Tropico 3
Ab in den Süden
Als emotionales Weichei macht mich der Herbst ja immer etwas melancholisch. Wenn dicke Wolkenbänke den Himmel zieren, sich die Blätter gelb färben und die Tage kürzer werden, drücke ich mir in einer stillen Stunde gern einmal etwas Feuchtigkeit aus den Augen. Kein weibisches Geflenne, sondern echte Männertränen. Dicke, schwere Tropfen, die mir auch bei einer guten Folge Grey's Anatomy über die Wangen rollen.
Ein weiterer Grund für die saisonale Gemütsschwere ist das Wahlergebnis. Vier weitere Jahre Merkel als Kanzlerin und Westerwelle als Außenminister heben nicht gerade meine Stimmung. Ein kleiner Ausblick auf das, was uns erwartet: Guido Westerwelle macht in diesem wunderschönen Video einem englischen Journalisten klar, wie der Hase in Zukunft läuft. Super. Für mich alten Genossen fühlt sich das politische Klima jedenfalls schon fast nach Winter an.
Zum Glück hatte ich die letzten Tage einen Rückzugsort, an dem fast immer die Sonne scheint und sich linkes Gedankengut wohlig über mein Hirn legt. Die Tropico-3-Vollversion landete endlich in meinem Briefkasten und ich konnte der düsteren Realität zumindest für ein paar Stunden entfliehen. Und wie zu erwarten war, machte dieser Eskapismus auch noch jede Menge Spaß.
Bevor ich mich mit den Hintergründen und Details langweile, kann ich euch nur den Konsum meiner Tropico-3-Vorschau empfehlen. Dort gehe ich detailliert auf die Avatar-Erstellung und meinen ganz persönlichen El Metzger ein. Außerdem gehört sie zu meinen besseren Machwerken und war bis auf den unqualifizierten Kommentar meiner Redaktion (Anm. der Redaktion: Warte, bis du mal wieder vorbeikommst, dann setzt es Casual-Games zocken, bis die Finger bluten) sogar für einige Lacher gut.
Für alle, die zu faul sind, hier eine kurze Zusammenfassung: In Tropico 3 übernehmt ihr wie im ersten Teil das Ruder einer kleinen Bananenrepublik. Euer frisch ausgewählter beziehungsweise gebastelter Avatar hat sich gerade an die Macht geputscht und erfreut sich seiner Autorität. Dabei gleicht das Werk der Grand-Ages-Rome-Macher Haegimont seinem Vorfahren wie ein Ei dem anderen. Natürlich wurde das ganze mit 3D-Grafik, neuen Edikten und frischen Gameplay-Details geschmückt, etwa dem erwähnten Avatar-System, doch im Kern bleibt das Spiel seinem Vorgänger treu und setzt auf knackige Aufbaustrategie mit der richtigen Portion Anarchie.
Ganz vorne mit dabei: Die Grafik. Wasser, Berge, Wälder und Beleuchtung sind erste Sahne und müssen sich selbst vor dem Aufbau-Schwergewicht Anno 1404 kaum verstecken. Nur in der Detailansicht verliert der Außenseiter gegen seinen übermächtigen Konkurrenten. Dennoch liefert das Spiel trotz moderater Hardwareanforderungen genug hübsche Postkartenmotive, um im Notfall eure Karibikreise zu simulieren. Solche Feinheiten sind natürlich kein spielentscheidendes Feature, aber ein atmosphärischer Höhepunkt, der dem Spiel Leben einhaucht.
Ein kleiner Wehrmutstropfen: Leider hat sich am Kampagnen-System seid der Vorschau-Version nichts mehr geändert. Statt Story und Zusammenhang müsst ihr auf verschiedenen Inseln bestimmte Missionsziele erfüllen. Mal gilt es, die beiden im Kalten Krieg befindlichen Supermächte USA und UDSSR gegeneinander auszuspielen, mal einen großen Batzen Agrarprodukte zu exportieren oder Eisenerzminen zu erschließen.
Große Unterschiede zu selbst erstellten Sandbox-Szenarien gibt es da kaum. Eine verpasste Chance, die dem Titel etwas Atmosphäre kostet. Auch das Tutorial ist weiterhin dürftig und erklärt nur das Nötigste. Zusammen mit der sowieso schon komplexen Steuerung fällt da natürlich der Einstieg schwer. Nur Tropico-Veteranen finden sich sofort zurecht, da Haegimont viele Head-Up-Display-Elemente direkt von Tropico 1 übernommen hat.
Anfänger sollten sich also erst einmal den Sandkasten-Modus zu Gemüte führen. Dank frei einstellbarer Ressourcen kann man hier recht entspannt vor sich hinregieren. Mit genügend Geld stellt ihr ein ansehnliches Inselreich auf die Beine. Das Volk versorgt ihr mit Schulen, schicken Wohnungen und Kirchen, nebenbei versucht ihr euch im Unterdrücken von Aufständen. Denn wie es sich für echte Revoluzzer gehört, gehen eure Einwohner bei Problemen sofort auf die Straße und fordern euren Kopf. Wer nicht schnell reagiert, muss sich mit einer gut ausgerüsteten Guerilla-Armee herumschlagen.