Trapped Dead
Leichenblass
„Es gab einen Ausbruch in der Quarantänestation. Das Labor ... Eine Seuche ... Wir sind umzingelt" – der Arzt im Rollstuhl verbreitet keine Alles-wird-gut-Atmosphäre. Aber wundert euch das? Die Klinik, in der ihr gerade nach Hilfe für euren verletzten Kumpel Gerald sucht, wimmelt von Zombies. In jedem Zimmer, in jedem Flur knabbern die Brüder an verstorbenen Patienten und gewaltsam aus dem Leben geschiedenem Klinikpersonal. Aus einer Überkopf-Ansicht lenkt ihr per Mausklicks euren Helden Mike. Der Bildausschnitt lässt sich vergrößern und in festen Winkeln seitlich variieren. Den Professor rekrutiert ihr als zweites Mitglied eurer Reisegesellschaft. Vier weitere kommen in den folgenden Abschnitten hinzu.
Na, klingt doch gut, oder? Spiele mit Zombies kann es an sich nie genug geben. Da verhält es sich in der Spielbranche genau wie in der Filmindustrie. Welkes Fleisch, das sich von den Knochen schält. Gebrochene Knöchel, die über den Asphalt schlurfen. Schmatzende Laute, wenn Zähne sich in Gehirne bohren. Das sind Synonyme besten Horror-Vergnügens. Trapped Dead liefert solche Inhalte. Trotzdem setzt Entwickler Crenetic den Spielspaß-Elfmeter an den Pfosten. Das Spiel der Mülheimer enthält zwar Zutaten für eine Zombie-Delikatesse, schmeckt im Abgang jedoch allenfalls nach Schafshoden im Currybett.
Das Spielsystem erinnert entfernt an den Klassiker Commandos. Entfernt deshalb, weil euch statt Strategie mit erkennbaren Sichtkegeln Echtzeitgefummel erwartet, dem ihr versucht mittels der Pausetaste Herr zu werden. Unter anderem in diesen Pausen erteilt ihr euren Überlebenden Befehle und hofft, dass sie sie wunschgemäß ausführen. Das ist nämlich alles andere als sicher – die Charaktere reagieren störrischer als mancher Esel. Manchmal schießt Sheriff Old John auf die Gegner, manchmal sieht er tatenlos zu, während die Leichenfresser Mike zu Boden reißen. Eigenbeschuss solltet ihr im Menü zudem definitiv ausstellen, sofern ihr nicht erleben wollt, wie etwa euer Professor auf seinen hippokratischen Eid pfeift, falls ihm jemand in der Schussbahn steht.
Die Untoten gehen auf euch los, sobald sie euch sehen, hören oder euer Pixelblut riechen. Langsam, mit vorgestreckten Armen, wie es sich für 1980er-Jahre-Untote gehört. Denn Trapped Dead spielt in den virtuellen 80ern. In einer kleinen Stadt namens Hedge Hill, Missouri. Genmanipulierter Mais zeichnet dort für die Zombie-Epidemie verantwortlich. Ob nun im örtlichen Gefängnis, Güterbahnhof oder im Kaufhaus – überall wanken die lebenden Toten hinter euch her. So lange, bis sie sich gegenseitig im Weg stehen oder an Türrahmen oder umgestürzten Tischen hängen bleiben und ihr sie erledigt.
Die Jury des Deutschen Entwicklerpreises hat Trapped Dead jüngst als bestes Actionspiel 2010 ausgezeichnet. Mit Action hat das Spiel allerdings weniger am Hut als der Microsoft Flight Simulator. Die Charaktere leiden samt und sonders unter dem Beamtensyndrom: Als Spieler möchte man den Burschen (und der einen Dame) am liebsten Kaffee einflößen, damit sie sich schneller bewegen. Zwar können eure Helden auch Zwischenspurts einlegen, doch das kostet Ausdauer. Die fehlt dann wiederum, um den Zombies die Axt über die Rübe zu ziehen.
Überhaupt wirkt das Spiel unvollendet: Der Hauptcharakter trägt in den Illustrationen unterschiedliche Frisuren und Zombies vollführen Kniebeugen, weil sich ihre Animation aufgehängt hat. Waffen sind nach einem Ladevorgang nicht mehr ausgerüstet, das Spiel registriert nicht jeden Mausklick und manchmal fehlen die Schlaggeräusche, wenn ihr einen Untoten vermöbelt. Dazu hängt sich das Programm mitunter auf und katapultiert euch zur Windows-Benutzeroberfläche zurück. Der Online-Modus für vier Spieler ist aufgrund von Synchronisationsproblemen derzeit auch noch kaum spielbar – all das passt nicht zur fertigen Goldmaster-Version 1.0.31.0, die zum Test vorlag. Immerhin kündigt Pressesprecher Michael Zolna von Herausgeber Headup Games gegenüber Eurogamer bereits einen Patch zum Erstverkaufstag an.
Habt ihr eure sechsköpfige Mannschaft beisammen und euch mit den Mängeln arrangiert, keimt tatsächlich Spielspaß auf. Als Team geht ihr endlich taktisch vor und nutzt die Stärken eurer Protagonisten. Der Rollstuhl-Professor heilt etwa mit Erste-Hilfe-Kästen Wunden und Kranführer Klaus beherrscht perfekt den Umgang mit dem Baseball-Schläger. Als Hauptquartier für die ungleiche Bande dient ein Bunker. Das ist ein Standbild, über das ihr euren Trupp für den nächsten Schlauch-Abschnitt zusammen stellt. Jeweils vier der Überlebenden dürfen gleichzeitig ran an den Zombie-Speck. Die habt ihr auch nötig, wenn die ersten Horden dicker, dünner, männlicher und weiblicher Faulgestalten auf euch zu rollen. Spart also fleißig Granaten und haltet die Augen nach Fallen offen, in die ihr das Pack locken könnt.
Hinter dem biederen Grafikkleid von Trapped Dead verstecken sich durchaus gute Ansätze. Auch die nötige Portion Augenzwinkern ist vorhanden, wenn das Spiel etwa eine Zwischensequenz mit „28 Minuten später" als Hommage an Zombie-Film 28 Days Later einleitet. Für ein gutes Spiel ist das trotzdem zu wenig. Es sind die Kleinigkeiten, die mir den Spaß verleiden. Warum steckt die Spielfigur jedes Mal zuerst ihre Waffe weg, bevor sie eine Tür öffnet? Wieso stellen Treppenstufen für den Rollstuhlfahrer unüberwindbare Hindernisse dar, wenn er am Ende jedes Levels offenbar durch einen Schacht in einen Kanal steigen kann? Weshalb lässt sich der Schalter einmal drücken und ein anderes Mal nicht? Um das noch einmal zu betonen: Ich liebe Zombies! Aber um mich bei Trapped Dead bis zum Ende bei der Stange zu halten, braucht es mehr als ein umständliches und unfertiges Spiel. Vermutlich sogar mehr als sich jetzt noch durch einen Patch beheben lässt.
Trapped Dead erscheint für PC voraussichtlich am 16. Dezember. Die USK hat es ab 18 Jahren freigegeben.