprung in einer Sackgasse landet oder sich völlig verfranst, ohne den helfenden Hinweis zu erhalten, wo das Rennen fortgesetzt werden könnte. Auf den meisten Parcours führen zwar mehrere Wege zum Ziel, was aber nicht unbedingt von Vorteil sein muss. Wählt man in Slalom-Kursen mehrfach die "falsche" Abfahrt – Indikatoren sind nicht vorhanden -, rast man an allen Zeit-Toren vorbei und hat keine Chance, das Rennen zu beenden. Zudem bleibt die Spielfigur schon an den kleinsten Kanten und Häuserecken hängen und verliert dadurch im „günstigsten Fall“ drastisch an Geschwindigkeit. Oft genug verhaspelt man sich aber völlig und es kommt zum Crash, sodass man auf dem Hosenboden landet. In solchen Fällen hilft dann nur das etwas nervige Schütteln der Wiimote, damit sich die Spielfigur wieder aufrappelt.
Geschüttelt, nicht gerührt!
Apropos Schütteln: dieser Aspekt des Handlings kommt auch zum Einsatz, wenn Ihr den Turbo zünden wollt. Speed-Boosts werden beispielsweise unmittelbar durch Powerslides in Kurven (A-Knopf) aktiviert, oder aber mit besonders gelungenen Tricks im so genannten "Zone-Bone" akkumuliert und machen sich dort in einer mehrstufigen Flammen-Anzeige bemerkbar. Auf Wunsch lässt sich die Tempo-Beschleunigung dann durch Schütteln oder die B-Taste aus dem Fingerhut zaubern. Punkte für Boosts gibt es übrigens auch, wenn Ihr die Passanten verprügelt, an denen Ihr vorbeifahrt. Geht Ihr schließlich als Sieger aus einem Rennen hervor oder erreicht mindestens den dritten Rang, erhaltet Ihr bis zu drei Fortschrittspunkte, mit denen Ihr Schritt um Schritt im Rang aufsteigt. Je mehr Punkte Ihr sammelt, desto mehr der insgesamt acht Locations bekommt Ihr zu Gesicht und dürft auf den Kursen in San Francisco und anderen Arealen antreten. Zusätzlich erhaltet Ihr fürs erfolgreiche Abschneiden in einigen Rennen auch Sachpreise (coole Outfits, Boards mit besseren Werten, etc.) und schaltet Extra-Strecken und Bonus-Grafiken frei.
Insgesamt kann die relativ große Anzahl an Kursen und Gebieten aber nicht verbergen, dass die Spieltiefe eher gering ausgeprägt ist. Das Gameplay wiederholt sich ziemlich häufig und bietet auf Dauer wenig Abwechslung – zumal viele der Kurse in verschiedensten Varianten vorkommen. Daran ändert auch der Multiplayer-Modus nichts, in dem bis zu vier Spieler per Splitscreen-Modus gegeneinander antreten können. Auf den Mini-Ausschnitten, die dann jedem Spieler bleiben, ist von den Tricks ohnehin kaum noch etwas zu erkennen und das Spielgeschehen reduziert sich größtenteils auf das "Abgrasen" der Strecken. Wie bei fast allen bisherigen Wii-Titeln unterstützt leider auch dieser kein Onlinegaming. Wer also den Modus nicht missen möchte, sollte eher zur DS-Fassung greifen.
Optisch präsentiert sich das Spiel noch im vertretbaren Bereich, auch wenn es wahrlich keinen Augenschmaus bietet. Zu häufig finden sich in den Szenerien matschige Texturen, pixelige Objekte und Detail-Armut ein. Immerhin ist es möglich das Spiel in 480p-Auflösung und 16:9 Breitbildformat zu zocken – das ist ja wenigstens etwas. Dafür ist aber der Soundtrack durchweg gelungen, in dem 40 Songs vieler bekannter Metal-Bands und anderer Künstler dem Spiel die absolut passende Hintergrunduntermalung verpassen.
Für altgediente Fans der Tony Hawk-Reihe, die das auf Tricks ausgelegte Gameplay lieben, könnte sich Downhill Jam als Enttäuschung erweisen. Das Spielgeschehen fokussiert sich meistens auf das rasante Abfahren der Kurse und weniger auf die Tricks. Die gibt es zwar auch, sind aber eigentlich nur Randfiguren und Mittel zum Zweck. Ansonsten bietet Tony Hawk's Downhill Jam solide Renn-Kost im Stile von SSX, kann aber nicht an dessen Rasanz und Abwechslungsreichtum heranreichen. Auch das Handling mit der Wiimote hinterlässt auf mich einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits leistet sie sich keine großen Schwächen, will mir aber auch nach längerer Spielzeit nicht wirklich intuitiv von der Hand gehen. Möglicherweise ist dafür aber auch eher die nervige Kollisionsabfrage verantwortlich, die mich bei der kleinsten Bewegung straucheln lässt. Mehr als „gutes“ Mittelmaß dürft Ihr unterm Strich von diesem Spiel leider nicht erwarten. Wahre Skater-Fans sind mit Tony Hawk's Project 8 auf jeden Fall besser beraten.