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Trek to Yomi könnte als edler Samurai-Film durchgehen

Leonard Menchiari atmet offenbar Retro: Nach The Eternal Castle Remastered wirkt auch Trek to Yomi wie ein aus dem Archiv geborgenes Sammlerstück.

Die Bilder versprühen den Charme von auf Zelluloid gebannter Kinokunst. Filmkorn tanzt über schwarz-weiße Aufnahmen, kleine Fehler springen Bruchteile von Sekunden lang darüber hinweg - vor allem aber sind es die Kulissen und Einstellungen, wegen denen man sich in einem alten Samuraistreifen wähnt. Mal ist man relativ nah dran, wenn Hiroki die belebten Gassen seines Heimatdorfs erkundet, ein anderes Mal läuft er ganz klein vor den Feldern entlang, die sich bis in weite Ferne erstrecken.

Einige dieser Momente sind atemberaubend schön! Zumal die Ausarbeitung und Konstellation aller Objekte immer glaubwürdig erscheint, nie fürs Videospiel vereinfacht. Viele Schatten verleihen den Räumen Tiefe und die Kamera schaut oft aus größerer Entfernung aufs Geschehen. Manche Winkel sind so gewählt, dass der Schauplatz im Mittelpunkt steht, nicht der Protagonist. Das alles unterstreicht die cineastischen Ambitionen. Zumal ausschließlich Japanisch gesprochen wird, begleitet von den Untertiteln der gewählten Sprache. Ich hatte schon Ghost of Tushima in Schwarz-Weiß sowie mit O-Ton gespielt und Trek to Yomi steht dem in nichts nach.

Tatsächlich standen aber nicht nur japanische Filme von Akira Kurosawa, Masaki Koboyashi und Teinosuke Kinugasa dafür Pate. Denn wie uns Game Director Marcin Kryszpin erklärt, haben sich die Entwickler auch Anime, Cartoons und natürlich andere Spiele angeschaut und zu einem eigenen Ganzen zusammengefügt. Die ursprüngliche Idee stamme dabei von Leonard Menchiari, der das Spiel anschließend gemeinsam mit Flying Wild Hog (Shadow Warrior) entwickelt hat bzw. das noch immer tut.

Laut Kryszpin verdankt es ihm den Einfluss eher moderner Trickfilme wie Ninja Scroll und Sword of the Stranger, während einige seiner Einstellungen vom Xbox-Klassiker Orochi inspiriert sind. In allen Szenen seien die Beleuchtung sowie der Verzicht auf aufdringlichen HUD-Anzeigen dabei sehr wichtig, um die unterschiedlichen Ansprüche von Spieldesign und filmischem Erlebnis zu vereinen.

Klar, als Sidescroller ist das alles vor allem technisch eine deutlich kleinere Nummer als z.b. Shadow Warrior, was man ihm spätestens in den seltenen Nahaufnahmen des Protagonisten ansieht. Der muss sein Dorf schon als Junge vor einer Bande Räuber beschützen - im Tutorial jedenfalls, bevor man ihn bald als ausgewachsenen Mann spielt, wenn brutale Angreifer erneut brandschatzen, diesmal einen benachbarten Ort. Und selbstverständlich zieht die Geschichte später noch größere Kreise, doch das war nicht Teil der gut zweistündigen Vorschau-Fassung. Kryszpin verrät lediglich, dass irgendwann auch übernatürliche Elemente hinzukommen, was sowohl erzählerische als auch spielerische Auswirkungen haben soll.

Auf jeden Fall handelt es sich um ein Abenteuer im Stil des ursprünglichen Prince of Persia, bei dem man meist auf Schienen durch feste Kameraperspektiven läuft und auf jedem Bild mehrere Gegner im Schwertkampf besiegt - oder daran scheitert, um an den letzten, höchstens ein paar Bilder entfernten Speicherpunkt zurückgesetzt zu werden. Mit leichten und schweren Hieben bzw. Stichen attackiert man, während man feindlichen Angriffen aus dem Weg rollt oder sie mit einem Block abwehrt. Setzt man den im richtigen Augenblick, ist der Gegner kurz handlungsunfähig, sodass man starke Konter setzen kann. Nach und nach kommen zudem weitere Aktionen hinzu.

In der unfertigen Vorschau-Version stellen die meisten Kämpfe nur selbst auf dem dritten von vier Schwierigkeitsgraden kaum eine Herausforderung dar. Was hauptsächlich daran liegt, dass Hiroki nahezu alle Angriffe auf genau die gleiche Art abwehrt und besonders das Ausführen des Konters viel zu leichtfällt. Weil man nach einer bestimmten Kombination das Ziel sogar mit einem Finisher ausschalten kann, der zusätzlich einen Teil der Gesundheit wiederherstellt, verläuft das Kämpfen über weite Strecken sehr eindimensional. Andere Techniken kann man zwar ausführen, aber wozu sollte man das tun?

Obwohl manche Feinde z.B. mit über dem Kopf gehaltenen Schwert in Stellung gehen, spielt es keine Rolle, ob man selbst oben oder unten angreift und man muss auch nicht darauf reagieren, ob ein Hieb von oben, unten oder gar ein Stich durch die Mitte kommt. Stattdessen ist der einfach auszuführende und alles abwehrenden Konter fast immer das Allheilmittel. Selbst größere Gruppen von Gegnern stellen kaum eine ernsthafte Gefahr dar, da Hiroki bald lernt sich automatisch in die Richtung des ankommenden Angriffs zu stellen.

Darauf angesprochen hebt Game Director Kryszpin hervor, dass in späteren Kapiteln weitere Arten von Gegnern mit jeweils eigenen Besonderheiten hinzukommen, was die Abwechslung erhöhen soll - und auch den Anspruch, da man sein Vorgehen dort entsprechend anpassen müsse. Denn die Entwickler würden durchaus an Spieler denken, die ein forderndes Abenteuer suchen. Der filmische Anspruch stehe aber sehr wohl im Mittelpunkt.

Genau richtig ist schon jetzt das Erkunden der Umgebung, denn recht oft kann man Häuser betreten oder Wege abseits seines eigentlichen Pfads. Dort findet man dann nicht nur zusätzliche Räuber, sondern oft Erweiterungen der Gesundheit oder Ausdauer und sogar neue Techniken. An manchen Stellen gelangt Hiroki außerdem an Positionen, von wo aus er Baumstämme oder andere Lasten auf eine Gruppe Gegner fallen lassen kann. Das lockert das ansonsten streng geradlinige Durchlaufen angenehm auf.

Schade also, dass das Taktieren in den Kämpfen zumindest in der überschaubaren Vorschau-Fassung zu kurz kommt und man deshalb über weite Strecken auf allzu monotone Art das Schwert schwingt. Ob Leonard Menchiari gemeinsam mit Flying Wild Hog daran bis zur der für dieses Jahr geplanten Veröffentlichung noch etwas ändern kann bzw. will? Ich hoffe es sehr, da mir Trek to Yomi rein atmosphärisch schon jetzt hervorragend gefällt! Die cineastische Bildkomposition ist ein Traum, zumal die Geschichte offenbar nur auf Japanisch mit entsprechenden Untertiteln erzählt wird. Von mir aus können sich die Entwickler unter Marcin Kryszpin daher gerne noch etwas Zeit lassen. Denn sollten sie dem grundsätzlich guten Schwertkampf tatsächlich noch eine wichtige Portion taktische Finesse verleihen, könnte mich Trek to Yomi auch spielerisch in seinen Bann ziehen.

Mittlerweile findet ihr hier unseren Test zu Trek to Yomi .

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