Trine 2 Director´s Cut (Wii U) - Test
Zum Einrahmen schön und doch nur digital. Kunst ist so grausam.
Wenn ich etwas an Trine 2 - Director´s Cut auszusetzen habe, dann, dass es nicht in einer Box kommt. Oder noch besser: in einem Rahmen. Zum Ausstellen. In einem Museum. Das ich extra für dieses Spiel einrichte. Es ist so schön.
Viele Spiele sehen gut aus, einige sind schön, aber Trine gehört zu einer noch rareren Gruppe von schönen Spielen, die es vielleicht aus Innovations-Gründen nicht unbedingt ins MOMA schaffen - Ritter, Zauberer und Höhlen sind zu schlicht als Thema, wo 8-Bit König ist - aber euren Bildschirm ganz neu lebendig werden und sich jung fühlen lassen. Daran hat sich auf der Wii U nicht das Geringste geändert. Ihr werdet es für 20 Euro herunterladen (sogar nur 13,49 bis Ende Dezember) - 2 Gigabyte, bisher der größte reine DL-Content - und es wird eure Augen leuchten lassen.
Schönheit ist natürlich nicht alles und Trine 2 hat sehr viel mehr zu bieten. Was genauer, das lest ihr gleich in unserem ursprünglichen Test, an dem sich erst einmal nichts geändert hat. Alle Inhalte aus der Fortsetzung, für die man den ersten Teil nicht kennen muss, um sie vollständig zu erfassen, sind da, plus das Goblin-Menace-Paket. Das ist jetzt keineswegs Wii-U-exklusiv, aber kostet sonst immerhin noch mal ein paar Euro extra und ist umfangreicher, als es so mancher DL-Title insgesamt ist. Sechs riesige neue Welten, eine eigene Story, neue Fertigkeiten. Es ein neues Spiel zu nennen, würde zu weit gehen, aber nicht viel zu weit. Trine 2 Director's Cut gibt euch mehr Spielzeit als so manche Disc und vor allem mehr Spaß in dieser.
Steuern könnt ihr dieses "Eins bis Drei"-Solo-oder-Koop-Vergnügen auf der Wii U mit allem, was an die Konsole passt. Der Magier jedoch sollte in einer Gruppe dann das Pad bekommen, weil er seine Blöcke mit dem Touch-Bildschirm setzen kann. Ein Schelm, wer sagt, dass Mario Bros. U sich das hier abgeguckt haben könnte. Ritter und Dieb sind dann auch glücklich mit Pro-Controller und sogar mit einer Remote kann man leben. Spielt ihr allein, dann bleibt das Touch-Pad auch für die anderen beiden Figuren nicht ungenutzt, Pfeile können damit verschossen werden und Blöcke verschoben, wobei ich persönlich dafür jedoch bei normalen Buttons blieb. Reine Gewohnheit nehme ich an.
Trine 2 Director´s Cut auf der Wii U ist Pflicht. Es ist schön, intelligent und umfangreich und das ist eine nicht alltägliche Kombination. Bevor ihr euer Geld in eine drittklassige Disc versenkt, vielleicht nur, weil das Angebot noch nicht so groß ist: Ladet Trine 2 herunter, spart im Vergleich sogar noch ein paar Euro und genießt, was ihr mit diesem Paket bekommt. Damit hat sich der Director´s Cut sogar eine Aufwertung verdient.
Ursprünglicher Test Trine 2 - 14.11.2012 (Alexander Bohn)
Trine 2 ist vermutlich das hübscheste Spiel, das ich in diesem Jahr gespielt habe. Natürlich kam auch der Vorgänger 2009 schon recht nah an dieses Prädikat heran, aber Frozenbyte hat für Teil 2 Details, Lichteffekte und Belebtheit auf einen Level hochgefahren, der dieses "2,5D"-Erlebnis in ein beispiellos schönes Guckloch in eine märchenhafte Fantasy-Welt verwandelt.
Sicherlich, einen Faible für traditionelle, ja geradezu "Grimm"ige Welten, die zudem ganz bewusst nicht auf den dazugehörigen Kitsch verzichten mögen, muss man schon mitbringen. Aber selbst wer gerade mit großem Genuss ein Double-Feature aus Battlefield 3 und Call of Duty: Modern Warfare 3 hinter sich gebracht hat, kommt kaum umhin, in jedem neuen Raum erst einmal stehenzubleiben und die gigantischen, schwabbeligen Pilze, moosige Gemäuer oder die riesenhaften Schnecken zu bewundern. Jeder einzelne Screen quillt geradezu über vor Details, ist für sich schon eine gewaltige Bilderbuch-Collage, die sich keinen optischen Einfall für den nächsten Frame aufhebt.
