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Tony Hawk's Project 8

Schlecht geneigt, komplett vergeigt!

Klein, dick und unsportlich – so sah ich in meiner Jugend aus. Gemästet von meiner Großmutter und mit vielen C64-Games gesegnet, verbrachte ich viele Stunden vor der Flimmerkiste. Die vielen Sportarten, die ich ausprobierte, gab ich meistens schon nach wenigen Wochen auf. Einzig das entspannte Tischtennis hielt mich zumindest mal für ein ganzes Jahr gefangen. So dominierte der Kampf gegen mein Übergewicht meine gesamte sportliche Karriere. Ein besonders unrühmlicher Abschnitt war dabei mein Versuch, mich auf einem Skateboard zu halten. Klar, das Brett war kein Profigerät, sondern ein Sonderangebot aus dem Supermarkt, trotzdem bereitete es mir schon Schwierigkeiten, eine gerade Strecke abzufahren. Damals noch ohne schicke Knie-, Ellenbogen- und Handgelenksschoner der Inline-Generation, wurde aus der sportlichen Lehrstunde recht schnell eine sehr schmerzhafte Angelegenheit. Ausgelacht von den Profis zog ich mich gefrustet in mein stilles Kämmerlein zurück und übergab meinem Vater das Skateboard zur Verwertung im Familien-Kamin. Doch ich wusste schon damals: Meine Zeit wird kommen und meine Rache wird furchtbar sein.

Keine Sorge, dank eines Wachstumsschubs und einer maßvollen Diät verlief der Rest meiner Jugend weniger frustrierend. Aber aus meiner Karriere als Profi-Skater wurde trotzdem nichts und ich landete am Ende doch als Redakteur in der Spielebranche. Eigentlich uncool, aber dafür muss ich mir nicht bis vierzig jeden Knochen brechen und bekomme als Redakteur natürlich jede Menge tolle Groupies. Doch die Krönung ist: Ich Sportskanone darf den coolen Trendsportler Tony Hawk's Project 8 so richtig in die Mangel nehmen und das auch noch als beschnittene Playstation 3 Umsetzung. Auch wenn gleich die Tony Hawk-Fans aufschreien und mir Befangenheit andichten, ich werde den Titel einfach mal aus der Sicht eines Einsteigers beschreiben, mal sehen was dabei herauskommt. Vorab noch die Information, dass wir den Titel hier schon einmal für die Xbox 360 getestet haben. Bis auf den fehlenden Online-Modus und die neue Steuerungsvariante für den Neigungssensor, sind die beiden Versionen vollkommen inhaltsgleich.

Aller Anfang ist schwer

Beeindruckend: Der Mann ist schon über 40!

Als Skateboard-Alien schnappe ich mir erstmal das Tutorial, wo ich verschiedene Tricks nachmachen soll. Dank bunter Bildchen und einer Vorführung klappt das anfangs ganz gut, doch spätestens beim Upside-Down-Fakie mit Grind-Jump Board-Snapping, verhaken sich meine Finger. Die Folge: Schon bei der zweiten Übung packe ich nicht die Abschluss-Aufgabe. Die Bedienung ist zu kompliziert gelöst. Gerade in Verbindung mit den neuen Features, artet der Einstieg in Arbeit aus. Immerhin kann ich die hübschen Spielermodelle bewundern, die ihren Vorbildern fast schon einen Tick zu ähnlich sehen. Besonders dem Namensgeber hätte man ruhig ein Facelifting verpassen können, der gute Mann wird langsam ganz schön alt. Die Umgebung wirkt dagegen nicht so schick: Vor allem der Trainingsparcours strotzt nicht gerade vor Details. Trotzdem sieht das Ganze schon einigermaßen nach Next-Generation aus, obwohl die Xbox-Fassung problemfreier, aber auch nicht nicht immer flüssig über den Bildschirm flimmert.

