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Triangle Strategy hat die besten Entscheidungen – weil ihm egal ist, welche ich treffe

Und weil ich sie nicht alleine treffen muss.

Es ist eine Weile her, dass Entscheidungen und deren Auswirkungen in Videospielen das heißeste diskutierte Thema in diesem Medium waren. Dennoch überrascht mich dieser Tage sehr, wie gut ich Triangle Strategys auf technischer Ebene eher trivialen Ansatz finde. Ja, ich glaube, dieses Spiel hat die besten Entscheidungen, die ich seit Ewigkeiten in einem Videospiel treffen musste.

Dabei geht es mir gar nicht so sehr darum, worüber ich hier entscheide. Ich habe schon deutlich schlimmer mit Beschlussprozessen in Videospielen gehadert, schweren Herzens geliebte Charaktere zum Wohl der Mehrheit ihrem Schicksal überlassen oder jemanden für die “gute Sache” hintergangen, der es nicht verdient gehabt hätte. Triangle Strategy tut sich aber durch das “Wie” hervor, durch die Methode, die hinter den Entscheidungen steckt.

Die Autoren nehmen ihre Präferenzen zurück

Auch wenn ich erst in der Mitte bin und nicht sagen kann, wie groß am Ende nun die Unterschiede sind, je nachdem, welchen Weg man einschlug, fällt jetzt schon eine Sache auf: Square Enix hat eines der wenigen Spiele entwickelt, das keine eigene Präferenz für einen bestimmten Storyverlauf zu haben scheint. Das ist zumindest mein Eindruck. Wo man anderen Titeln mit vergleichbaren Wahlmöglichkeiten an der Nasenspitze ansieht, was sie mit einer Entscheidung bezwecken, (und welche Antwort sie selbst cooler fänden), ist es Triangle Strategy herzlich egal, was ihr macht.

Rieche ich roten Hochzeitskuchen?

Liefert ihr den befreundeten, euch schutzbefohlenen Prinzen an die mörderische Rebellion aus oder nicht? Das Spiel nennt gute, facettenreiche Gründe für beide Ansätze. Und hier kommen wir auf die Feinheiten des zugrundeliegenden Systems zu sprechen: Es ist nie allein eure Entscheidung. In regelmäßigen Abständen kommt ihr mit euren sechs oder sieben wichtigsten Mitstreitern und Beratern in der großen Halle eures Schlosses zusammen, um auf demokratischem Wege über eine von zwei Optionen abzustimmen.

Der Clou: Ihr selbst habt keine Stimme, sondern müsst gewissermaßen als Diener des Volkes dem Mehrheitswillen eurer Untergebenen folgen. Ihr seht, wofür die jeweiligen Charaktere abstimmen würden, wie schwer sie von der anderen Option zu überzeugen wären … und müsst dann genau das versuchen, um den von euch bevorzugten Weg einschlagen zu können. Dazu unterhaltet ihr euch in eurer Stadt mit Untertanen, erfahrt hilfreiche Neuigkeiten die aktuellen Umstände betreffend und gewinnt dadurch neue Antworten für die Multiple-Choice-Überzeugungsgespräche hinzu.

Suchbild mit Bösewicht. Kein Finderlohn. Aus mehreren Gründen.

Der Weg als die Summe eurer Werte

Der nächste kluge Kniff: Weil das hier ein Videospiel ist, war ich fest davon überzeugt, dass die auf diese Weise freigespielten “geheimen” Antworten oft die beste Wahl wären – doch weit gefehlt. Ich habe Figuren umgestimmt, ohne auch nur eine davon zu benutzen. Ein weiterer Beleg dafür, dass Triangle Strategy will, dass ihr auf Basis des (vielen) Gelesenen eurem Instinkt folgt, anstatt spielerischen Abwägungen. Dass man durch dieses System noch tiefer in die Handlung einsteigt, ist da nur noch ein Bonus (oder Malus, wenn man sie – wie Martin im Triangle Strategy Test ein wenig generisch fand).

Zunächst dachte ich noch, die Tendenz eurer Berater und deren sichtbarer Grad an Überzeugung wäre der subtile Weg des Spiels, mich in eine bestimmte Richtung zu lenken. Schließlich waren die Charaktere auf der einen Seite häufig leichter umzustimmen als die auf der anderen. Aber mittlerweile weiß ich, dass die vielen kleinen Antworten, die ich NPCs entlang des Weges gab, ein Diagramm von meinem Charakter erstellten, um ihn auf einem unsichtbaren Koordinatensystem zwischen Moral, Freiheit und Pragmatismus zu verordnen. Je nachdem, wo er dort steht, wirkt man unterschiedlich überzeugend auf seine Mitstreiter. Ich muss sagen, ich liebe dieses System und freue mich jedes Mal, wenn es auf eine Entscheidung zugeht.

Dich kriege ich auch noch rum! Das mit der Wand stimmt nämlich längst nicht immer, wenn man es richtig macht.

Wie groß die Auswirkungen sind, kann ich, wie erwähnt, nicht abschätzen. Aber zumindest auf kurzer Strecke ändert sich schon einiges und das ist ja oft schon das Wichtigste. Zu Beginn wählt ihr die Region der Welt, die ihr als Erstes besucht und damit die Charaktere, die ihr dabei kennenlernt. Später trennt ihr euch in der oben erwähnten Prinzenbredouille (sollte das schon der feststehende Begriff für die Situation sein, in der man versehentlich eine Konzertkarte für die Gruppe Die Prinzen gekauft hat, tut mir das leid!) mal eben von eurer zweitwichtigsten Figur oder eben nicht. Das sind Dinge, die ich für den Moment deutlich spannender finde, als die alte Wahl zwischen Schleichen, Ballern oder Hacken. Zwischen retten oder sterbenlassen.

Dass ich in erster Linie nur für rundenbasierte Taktik herkam und mich nun über die Feinheiten im Spielerausdruck freuen darf, ist eine der schönsten Überraschungen an diesem manchmal etwas zähen, unterm Strich aber mehr als lohnenden Kopffüßler-Game-of-Thrones.

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