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Twin Sector

Portal aus Bremen

Die erwähnte Undurchschaubarkeit kommt durch die nicht immer ganz nachvollziehbaren Reaktionen der Havok-befeuerten Kisten und Fässer zustande, die oft nicht genau dort landen, wo sie hinsollten. Das ist meistens nicht so tragisch. Wenn es allerdings um die explosive Gasflasche geht, die man direkt neben das Geschütz rollen wollte, damit sich der Verteidigungsmechanismus selbst sprengt, ist es umso ärgerlicher. Ansonsten sind die Geschütztürme, deren automatische Zielaufschaltung man regelmäßig missbraucht, etwa indem man ein Fass vor ein zerbrechliches Fenster rollt, eine der besseren Ideen, die DNS hatte.

Auch ärgerlich ist, dass man häufig bei waghalsigen, aber nicht immer eindeutig einzuschätzenden Telekinese-Sprüngen in die Tiefe zurückstürzt. Die Aufladezeit der Handschuhe, bevor man einen der Impulse abfeuern kann, ist dann meist zu lange, als dass man seinen Fall noch rechtzeitig und in ausreichendem Maße noch abfedern könnte, was nicht selten in überflüssigen und Spielfluss-hemmenden Bildschirmtoden resultiert.

Allgemein hätte DNS Development gut daran getan, das interessante und oft sogar wirklich gut umgesetzte Konzept um die Energiebegrenzung der Handschuhe zu erleichtern. Wäre dann noch die Aufladefrequenz des wichtigsten Werkzeugs etwas höher, wäre Twin Sector sehr viel sorgenfreier und schnörkelloser zu spielen gewesen. Denn, wer zwei volle Impulse pro Handschuh abfeuert, muss erst wieder warten, bis sich die Energie erneut aufgeladen hat. In kritischen Situationen, in denen man schnell mehrere Aktionen aneinanderreihen muss, geht hier der Spielfluss flöten.

'Handle-with-Care'-Aufschrift auf eurem 'Universalschlüssel' für Glaswände - würde das Spiel doch nur öfter diese Ironie transportieren.

Alles andere als mittelmäßig sind allerdings die diversen Abschnitte, in denen der Spieler die künstliche Schwerkraft abschalten kann. Hier muss man sich schwerelos mittels Abstoßen und Anziehen durch eine von Laserstrahlen durchzogene Halle manövrieren oder etwa Twin Sectors Antwort auf den Companion Cube, den „Compacted Trash Ball“, auf eine höhere Etage befördern. Gut gemeint und sogar entsprechend ins Spiel integriert feiert das Spiel hier seine Sternstunden ab.

Optisch und in Sachen Präsentation sollte man nicht zu viel erwarten. Die Engine scheint solide, wenn auch ein bisschen bieder. Von der großartigen nackten Ästhetik der Valve-Konkurrenz ist Twin Sector mehrere Portale weit entfernt, aber wir reden hier ja auch von einem kleinen Indie-Studio.

Zweckmäßig ist vielleicht das richtige Wort, allerdings hätten mehr unterschiedliche Texturen und ein paar breiter gefächerte architektonische Ideen mit Leichtigkeit dafür gesorgt, den Eindruck einer real existierenden Anlage zur Rettung der Spezies zu verstärken. So wie es ist, ist es ein bisschen offensichtlich, dass DNS die Räume mit einem Editor einfach nur um seine Puzzles herumgebaut hat. Als Bühne für die meist gelungenen Umgebungsrätsel. In Portal machte dieser Ansatz Sinn, weil man selbst Gegenstand eines Experiments war. Hier kostet es aber Atmosphäre.

Companion Cube in rund: Der Compacted Trashball.

Das ist allerdings zu verschmerzen. Ganz im Gegensatz zu den unbeholfenen und wie in Pudding dargebotenen Zwischensequenzen. Die erwecken nämlich den Wunsch, das Spiel wäre vollständig in den unmotiviert dargebrachten Voice-Over-Dialogen oder Standbildern erzählt worden. Immerhin kommt das Spiel in seiner Mitte mit einem alles andere als unvorhersehbaren, aber immerhin durchaus cleveren Twist um die Ecke, der seine Wirkung nicht verfehlt. Schade, dass Zeit- und Ressourcenmangel die Präsentation so zurückgehalten haben.

Potential für höhere Wertungsregionen hätte Twin Sector nämlich durchaus gehabt. Mit weniger sperrigem Spielablauf (warum muss ich einige Dinge gleich mehrmals machen?) und klareren Regeln für den Spieler bei gleichzeitig selteneren Todesstrafen für Ungenauigkeiten (vor allem wegen der langen Ladezeiten) wäre es zwar immer noch kein zweites Portal geworden, aber immerhin ein handfester Geheimtipp fürs Weihnachtsfest.

Wie es ist (und es ist mit unter 30 Euro recht günstig), ist es für Knobelfreunde mit dickem Fell und Wutausbruch-geprüfter Eingabehardware aber auch so noch vorsichtige sechs Punkte wert, da vor allem einige Szenen in der Schwerelosigkeit wirklich klasse sind. Und wenn ihr ehrlich seid, vermisst ihr es doch auch ein bisschen, ganz wie in alten Zeiten von einem Spiel mal wieder richtig in die Mangel genommen zu werden, oder?

Twin Sector ist für PC im Handel erhältlich und kostet rund 30 Euro.

6 / 10

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Informationen zu unserer Test-Philosophie findest du unter "So testen wir".

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