Too Human
Zwischen Frust und Lust
Leider werden die Zusammenhänge kaum erklärt. Wer damals in Geschichte nicht aufgepasst hat beziehungsweise das entsprechende Gebiet gar nicht erst vom Lehrer durchgenommen wurde, wird viele der ausgefeilten Winkelzüge und Charakterbeziehungen nicht verstehen. Im Notfall hilft zwar Wikipedia, aber theoretisch sollte das Spiel diese Aufgabe übernehmen. Außerdem ist die Theatralik der Inszenierung kaum auszuhalten.
Die Texte entsprechen zwar dem üblichen Mythologie-Duktus, wirken in dieser Form aber oft nur kitschig. Zudem ist der Hintergrund für die nervigste Wiederbelebungssequenz der Spielegeschichte zuständig. Bei jedem Ableben steigt eine Cyber-Valkyrie herab und befördert Euch nach Walhalla. Eigentlich ein schöner Anblick, würde er nicht knapp zwei Minuten dauern und wäre irgendwann abbrechbar. Immerhin startet Ihr das Spiel danach im gleichen Level und Ihr müsst Euch nicht erneut durch die Gegnerhorden prügeln.
Auch das theoretisch gelungene und abwechslungsreiche Kampfsystem kommt immer wieder in Erklärungsnot. Erst nach satten 18 Stunden habe ich das letzte Angriffskommando verstanden und konnte die Gegner nach einer Wurfattacke mit meiner Schusswaffe in der Luft halten. Nicht, weil ich zu blöd bin, sondern weil es erst in einem Ladebildschirm schlüssig erklärt wurde. Ohne Tutorial und Trainingslevel wird der Spieler beim Erlernen des Systems komplett allein gelassen. Im Grunde sehr intuitiv, gibt es viele Feinheiten, die die zwei Text-Seiten im Inventory nur unzureichend vermitteln.
Denn während bei der Konkurrenz vor allem auf spezielle Zauber und Kombos gesetzt wird, fungiert der rechte Analogstick hier als Gestenerkennung, die spektakuläre Angriffsserien und umfangreiche Spezialattacken auslöst. Gerade im späteren Verlauf entstehen so beeindruckende Gefechte, die je nach Gegentyp ganz unterschiedliche Taktiken und den Einsatz von Schusswaffen erfordern. Besonders die Endgegner verlangen einiges taktisches Geschick von Euch, sind aber nur selten im ersten Anlauf zu schaffen.
Leider ist die Anzahl der Spezialattacken und Fähigkeiten recht begrenzt. Ein komplexes Zusammenspiel wie bei Diablo 2 braucht Ihr nicht erwarten. Stattdessen bringt ein Skill-Punkt etwas mehr Geschwindigkeit, einen höheren Rüstungswert, einen stärkeren Schaden oder eine Zustandsveränderungen. Zum Beispiel Einfrieren. Ihr habt aber nie das Gefühl, dass sich dies extrem auf das Gameplay auswirkt. In der Summe kann es aber den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen. Ganz anders sieht es da bei Eurer Ausrüstung aus, die wie in Action-Rollenspielen so üblich einen Großteil der Motivation liefert.
Neben drei unterschiedlichen Nahkampf- und Fernkampf-Waffen-Typen warten viele Rüstungen, verbessernde Runen und Waffenentwürfe sowie zwei verschiedene Charakterausrichtung auf Euch. Ihr müsst Euch nämlich gleich nach der ersten Mission entscheiden, ob Ihr ein normaler Mensch bleiben wollt und so mehr auf Kombos setzt. Oder den einfachen Weg der Kybernetik geht, der mehr Schaden und Rüstung verspricht.
Blöd, dass die Gegner alle möglichen Gegenstände fallen lassen, die Ihr zum Teil gar nicht verwenden könnt. Dieser Umstand kollidiert mit der an sich praktischen Verkaufsfunktion. Ist Euer Inventar voll, veräußert das Spiel automatisch schlechtere Gegenstände, nimmt dabei aber nicht auf Eure Klasse Rücksicht. Dank der Masse an neuem Ausrüstungsmaterial fällt dieser Fehler nicht stark ins Gewicht, erfordert aber ab und an einen Blick ins Inventar. Das beste Kampfmaterial findet Ihr jedoch sowieso in Form von Entwürfen, die gegen einen entsprechenden Obolus auch mitten in einem Gefecht produziert werden können.