Nach dem frustrierten Abbruch des Tutorials hoffe ich auf Besserung im Karriere-Modus, wo ich mich für ein spezielles Skate-Team unter den Fittichen von Tony Hawk qualifizieren muss. Um dies zu erreichen, muss ich von meinem verdienten 200sten Platz unter die letzten Acht kommen, sonst lässt mich der gute Mann auf der Straße stehen. Bevor ich aber die Welt retten kann, muss ich mir einen coolen Skater zusammenbauen, der so richtig viel Street-Credibility rüberbringt. Ich entscheide mich für ein Glatze-, Baggypants-und Unterhemd-tragendes Skate-Girl, das mich beim Spielen irgendwie scharf macht. Vielleicht breche ich mir deshalb alle Knochen, als ich versuche die ersten Herausforderungen zu meistern. Dazu muss man einen Passanten ansprechen, einem kurzen Video zuschauen und schlicht nachmachen. Grundsätzlich ist die Welt von Tony Hawk's Project 8 frei befahrbar. Doch an manchen Stellen versperren Barrikaden den Weg und Ihr müsst Euch erst nach oben schla...äh..fahren, um alle Parcours besuchen zu dürfen..

llustration-preview use-asset="article:2" caption="aum blendet man die Umgebung weg, sieht das Spiel blendend aus. " />

Eine Weile später habe ich dann endlich den Skatepark gefunden und beginne meine ersten Runden zu drehen. Ein paar Sachen sind noch aus dem Tutorial hängen geblieben, der Rest wird schlicht ausprobiert, was meiner Skaterin zu vielen gebrochenen Knochen und blauen Flecken verhilft. Die werden natürlich nicht angezeigt, sonst hätte es wahrscheinlich Probleme mit der USK gegeben. Also Absprung, Handstand und Grinden war dann gar nicht so schwer. Etwas mehr Probleme bereitete mir Nail-the-Trick. Dieses neue Feature ermöglicht es, eine Art Zeitlupe einzuschalten, um besonders ansehnliche Kombinationen zu meistern. Das Prinzip dahinter ist recht einfach: Durch kleine Tricks eine Energieleiste auffüllen und dann per gedrückter Schultertaste die Zeit verlangsamen. Nun nur noch zum richtigen Zeitpunkt stoppen und der Punkteregen kann kommen. Dachte ich! Bis ich meinen ersten Nail-the-Trick gestanden habe, verging mindestens eine Stunde. Und von Kombinationen will ich da erst gar nicht anfangen. Gerade Tony Hawk-Neulinge müssen richtig viel Sitzfleisch mitbringen.

Knochenbrüche dank wackliger SIAXIS-Unterstützung

Die schicken Effekte täuschen nicht darüber hinweg, dass die Umgebung teilweise recht simpel aufgebaut ist.

Nun, da ich meine ersten Erfolge feiern durfte, wollte ich mich mal an die tolle neue Steuerung wagen. Schließlich dürfte sich der Titel mit den Neigungssensoren ja Klassen besser spielen, oder? Pustekuchen! Auch wenn die Bedienung grundsätzlich natürlicher wirkt, fehlt einfach eine riesige Portion Präzision, um auch nur die einfachsten Combos auf die Reihe zu bekommen. Richtig haarig gestaltet sich die Vollsimulation. Dadurch wird das Joypad praktisch zum Board. Wenn man dann im Sprung den Kontroller nach hinten zieht, hebt sich parallel das Brett und man landet auf dem Rücken. Selbst die Tony Hawk-Profis in unserer Redaktion verzweifelten und wechselten schnell wieder zu den Analogsticks zurück. Mein Fazit: Für komplexe und genaue Bewegungsabläufe sind die Neigungssensoren nicht ideal.

Eine weiter Enttäuschung ist die ersatzlose Streichung des Online-Modus. Nicht, dass die Multiplayer-Varianten der Xbox-Version so Aufsehen erregend waren. Doch ohne Ersatz wirkt der Titel dadurch trotzdem beschnitten, obwohl Inhalt, Grafik und Sound auf dem gleichen Niveau agieren.

“Tony Hawk's Project 8“ ist für alte Hasen auch auf der Playstation 3 eine gute Skateboard-Simulation, die gerade im Vergleich zum Vorgänger “American Wasteland“ wieder deutlich an Profil zugelegt hat. Einsteiger sind bei diesem Titel aber oftmals überfordert. Der direkte Konkurrent “Skate“ versucht hier ganz bewusst die Bedienung zu vereinfachen, ohne aber die Komplexität zu beschneiden. Denn man braucht keine verwirrende Tastenbelegung, um ansehnliche Combos hinzulegen – bestes Beispiel “Virtua Fighter“. Weniger ist manchmal eben mehr und könnte die Serie auch für Anfänger wieder interessant machen. Echte Profis dürfen die Wertung gern nach oben korrigieren, doch durch die fehlende Online-Komponente bleibt Playstation 3 Fassung gerade für diese Zielgruppe deutlich hinter den Erwartungen zurück.

6 / 10

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