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Total War: Rome 2 - Zeugnis eines Waldspaziergangs

Nebenbei klären der Lead Campaign Designer und der Lead Battle Designer, wer die Hosen anhat.

Das römische Imperium hat nicht oft einen auf den Deckel bekommen. Die Varusschlacht im Teutoburger Wald durch den germanischen Heerführer Arminius im Jahre 9 nach Christus markiert eine dieser seltenen Gelegenheiten - und taugt für eine äußerst schmeichelhafte Präsentation von Total War: Rome 2. Wie könnten Creative Assembly und Sega den anwesenden deutschen Journalisten bei Koch Media in München besser den Bauch pinseln, als ihren großen Triumph gegen das römische Weltreich zum Thema zu machen?

Leider war die Veranstaltung ansonsten ein wenig arm an neuen Eindrücken: Selbst Hand anlegen oder eigene Screenshots vom Taktik-Part machen durften wir nicht, Seeschlachten erübrigen sich angesichts des Wald-Szenarios, und vom Strategie-Teil auf der Kampagnenkarte gab es nicht einmal ein Screenshot zu sehen. Stattdessen wurden wir Zeuge einer Live-Präsentation durch Communications Manager Al Bickham aufseiten der Römer. Sein Auftrag: sich irgendwie durch den Wald zu schlagen, während die Germanen von allen Seiten auf ihn einstürmen. Quasi wie Asterix, nur extrem blutig. Soviel sei verraten: Bickham schaffte den Einsatz knapp, verlor aber viele Männer. Die Schlusssequenz in Spielgrafik nahm einen entsprechend unangenehmen Ausgang für den römischen Feldherrn Varus. Die Zwischensequenzen sollen sich übrigens abhängig von euren Leistungen unterscheiden. Nach dem Vorspiel hatten wir die Gelegenheit, uns mit Lead Campaign Designer Janos Gaspar und Lead Battle Designer Jamie Ferguson unterhalten.

Optisch hinterließ der Teutoburger Wald in der Präsentation einen überraschend guten Eindruck. Die Umgebung, die Einheiten, die Animationen - das wirkt alles authentisch und detaillierter ausgearbeitet als in den letzten Total-War-Teilen. Das Terrain-System habe man komplett überarbeitet, erklärt Jamie Ferguson später dazu. Die unterschiedlichen Höhenstufen ließen sich jetzt viel realistischer umsetzen. Zudem seien die Oberflächentexturen schärfer und die Wassereffekte schicker. Und tatsächlich: Wenn so ein Rudel germanischer Kampfhunde durch einen seichten Tümpel hetzt, um sich auf eine Einheit von Bickhams Legionären zu stürzen, schaut das aus der Nähe richtig gut aus. Die einzelnen Soldaten unterscheiden sich vom Gesicht und der Rüstung her - das sieht man besonders deutlich bei den Germanen. Hier legt man offenbar besonderen Wert auf ansehnliche Nahaufnahmen.

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Verstärkt wurde dieser Eindruck dadurch, dass der Communications Manager während der Präsentation immer wieder heranzoomte und in die Verfolgerperspektive einzelner Einheiten wechselte. Ein bisschen Sandalenfilm-Feeling im winterlichen München quasi. Auch ganz nett. Routinierte Taktiker werden die Option vermutlich trotzdem nicht weiter beachten und für derartige grafische Zuckerl kaum mehr als einen verächtlichen Schnaufer übrig haben - Profis behalten lieber den Überblick und verlassen nur selten die Vogelperspektive.

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Dabei stellt sich für mich die Frage, ob sich die Entwickler generell Gedanken über den Unterhaltungswert des Spiels für Zuschauer gemacht haben. Battle Designer Ferguson bejaht das. Zum einen gäbe es natürlich die Replays. Zum anderen habe man auch über spezielle Kameraperspektiven nachgedacht, sobald ein Spieler die taktischen Kämpfe automatisch über die KI ausfechten lässt und sich die Schlacht trotzdem anschauen will. Hier könnte einen das System auf sehenswerte Ereignisse aufmerksam machen und in die Egoperspektive der Einheiten wechseln, um die Schlachtatmosphäre kinoreif wiederzugeben. Die Option, Einheiten direkt zu kontrollieren, ist übrigens wieder mit an Bord - mehr als ein nettes Gimmick soll das aber nicht werden. "Wir sind schließlich ein Strategiespiel", so Ferguson lakonisch. Recht hat er.

Viel interessanter sind die Neuerungen in Sachen KI und Funktionsumfang. Gleich zum Einstieg des Demospiels von Bickham rollten brennende Heuballen physikalisch korrekt aufs Schlachtfeld und bescherten dem Communications Manager erste Verluste. Möglich macht solche Manöver der sogenannte Ambush-Stance, in den man seine Truppen versetzen kann. Dadurch werden sie zwar unbeweglich, dafür können sie aus dem Hinterhalt heraus mit technologischen Tricks wie den besagten Feuerkugeln agieren. Viel wichtiger ist laut Bickham jedoch, dass jetzt eine 'true line of sight' zum Einsatz komme. Anders ausgedrückt: Wenn eure Einheiten nicht konstant den Feind im Blick behalten, seht ihr ihn auch ihr nicht. Das gilt genauso für die Computergegner.

