Trackmania Turbo: Im Rausch der Bestzeit
Gutes kann so einfach sein.
Oh, wow. Neun Ableger. Das muss man sich mal bewusst machen, wenn man mit einer Spielreihe jahrelang kaum mehr zu tun hatte, als die verschiedenen Titel in schnell durchratternden Pressemitteilungen zu lesen und sie gleich wieder zu vergessen.
Ist nichts Persönliches mit Trackmania. Ich mochte den ersten Teil seinerzeit für die Idee, Community und Entwickler mit dem Editor näher aneinanderzurücken - obwohl ich selbst damit nie wirklich tätig war -, und die ihn umgebende Einfachheit. Danach verschwand es irgendwie von meinem Radar, ohne Ziel und ohne Grund. Bis ich letzte Woche Trackmania Turbo auf den Schirm bekam, und Junge, Junge, das ist erst der Anfang.
Ich mochte den Ende März erscheinenden Racer von der ersten Sekunde an, seit ein Helikopter mein Fahrzeug aus der Luft auf eine beschleunigend hingebogene Rampe fallen ließ und es einfach losging. So ein Spiel hat keine Einführung oder weichenstellenden Tutorials nötig. Es ergibt sich aus sich selbst heraus, erklärt, indem es einfach läuft. Zwei Tasten - eine zum Gasgeben und eine zum Bremsen - und der Stick als Richtungsgeber, mehr braucht es nicht. Zehn Meter die Strecke runter und man hat es in Fleisch und Blut. Dann ist es zu spät, das Hirn steckt bereits im Bestzeitmodus.
Ohne diese Direktheit wäre Trackmania nicht möglich und nicht so groß geworden, ein Spiel immerhin, das einfache Renngestaltung mit der Jagd nach Bestzeiten kreuzt. Auf den ersten Blick erkennt man einen 90s-Arcade-Racer mit seinen auf Funktionalität bedachten Menüs, den Jingles und einem sehr slicken Design. Darin liegt eine Sauberkeit, die man sonst am ehesten von Nintendo-Produktionen kennt, und Turbo fängt sie im besten Sinne ein.
Es sind wunderbar zugängliche Pisten, egal ob Tokio mit seinen poppig-schrillen Hausfassaden und den überdimensionierten Werbeschildern, Tropeninsel in Südostasien oder rostbrauner Canyon, alle mit ihrem eigenen Twist versehen. Wie stark und spielbeeinflussend dieser ausfällt, liegt daran, in welchem Schwierigkeitsgrad ihr euch auf den Asphalt wagt. Vier Umgebungen mit mehr als 200 vorbereiteten Strecken umfassen die volle Palette von "kinderleicht" bis "Nicht euer Ernst".
Das Fahrgefühl ist hinreißend arcady und durch den Drift, die engen Haarnadelkurven, diesen abstrus von Loopings in halsbrecherische Schanzen übergehenden Fluss ein einziges dickes Grinsen. Das In-die-Kurve-Schlittern ist so wichtig für dieses Spiel, bis runter auf die Hundertstelsekunde, die man sparen kann und will, weil das Hirn immer noch feststeckt in seinem Modus Operandi. Wir saßen letzte Woche zu dritt nebeneinander und jeder raste vor sich hin, gebannt von der unglaublichen Ballastlosigkeit und der reinen Freude am Fahren. Das Einzige, was man hörte, waren Schreie, einer vor Glück, der andere vor Ärger.
Und hier kommt eine weitere, die dritte Taste hinzu: der Neustart. Trackmania setzt darauf, dass man seine eigenen Fehler frühzeitig erkennt und einschätzt, ob man nach einer zu weit eingelenkten Kurve noch in der Lage ist, die Bestzeit zu schlagen. Wenn nicht: Neustart. Auf richtig schweren Strecken, die erste Kurve schon versemmelt, hämmert man wie ein Blöder auf die Taste. Und wieso auch nicht?
Es ist eine ganz eigene Art von Süchtigmachung, ein subtil euren Ehrgeiz packendes und an ihn appellierendes System. Trial-and-Error in seiner süßesten Form und ein Time-Attack-Ansatz, der einfach wunderbar funktioniert. Man kennt das mit anderen Variablen aus Geometry Wars oder Dr. Mario. Wie vom Automatismus gesteuert, begreifen wir den Fehlschlag als Anreiz, es beim nächsten Mal besser zu machen. Und dieses nächste Mal liegt in Trackmania Turbo nur eine Sekunde entfernt, wenn es sein muss.
Abseits vom Reiz, Geisterdaten von Freunden und Fremden zu schlagen und sich langsam den bronzenen, versilberten und vergoldeten Medaillen anzunähern, kommt Turbo mit einer ganzen Palette anderer Modi. Das Erstellen eigener Strecken dürfte für viele ein guter Punkt sein. Da ich Editoren für den theoretisch endlosen User-Nachschub schätze, ihre Benutzung aber selbst scheue, habe ich nur kurz reingeschaut. War auf jeden Fall supereinfach, Loopings, Kurven, Steigungen und korkenzieherförmige Passagen zu setzen oder sich einen Kurs zusammenwürfeln zu lassen. Wird der Langlebigkeit sicher nicht schaden. Nimmt man gern mit.
Neben dem Hot-Seat-Modus, vorzugsweise mit zufällig erstellten Strecken, damit keiner einen Vorteil genießt, hat es uns der Double-Driver-Modus angetan. Er ist etwas für betrunkene Morgenstunden, wenn man mit den letzten paar verbliebenen Flaschen im Kasten einen Rappel bekommt und sich abreagieren will. Da Live-Action-Tekken auf Dauer zu anstrengend ist - unser Eddy weiß das und Kuma kann eben nicht jeder sein -, dürfte uns Double Driver viel Freude bereiten. Hier lenken zwei Personen ein einziges Fahrzeug, und zwar gleichzeitig und gleichberechtigt. Drückt nur einer von beiden den Stick gen Linkskurve, lenkt der Wagen auch nur mit halbem Einschlag dorthin. Dasselbe gilt fürs Gasgeben und Driften.
Ein Freund von mir, mit dem ich das zusammen ausprobierte, fragte noch, warum man das wohl so spielen wollte. Und ehe es uns gewahr wurde, war Double Driver eine natürliche Erweiterung des Spielgefühls. Etwas, das irgendwann beiläufig geschieht und das wir nicht mehr hinterfragten, während wir über dies und das redeten. Auch das ist Trackmania, oder zumindest stelle ich es mir mit Turbo so vor: Etwas nebenher genauso gut zu Erlebendes, wie man sich unter voller Konzentration in Highscore-Listen verbeißen kann.
Ein Racer, den man aus verschiedensten Gründe immer wieder einlegt - für die herrlich saubere Optik, das geradeaus gerichtete Spielgefühl, die nicht vorhandene Starthürde -, und ein aufrichtiger Liebesbrief an die Arcade-Halle mit ihrem Münzengeklimper und dem aus muffigen Ecken strömenden Adrenalin. Auf einem eigentlich dem großen The Division gewidmeten Anspiel-Event, das keinen so sehr mitnahm wie das hier, sind das fantastische Vorzeichen, meint ihr nicht?