Nur, dass es kein Bilderbuch ist. Hier ist alles in Bewegung. Pflanzen wippen sachte im Wind, einige Blätter ragen als begehbare Plattformen aus dem Bildschirm heraus und reagieren auf jeden Kontakt mit einem überzeugend realistischen Knicks in die entsprechende Richtung. Ihr balanciert auf riesigen, wabernden Seifenblasen, überwindet Speergruben dank frei drehender Wippen oder wackeliger Eigenkonstruktionen aus diversen Kisten und Planken und entgeht wuchtig herabschwingenden Fallblöcken mit gut getimten Sprüngen.
Und dann erst dieses Licht: Eine tief stehende Sonne strahlt aus der Mattscheibe heraus, blendet einen fast und hüllt die komplette Szenerie in ein von schweren Schatten durchzogenes Orange. Der Mond glüht später von einem purpurnen Firmament herab und lächelt geradezu samtene Licht-Akzente in die Gemäuer im Vordergrund. Und später, in einem halb versunkenen Schloss an der Küste, bekommt man das vielleicht wässrigste Wasser dieses Jahres zu sehen, während Sturmwinde und Regen an den Gewändern eurer Helden zerren. Zudem gibt es hier einen erstaunlichen Aquarium-Effekt, wenn sich euer Held in die Fluten wirft, um im kühlen Nass nach Erfahrungspunkte-Fläschchen zu suchen.
Es ist eine Reizüberflutung der guten Sorte. Diese Welt, so meint man, kann man beinahe anfassen. Das ist so einer dieser Momente, in denen ich mich ärgere, dass mein Monitor, anders als das Spiel, kein Stereo-3D unterstützt. Mein knapp vier Jahre alter Rechner (Quad Core 6600 @ 2,4 GHz, günstige GeForce 450 GTS) hat auf 1650 x 1080 jedenfalls kein Problem, Trine 2 auf maximalen Einstellungen und mit mittlerem Anti-Aliasing in unbeugsamen 60 Bildern pro Sekunde abzuspielen. Reserven dafür wären also offenkundig da.
Wenn man dann festgestellt hat, dass sich Frozenbyte für Trine 2 ein "1Up" bei der Grafik gegönnt hat, kommt im nächsten Schritt die Erkenntnis, dass spielerisch alles beim guten Alten geblieben ist. Wie gehabt tauscht ihr jederzeit und nahtlos Magier gegen Ritter gegen Diebin, um der Herausforderungen Herr zu werden, die die findigen Level-Designer des finnischen Entwicklerstudios euch in den Weg stellen. Und auch der Modus Operandi ist im Großen und Ganzen der gleiche: Amadeus, der Zauberer bewegt Objekte per Telekinese und erzeugt auf magische Art - sprich "Gestensteuerung" - steampunkige Kisten und Planken verschiedener Größen im Level. Auf diese Weise improvisiert er Brücken oder Leitern oder blockiert einfach Mal die gewaltigen Zahnräder einer Maschinerie, die eurem Fortkommen im Wege steht.
Die Diebin Zoya verfügt dagegen über einen Bogen und einen Greifhaken, den sie satt in Holzoberflächen versenkt, um über Abgründe zu schwingen. Pontius, Ritter ohne Fehl, Tadel und Diät-Ambitionen, ist dagegen der Mann fürs Grobe. Abgesehen von seinem Talent, Kämpfe mit Schild und Schwert unbeschadeter zu überstehen als der Rest des Trios und dem nicht zu leugnenden Nutzen seines schweren Hammers beim Öffnen von verschütteten Schatzkammern, ist er aber immer noch die Figur, die im Grunde am wenigsten nützlich ist. Knobeln und Hüpfen machen aber zum Glück gut 75 Prozent des Spielverlaufes aus. Immer wieder müsst ihr euch einen Raum erst genau ansehen, um herauszufinden, wo es weitergeht beziehungsweise wie man dorthin gelangt und welche Schalter was verursachen.
Auch wenn Frozenbyte in der Spielmitte ein paar Level mit Portalen, pardon, "Zauberspiegeln", bietet und hier und da etwas mit Flüssigkeiten gespielt wird, so bestehen doch viele der Rätsel aus altbekannten Versatzstücken. Die sind zwar immer sehr kompetent umgesetzt, der Knalleffekt, den die physikalisch plausible Wechselwirkung der einzelnen Elemente noch im Vorgänger hatte, fällt dieses Mal aber notgedrungen nicht mehr ganz so eindrucksvoll aus.