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Macht das die Arbeit für einen Lead Battle Designer schwieriger, wenn die KI nicht mehr gezielt "schummeln" kann? In vielen Titeln bekommt der Computer große Probleme, sobald seine Sinne derart beschränkt werden. "Im Gegenteil", meint Ferguson, "es macht unsere Arbeit einfacher. Denn jetzt muss sich die KI nur noch um das kümmern, was sie sieht. Für den Rest muss sie genauso raten wie der Spieler - und Scouts losschicken und völkerabhängige Boni nutzen." Sobald der Computer das ganze Schlachtfeld kennt, werde die Sache eher komplizierter, so der Designer. Dann müsse man sich vorab Gedanken machen, was der Spieler als Nächstes vorhaben könnte, welche Strategien er wohl vom PC als Nächstes erwartet und wie man, trotz der Allwissenheit der KI, plausible Verhaltensweisen daraus ableitet.

Interessanter Nebeneffekt der 'true line of sight': Mit genügend Kundschaftern kann man jeden Hinterhalt zunichtemachen. Umgekehrt ist es leichter, dem Feind im Wald eine Falle zu stellen statt in der offenen Wüste. Außer dem Ambush-Stance gibt es noch weitere - einen Verteidigungsmodus zum Beispiel oder die Gewaltmarsch-Option, durch die man sich auf der Kampagnenkarte schneller bewegt - zulasten der Verteidigung. Da es immer einen Zug dauert, den Modus zu wechseln, sollte man sich deren Einsatz gut überlegen.

Spannend klingt zudem eine neue Spezialisierungsoption für eure Truppen, die unter dem Arbeitstitel "Tradition-System" firmiert. Je häufiger man bestimmte Strategien einsetzt, desto stärker spezialisiert sich die Armee als Ganzes darauf. So haben die Truppen einer Armee mit ausgeprägter Seefahrts-Tradition Vorteile beim Einsatz von Schiffen, während eine Kavallerie-Armee mit besonders starker Reiterei in die Schlacht zieht. Die Tradition überlebt auch den Verlust eurer Einheiten - einmal gemachte Erfahrungen gehen nicht so leicht verloren. Ein nettes Feature für Langzeitspieler also.

Geschichte oder Spaß? Was meinen die Designer?

Für Ferguson ist die neue Kombination aus Land- und Seestreitmächten besonders erwähnenswert. Außerdem habe man Belagerungen komplett überarbeitet, es gibt zum Beispiel nicht mehr nur einen Punkt in der feindlichen Stadt zu erobern. Gaspar weist hingegen auf eine Neuerung bei der Kampagne hin: Die KI führt genauer Buch als früher. Ihr habt vor zwanzig Runden einen Computerspieler übervorteilt? Das Rächt sich beim nächsten diplomatischen Kontakt. Da haut euch der Gegenspieler die Geschichte um die Ohren und auch seine Verbündeten werden in Zukunft vorsichtiger sein, erklärt der Campaign Designer.

Die Tradition überlebt auch den Verlust eurer Einheiten - einmal gemachte Erfahrungen gehen nicht so leicht verloren.

Im Teutoburger Wald wird es sicher keinem Römer langweilig. Oder kalt.

Übrigens sei die Entwicklung von Rome 2 in Gaspars Augen schwieriger als die von Shogun 2. Die kulturellen Unterschiede der Fraktionen - und damit die Designs - seien einfach viel komplexer und die historischen Quellen seien manchmal sehr einseitig, ungenau oder schlicht lückenhaft. Selbst für Gaspar, der Geschichte studiert hat, sei das nicht einfach. Für Battle Designer Ferguson war hingegen die japanische Kultur die größere Herausforderung - schon die Recherchen seien aufwendig gewesen und vieles sei ihm immer noch fremd.

Wer hat eigentlich die Hosen an bei Creative Assembly, will ich wissen. Die Historiker oder die Spielspaß-Experten? Gaspar findet: beide. "In uns allen schlummern diese Seiten. Ab und zu gibt es aber Diskussionen, da verteidigt einer den geschichtlichen Hintergrund, während der andere meint, dass man zu sehr ins Detail gehe." Das Bestätigt auch Ferguson. "Unser Standpunkt bei allen Total-War-Spielen ist, dass die historische Perspektive nur die Basis darstellt. Den Rest entwickelt der Spieler während der Kampagne. Daher müssen wir sehr viel flexibler sein." Natürlich gebe es intern Diskussionen, ob die eine oder andere Einheit nicht etwas mehr an ihrem realen Vorbild ausgerichtet werden könne. Letztlich sei es ein konstanter Balance-Akt, so der Battle Designer.

Wahrscheinlich gegen Ende diesen Jahres erfahren wir, ob den Machern dieser besagte Balance-Akt glückt. Nach den letzten Total-War-Titeln und dem bisher gezeigten zu urteilen, braucht man sich kaum Sorgen darum machen. Ich lege mir trotzdem mal wieder ein Geschichtsbuch auf den Nachttisch - ein bisschen Hintergrundwissen kann nie schaden.

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