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Trek to Yomi – Test: Besser kann man einen Plattformer nicht inszenieren!

Interaktiver Spiel-Film.

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Grandiose Kulissen und eine exzellente Kameraarbeit zeichnen das Filmspiel ebenso aus wie sehr gleichförmige Action, die man zu leicht durchschaut.

Ich komme mal ohne Umschweife zum Punkt: Trek to Yomi gehört zum Schönsten, das ich in Sachen Videospiel je gesehen habe! Wobei ich in diesem Fall nicht die Schönheit eines lieblichen Anblicks oder technischen Neulands meine, sondern die Art und Weise, mit der Kulissen in Szene gesetzt wurden. Denn würden japanische Regisseure einen Film über einen Samurai machen, der sein Dorf gegen brutale Räuber verteidigt, sie könnten es kaum eindrucksvoller auf die Leinwand bringen.

Die Perspektive ist daher fest vorgegeben, denn nur so konnten Spielemacher Leonard Menchiari (The Eternal Castle Remastered) und Flying Wild Hog (Shadow Warrior) ihre Einstellungen und Kamerafahrten genau planen. Und das haben sie auf meisterhafte Art getan! Wo sich Felder bis in den Horizont erstrecken und ein starker Wind durch die Wipfel der Bäume fährt, atmet das Geschehen eine Weite, die man sonst nur aus Zwischensequenzen kennt. Spätestens, wenn die Kamera aus dem Gras heraus einen nächtlichen Hügel hinaufschaut, während man auf dem Kamm mit Räubern kämpft, spürt man, dass die Inszenierung das gleiche Gewicht hat wie das Spiel.

Prachtvolle Landschaftsaufnahmen und historisch akkurate Kulissen: Trek to Yomi ist ein mit großem Feingefühl inszenierter Spiel-Film.

Viel stärker als in anderen Abenteuern ist Hiroki – so heißt der Samurai, dessen Geschichte man erlebt – ein Teil der Kulisse. Klasse fand ich zum Beispiel, als er und seine Gegner vor einem stark beleuchteten Hintergrund nur noch als schwarze Schatten zu erkennen waren oder an anderer Stelle hinter den durchsichtigen Wänden alter japanischer Häuser gekämpft haben. Auch wenn die Kamera ganz langsam durch einen Torbogen fährt, der eingangs noch das Bild rahmt, vermittelt das ein edles cineastische Flair, dessen Vorbilder Akira Kurosawa, Masaki Koboyashi und Teinosuke Kinugasa sind sowie moderne Comics und Anime. Gesprochen wird ausschließlich Japanisch, die Übersetzung erfolgt auf Untertiteln, wobei hervorragende Schauspieler ihren Rollen viel Gewicht verleihen – jenes übergroße dramatische Gewicht, das in Japan Tradition hat.

Trotz der vorgegebenen Perspektive darf sich Hiroki dabei frei bewegen. Im Kampf läuft er zwar tatsächlich wie in einem Plattformer nur von links nach rechts, an Ruhepunkten erkundet man aber relativ frei kleine Straßen oder Gebäude. So entdeckt man Geheimnisse und hat Zeit zum Durchatmen. Immerhin beginnt für Hiroki eine lange Reise, wenn die Räuber in sein Dorf eindringen, denn schon kurz darauf ist er auf der Suche nach seiner Frau. Dass er dabei, so viel sei vorweggenommen, auch ins Reich der Mythen vordringt, macht ihm den Weg nicht leichter.

Wenn gekämpft wird, bewegt man Hiroki wie in einem Plattformer, während man sich meist mehrerer Gegner erwehrt.

Rein spielerisch dreht sich Trek to Yomi dabei fast ausschließlich um den Schwertkampf – meist gegen mehrere Feinde, die allerdings fast immer nacheinander attackieren. Schwer gepanzerte Angreifer wuchtet man dann mit schweren Hieben nieder, während man flinke Gegner durch schnelle Streiche loswird. Hiroki lernt außerdem ständig neue Techniken, sodass er Gegner nicht nur erstechen, sondern auch kurz neutralisieren kann, um ihnen mit einem Finisher den Rest zu geben. Das stellt gleichzeitig einen Teil seiner Gesundheit wieder her. Sehr wichtig ist nicht zuletzt das perfekt getimte Abwehren ankommender Angriffe, weil es die Möglichkeit für Konter und längere Kombinationen eröffnet.