Nett ist, wie es anscheinend erneut keine festgeschriebene Lösung für die meisten Rätsel und Hindernisse gibt. Wie schon im Vorgänger lassen sich viele der elaborierteren Puzzles auch lösen, wenn man nur mit Amadeus die richtige Konstruktion aus Planken und Kisten erdenkt. Allerdings merkt man dann häufig, dass man mit dieser Vorgehensweise an genau dem Ansatz vorbeischießt, den die Entwickler im Sinn hatten. Knobler, die viel auf ihre saftigen Hirnwindungen geben, dürfte es damit oft genug bei der Ehre packen, herauszufinden, wie man ein Rätsel "richtig" löst, während alle anderen sich freuen, eine potenzielle Sackgasse mit viel Fleiß und Fingerspitzengefühl noch siegreich zu durchstoßen. Auch so geht gutes Rätsel-Design.
Zum Glück wurden auch die Kämpfe überarbeitet. Neuerdings gibt es Bossbegegnungen, die dem traditionellen Begriff deutlich würdiger sind als im letzten Spiel - besondere Design-Kunststücke sind die gewaltigen Oger zwar immer noch nicht, aber sie machen ihre Sache vollkommen okay. Auch die Feinde sind ein bisschen fantasievoller als, wie noch zuvor, immer nur aus Skeletten zu bestehen. Einmal mehr dominiert das gute Gefühl, Pontius glühenden Stahl, der nach dem entsprechenden Upgrade sogar flammende Schneisen in die Feinde schlägt, durch die Gegner zu treiben und ganz nebenbei die Horden auch durch gute Beinarbeit ein wenig auszudünnen: Stellt ihr es richtig an, treffen die Distanzkämpfer unter euren Goblin-artigen Widersachern nämlich ihre eigenen Kollegen.
Leider versäumt es Frozenbyte einmal mehr, ihrer tollen Welt und dem grundsätzlich sympathischen Heldentrio mehr Hintergrund und Geschichte zu verleihen. Die Handlung ist so dünn wie die virtuellen Bilderbuchseiten, auf denen sie zwischen den Leveln so kurz und bündig vor euch ausgerollt wird und abgesehen von ein paar schnippischen Dialogzeilen pro neuer Welt haben sich die Figuren kaum etwas zu sagen. Natürlich ist Trine 2 zu gutem Teil auch ein Puzzler, hier hätte man aber mit verhältnismäßig geringem entwicklerischem Aufwand aus einem atmosphärischen Knobel-Hüpfer ein episches Abenteuer machen können, bei dem man sich hinterher an deutlich mehr erinnert als an die intensiv nachglühenden Bilder, die die Panoramen dieser Welt auf eurer Netzhaut hinterlassen.
Besonderes Lob gilt dagegen dem Mehrspieler-Modus, der nun endlich auch online funktioniert und eine angenehm unlästige Drop-In-/Drop-Out-Angelegenheit geworden ist. Zu dritt geht zwar bisweilen das Chaos ein wenig durch die Decke und es ergibt sich schon mal die eine oder andere Downtime, wenn ein Spieler dabei zusieht, wie sich zwei gerade an die Lösung eines Hindernisses machen. Alles in allem aber ein echter Gewinn, sind doch vieler Rätsel Lösungen so deutlich am elegantesten zu vollführen. An dieser Stelle noch ein paar warme Worte über die Handelsausgabe des Spiels, die für nur knapp 20 Euro noch den verträumten Soundtrack, ein 40-seitiges Artbook sowie den immer noch sehr sehenswerten Vorgänger beinhaltet.
Doch auch in der "nackten" Download-Variante ist Trine 2 schon die Sorte Download-Highlight, die man jedem Freund einer niemals langweiligen und unendlich flotten Mischung aus Erkunden, Knobeln und Kämpfen beinahe aufzwingen möchte. Das Grundgerüst hat vielleicht nicht mehr ganz diese hypnotisierende Wirkung wie noch vor zwei Jahren. Für die Frische von damals fehlt irgendwo der zündende Funke, der signalisiert, dass man es hier nicht "nur" mit einem verdammt gut gemachten "Auf Nummer sicher"-Nachfolger zu tun hat. Überdies hätte ich mir eine Handlung und Figuren gewünscht, die mehr sind als Mittel zum Zweck. Das wären Dinge gewesen, die aus diesem fabelhaften Bilderbuch eine denkwürdige Reise gemacht hätten.
Trotzdem dürfte es schwer werden, in diesem Winter einen aufwändigeren und kompetenter durchexerzierten Titel in diesen Preisregionen zu finden. Trine 2 hat Herz, Verstand und einen Zug, der euch erst wieder loslässt, wenn der Abspann über den Bildschirm flimmert. Dann zwar vermutlich für immer, aber eine schöne Zeit war es trotzdem.
Und keine Ahnung, ob das jetzt untergegangen ist, aber: Mein Gott, sieht das gut aus!