Top Spin 4
Virtuelle Konkurrenz
Das Sportspielgenre ist wie wenige andere geprägt von langlebigen Rivalitäten. Tiger Woods gegen Links, NBA Live gegen NBA 2K, PES gegen FIFA, Horse Life gegen Barbie: Pferdeabenteuer. Nur selten hat man allerdings das Gefühl, dass zwei Spiele so gut nebeneinander existieren können wie bei den alten Kontrahenten Top Spin und Virtua Tennis.
Beide Filzball-Prügeleien gehen in diesem Frühjahr schon in den vierten Satz und nachdem wir euch Anfang Februar bereits von unseren ersten Move- und 3D-befeuerten Erlebnissen mit SEGAs Virtua Tennis 4 erzählten, ist nun die Konkurrenz aus dem Hause 2K dran, deren Vorschau-Version hier schon seit einer Weile in der Redaktionskonsole rotiert.
Natürlich werden Tennis-Fans sich nicht beide Spiele kaufen, dennoch hängt es in diesem Fall doch stark von den persönlichen Präferenzen ab: Soll es schnelle, schnörkellose Arcade-Action sein oder doch lieber die simulationslastigere Version? Gute Argumente muss man für jedes der beiden Spiele jedenfalls nicht lange suchen, zumal in diesem Jahr wieder beide Titel in ihrer eigenen Paradedisziplin stark aufzuspielen scheinen.
Nach einem Entwicklerwechsel vom französischen Team Pam zu 2K Czech will der Hersteller Top Spin 4 nach dem etwas überkomplizierten dritten Teil wieder in die rechte Spur zu rücken. An den Stärken will man allerdings festhalten und so ist auch Top Spin 4 das Tennisspiel, in dem öfter mal ein sicher geglaubter Longline-Schlag ins Aus geht. Und auch das Netz bekommt bedeutend mehr vom Filz zu sehen als in Virtua Tennis, in dem man immer mal wieder vergisst, dass es überhaupt da ist.
Hier ist das Positionsspiel noch mehr Trumpf als bei der actionreichen SEGA-Konkurrenz und das Timing, mit dem Schläger und Ball aufeinandertreffen, hat massiven Einfluss darauf, wie hart und platziert ihr die Bälle returniert. Glücklicherweise helfen optionale Einblendungen Ein- und Umsteigern dabei, den richtigen Zeitpunkt für das Loslassen der Schlagtaste zu finden – und damit den optimalen Spielfluss.
In Top Spin 4 kann man sich dadurch wunderbar in die einzelnen Schläge reinsteigern und förmlich spüren, wie man sich mit perfektem Timing nach und nach die Initiative erkämpft. Auch schön ist, dass man gerade bei Slice und Top Spin mit wachsender Schlag-Aufladung spürbar an Präzision einbüßt. Hier übersetzen sich Übermotiviertheit oder Konzentrationsschwächen eins zu eins ins Spiel. Die Risikoschläge aus Teil 3 hat 2K übrigens berechtigterweise des Stadions verwiesen.
Besonders auch die Physik und Trägheit der Tennis-Cracks spielen eine gewaltige Rolle. Das Tempo wirkt im Direktvergleich ordentlich gedrosselt. Wenn man sich aber erst einmal an die Gangart gewöhnt hat und all die muskulären Erinnerungen an ewig eingeschliffene Virtua-Tennis-Abläufe abgeschüttelt hat, merkt man, dass Top Spin 4 sehr viel näher am realen Tennis ist als das Werk der Japaner. Ich habe jetzt schon Angst vor meiner Rückkehr zur VT4-Vollversion, denn die Trägheit und die Bewegungsabläufe von Top Spin 4 sitzen mittlerweile ziemlich ordentlich.
Was an der Beweglichkeit der Spieler bisher weniger gefällt, ist die Tatsache, dass sie manchmal gewissermaßen in einer Animation gefangen scheinen, wenn sie einen Ball als unerreichbar wähnen. Dabei würde eigentlich lieber ich selbst entscheiden, mit wie viel Einsatz ich der gelben Kugel hinterherwetze, anstatt meinem Spieler dabei zuzusehen, wie er sie verloren gibt. Und auch der Sprint ans Netz, eingeleitet durch die vordere rechte Schultertaste, fühlt sich nicht so fetzig an, wie er sein könnte. Schade, dass wir die Move-Steuerung noch nicht ausprobieren konnten.
Bei der Optik zeigt sich ein zwiespältiges Bild: Die Spielermodelle haben mir in Virtua Tennis 4 eine Idee besser gefallen und ganz allgemein scheint das SEGA-Produkt zugleich sauberer und weniger steril auszusehen. Die Vielfalt der Animationen ist hingegen bei Top Spin 4 stimmiger. Das liegt allerdings sicherlich auch am Tempo: Die Bewegungen der 2K-Spieler sind einfach etwas nachvollziehbarer. Das Drumherum und die Stadion-Atmosphäre des 2K-Titels können sich bisher übrigens sehr sehen lassen. Vor allem was den Sound angeht, ist die Kulisse immer schön differenziert und natürlich. Ein abschließendes Urteil darüber ist in circa zwei Wochen möglich, wenn wir die Vollversion haben.
Auch mit unserer Vorab-Fassung bleiben schließlich noch unglaublich viele Fragen offen: Die Karriere, bei der man seinen Spieler mit Attributspunkten und diversen Perks in unterschiedlichen Kategorien ausstattet, ist in unserer Fassung noch nicht zugänglich und auch online sind, wie von Vorab-Versionen gewohnt, noch keine Kontrahenten anzutreffen.
Fest steht allerdings, dass Top Spin 4 auf dem Court eine wahre Wonne ist. Wer es glaubwürdig, dynamisch und realitätsnah will, der wird sich dieses Jahr vermutlich dieses Spiel holen müssen. Während Virtua Tennis 4 mit Erfolg lange Ballwechsel, gute Reaktionen, Hartnäckigkeit und die Laufarbeit ins Zentrum des Spielgeschehens rückt, zelebriert Top Spin 4 den Schlag an sich und die Beobachtungsgabe des Spielers. Dieser muss sich nun nur noch fragen, was er von seinem Tennisspiel erwartet. Ihr werdet in diesem Jahr definitiv noch bedeutend schwierigere Kaufentscheidungen treffen müssen...
Top Spin 4 erscheint am 18. März für Xbox 360, PlayStation 3 und Wii.