Grundsätzlich gefällt mir das richtig gut, weil man eine Vielzahl aus Filmen bekannter Bewegungen und Abläufe überzeugend nachahmt. Drei Arten von Geschossen, darunter Wurfsterne und Pfeile, ergänzen das Repertoire zudem, um auch den einen oder anderen kniffligen Räuber schnell loszuwerden. Dummerweise ist das alles nur viel zu einfach! Selbst auf dem höchsten im ersten Durchgang wählbaren Schwierigkeitsgrad kontert man fast alle Angriffe nämlich viel zu leicht weg und leitet zu allem Überfluss kinderleicht Finisher ein. Ab der Hälfte der Reise habe ich fast nur noch eine dafür notwendige Technik verwendet, um mich durch die im Grunde stets gleichen Herausforderungen zu schnetzeln. Die Feinde agieren einfach nicht so abwechslungsreich, dass man sich auf ihre Aktionen einstellen müsste.

Weil der Protagonist Teil der Inszenierung ist, anstatt nur davor zu agieren, hinterlässt das Spiel einen starken cineastischen Eindruck.

Stattdessen kennt man die Muster jedes Typs schnell auswendig und spult entsprechende Gegenmaßnahmen ab, die sich ohnehin meist gleichen. Weil er auf Schwer schnell Gesundheit verliert, hat mein Hiroki trotzdem manches Leben verloren. Der letzte Checkpunkt liegt aber fast immer höchstens drei Ecken zurück, sodass man sich darum keine Gedanken machen muss. Damit sind natürlich auch die Bosskämpfe recht überschaubare Herausforderungen – wobei ich einige dieser Duelle dennoch spannend und einen davon auch klasse inszeniert fand!

Es ist also keineswegs so, dass ich mich gelangweilt hätte. Ganz im Gegenteil: Ich habe jeden Meter dieser stilvollen Reise genossen. Ich wünschte nur, sie würde den Drive der ersten Stunden halten, anstatt sich im zweiten Teil auf diese einförmige Konter-Finishen-Schleife einzugrooven. Und ich muss leider sagen, dass sogar die filmische Brillanz in den späteren Abschnitten einen Teil ihrer Wirkung verliert. Je mehr das Fantastische nämlich in den Vordergrund rückt, desto häufiger zeigt die Kamera die klassische Totale, um einen möglichst großen Teil des begehbaren Areals einzufangen, und verliert den cineastischen Fokus dabei aus dem Blick. Das Abenteuer wirkt dann verspielter, weniger einzigartig.

Die Kamera steckt mitunter in der Kulisse drin, was die umso plastischer wirken lässt.

Dass man in leicht verstecken Räumen kleine Sammelobjekte der japanischen Geschichte und Mythologie samt kurzer Beschreibung findet, tut ihm dafür gut, weil es der Kulisse ein wenig mehr spielerische Substanz verleiht. Auch zusätzliche coole Techniken sowie Erweiterungen von Gesundheitsbalken und Ausdauer lagern dort. Schade ist eben nur, dass man vieles davon nicht zwingend braucht.

Trek to Yomi – Test-Fazit

Bis zum Schluss konnte mich Trek to Yomi also nicht komplett in seinen Bann ziehen. Dazu ist die Routine in den zahlreichen Kämpfen viel zu einförmig und dazu schlägt auch die Erzählung Wege ein, auf denen sie das in den ersten Stunden so treffsicher zitierte japanische Kino etwas aus dem Blick verliert. Im Gegenzug kann ich dafür gar nicht stark genug betonen, wie grandios ich viele der Einstellungen finde, in denen sich Hiroki mit den Räubern duelliert. Leonard Menchiari und Flying Wild Hog binden ihre Spielfigur so elegant in die Aufnahmen ein, anstatt sie lediglich vor einen hübschen Hintergrund zu setzen… als Fan solcher Inszenierungen geht mir dabei trotz der spielerischen Schwächen das Herz auf. Man sollte also wissen, was einen hier erwartet. Und falls das ein edler interaktiver Film ist, lasst euch ruhig auf diese Reise ein!

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