UFO Online: Fight for Earth - Vorschau
Große Geister denken gleich
Völkerverständigung und Weltfrieden am Independence Day fallen erneut aus, in UFO Online: Fight For Earth steht eine außerirdische Invasion vor der Tür und schon zerbröselt der Globus in drei verfeindete Parteien, deren Namen George Orwell sicher gefallen hätten. American Stability Pact, Central Economic Federation, Ruling Coalition East - fast möchte man da eine subversive Gesellschaftskritik seitens Funatics rauslesen. Zumindest in diesem Punkt verfolgt das Entwicklerstudio aus Oberhausen eine völlig andere Linie als die Kollegen von Firaxis in den USA. Bei deren XCOM-Remake rückt die Menschheit zusammen und hetzt eine multinationale Elitetruppe auf die kleinen grünen Männchen. Wer wohl im Ernstfall recht behielte?
Schaut man sich das kürzlich veröffentlichte Videotagebuch der Entwickler aus dem amerikanischen Maryland an, fallen weitere Gemeinsamkeiten zwischen den beiden XCOM-Enkeln auf. Kaum verwunderlich angesichts der angepeilten Zielgruppe, die Veränderungen seit jeher extrem skeptisch gegenüber steht. Ist noch gar nicht so lange her, da wurde das hier in der Vorschau von Jagged Alliance Online thematisiert. Wer die Fans von 1994 auf seine Seite ziehen möchte, behandelt Innovationen also besser so behutsam wie ein Sushikoch einen Kugelfisch. In diesem Sinne drohte keine Vergiftung, als mir Funatics neulich beim next-g Event die aktuellste Version von UFO Online präsentierte. Dafür ist die Liste der Neuerungen seit meiner letzten Vorschau anlässlich der Gamescom 2011 ziemlich überschaubar. Soldaten können jetzt per Benutzen-Icon mit ihrer Umgebung interagieren und einen Bereich vor sich überwachen. Weitere Features sollen folgen. Die erste geschlossene Beta wurde gerade beendet und die Entwickler setzen nun die Erkenntnisse daraus um. Eine zweite geschlossene Betaphase steht im April dieses Jahres vor der Tür.
UFO Online besteht aus zwei Teilen. Die Basen werden in Flash ausgebaut, Einsätze finden dreidimensional direkt im Browserfenster statt, das Unity-Plugin macht's möglich. In Sachen Atmosphäre hat dieser 3D-Teil tatsächlich zugelegt. Ein PR-Profi würde hier von detaillierten Texturen, Charaktermodellen und verbesserten Lichteffekten schwärmen. Geht aber auch einfacher. Vorher: sterile Betonbunker. Jetzt: schmutzige Betonbunker. Am Spielgerüst hat sich vergleichsweise kaum etwas gewandelt. Ihr zieht abwechselnd mit euren Einheiten (Tank, Sniper, Scout, Medic und Grenadier) über die Quadrate, bis eure Aktionspunkte aufgebraucht sind oder der Runden-Timer abläuft. Dabei erinnerte mich der Look und das Gameplay eher an Incubation und Battle Isle als an das klassische XCOM. Ganz aus der Luft gegriffen dürfte dieser Eindruck nicht sein, denn die Gründer von Funatics haben alle früher bei Blue Byte gearbeitet.
Eine kleine Runde PvP gegen die Entwickler war ziemlich unterhaltsam und ging vor allem leicht von der Hand. Das Interface ist sehr übersichtlich gestaltet, die Icons selbsterklärend und sogar Laien lotsen nach wenigen Minuten ihre Soldaten durch die Gänge, nehmen gegnerische Einheiten in Sichtweite aufs Korn und benutzen Spezialmanöver wie Tarnung oder Medipacks. Vom Matchmaking konnte ich mir kein genaues Bild machen, denn es gab nur zwei Computer im Netzwerk. Theoretisch soll das System aber relativ zügig ausgeglichene Kontrahenten anhand ihrer Einheiten und Erfahrung zusammenstellen.
Davon abgesehen scheinen Ameisenfarmen schwer in Mode zu sein. Sowohl in UFO Online als auch im kommenden XCOM: Enemy Unknown werden die unterirdischen Hauptquartiere im seitlichen Querschnitt gezeigt. Über Einrichtungsgegenstände wie Monitore und Schränke gelangt ihr in die verschiedenen Menüs, zudem steigen die Räume im Level, werden größer und verändern ihr Aussehen. Für UFO Online ist das ein echter Fortschritt, denn das vorherige User-Interface hatte ungefähr so viel Charme wie ein Steuererklärungs-Programm. Trotzdem ist die Ähnlichkeit der beiden Spieldesigns in diesem Punkt verblüffend. Steckt dahinter mehr als nur ein Zufall? Bei Firaxis konnte ich bislang nicht nachhaken, aber Funatics beantwortete meine Frage mit folgendem Statement:
"Die aktuelle Basis ist eine Iteration der alten Basis, die als Ziel hat, den 2D und 3D-Teil besser miteinander zu verbinden. Dabei mussten wir uns natürlich an die Limitierungen von 2D halten. Das Ergebnis war eine fast isometrische Ansicht in die Basis hinein. Es handelt sich also um eine ganz natürliche Evolution. Als das Video von XCOM: Enemy Unknown veröffentlicht wurde, war der Prozess für die Herstellung unserer neuen Basis bereits in vollem Gange. Die next-g war dann das Event, auf dem unsere neue Basis der Öffentlichkeit präsentiert wurde. In beiden Spielen gibt es noch weitere Gemeinsamkeiten, die mehr oder weniger augenfällig sind. Dabei ist es nicht so, dass wir uns vom neuen XCOM haben inspirieren lassen. Vielmehr sind es grundlegende Spielkonzepte, Benutzerführung und viele weitere Voraussetzungen, die ganz natürlich zu ähnlichen Schlüssen und Entscheidungen führen."
Sehen sich die Basen also nur deshalb so ähnlich, weil beide Entwickler die gleiche Vorlage beackern und dem Interface ähnliche Anforderungen zugrunde liegen? Die Entwicklung vom ersten spartanischen Design der UFO-Online-Stützpunkte, die ich noch auf der Gamescom 2011 gesehen hatte, hin zum aktuellen Ameisenbau wäre nicht so unplausibel. Mal sehen, was Firaxis dazu sagt und in welche Richtung sich die beiden Designs in den nächsten Monaten entwickeln.
Nach den bisherigen Proberunden zu urteilen, braucht ihr bei UFO Online jedenfalls kaum auf geliebte Features zu verzichten und könnt nach Herzenslust eure Soldaten trainieren, Technologien erforschen, Waffen aufrüsten und damit rund um die Welt Aliens durchlöchern. Hinsichtlich der Einzelspieler-Kampagne wird die zweite geschlossene Betaphase mehr verraten. Ich würde allerdings keine Wette darauf abschließen, dass sich das Browserspiel Story- oder Gameplaytechnisch mit dem Vollpreistitel messen kann. Grafisch zieht UFO Online: Fight for Earth sowieso den Kürzeren gegenüber Firaxis' XCOM: Enemy Unknown. Doch nur Mondkälber hätten von einem kostenlosen Browserspiel etwas anderes erwartet. So oder so dürfen sich die Fans der Reihe freuen. Nach langem Darben mit Emulatoren und Open Source sind beide Neuauflagen des Klassikers willkommen.