Umurangi Generation VR im Test: So sehr schadet schwaches VR starker Spielkunst
Generation 2D.
Kennt ihr Tauranga? Ich gebe zu, dass ich mich nicht daran erinnern kann, den Namen dieser Stadt vor dem Erscheinen von Umurangi Generation je gehört zu haben – die famose und verdächtig ähnliche benannte Turanga Leela lasse ich mal außen vor. Der Ort befindet sich in Neuseeland, wurde ursprünglich von den Maori besiedelt und ist Schauplatz des erwähnten Umurangi Generation: ein dystopischer Blick in die Zukunft von Naphtali Faulkner, der selbst Maori ist.
Interessant ist sein bereits 2020 erschienenes Spiel unter anderem deshalb, weil es wie viele Kunstwerke Fiktion und Wirklichkeit vereint (ich werde keine Einzelheiten aus späteren Levels vorwegnehmen), und weil es kein Spiel ist, wie man es im klassischen Sinn vielleicht erwartet.
In Umurangi Generation sowie dessen frisch für PlayStation VR2 und Quest veröffentlichter Virtual-Reality-Umsetzung ist man nämlich als Fotograf unterwegs, der lediglich ein paar Bilder machen soll. Auf dem einen sollen sich sieben Vögel, auf dem nächsten vier Fahrräder, auf einem weiteren ein bestimmtes Graffiti und so weiter befinden, wobei manche Aufnahmen mit einem bestimmten Objektiv gemacht werden müssen.
Man schaut also hin, anstatt einzugreifen. Man liest auch nichts oder interagiert auf irgendeine Weise. Man ist tatsächlich nur Beobachter einer Art bewegter Momentaufnahme – in einem Alltag, wo ständig präsente Soldaten Wache schieben und wo um verlorene Menschen getrauert wird, während in der Ferne Gewehre knattern.
Schade finde ich nur, dass die Fotos nach dem Auslösen zwar als Screenshots auf der Konsole vorhanden sind, aber nicht im Spiel schon in einem Album aufgehoben werden. Immerhin kann man sich auch unabhängig von den verlangten Aufgaben als Fotograf betätigen, verschiedene Linsen verwenden und die Aufnahmen nachbearbeiten.
Das war technisch schon vor vier Jahren kein Meilenstein; weil die meisten Bewohner Taurangas etwa recht starr am Fleck innehielten und nicht ein Wort über die Lippen brachten. Als eine Art lebensnahe Installation funktionierte das aber hervorragend, auch weil Faulkners dem Ganzen einen extrem abstrakten Anstrich verlieh.
Nur trifft leider das genaue Gegenteil für die VR-Version seines digitalen Kunstwerks zu. Dabei sollte das Betreten einer solchen Installation gerade in der „echten“ dritten Dimension eigentlich viel besser funktionieren! Das kann es aber nur, wenn das Spiel auf die richtige Art an die Virtual Reality angepasst ist. Und das gelingt Faulkner für mein Gefühl fast gar nicht.
Nehmt zum Beispiel die Tatsache, dass man sich entweder frei mit dem Analogstick umsieht oder den Blick wie in VR üblich in festen Schritten dreht. „Wie üblich“ deshalb, weil gerade das freie Umsehen verdammt schnell Übelkeit auslösen kann und das schrittweise Drehen deshalb unverzichtbar ist. Von daher: Gut, dass es geht!
Weniger gut allerdings, dass das hier ausschließlich in großen 45-Grad-Schritten stattfindet und man keine Möglichkeit hat, das auf 33 Grad oder einen anderen Winkel zu ändern. Als Folge davon bin ich die Hälfte der Zeit mit zur Seite gedrehtem Kopf herumgelaufen, weil der Blick fast nie genau nach vorne zeigt. Im Stehen wäre das kein Problem, nur habe ich Umurangi Generation VR nun mal im Sitzen gespielt…
… und wisst ihr, warum? Weil es absolut langweilig wäre, das im Stehen zu tun. Es gibt ja praktisch keine Interaktion mit der Umgebung. Man zieht zwar ein paar optionale Sammelgegenstände an sich heran und darf sich sowohl mit Stift als auch einer Spraydose als rudimentärer Graffitikünstler versuchen, das alleine macht die Kulisse aber nicht zu einer plastischen Umgebung, obwohl genau das in der virtuellen Realität wichtig wäre.
Umurangi Generation VR ist sowohl für PlayStation VR2 als auch Metas Quest 2 und Quest 3 erhältlich. Zusätzlich wurde die bereits seit einigen Jahren für PC, Xbox One und Switch verfügbare 2D-Fassung Umurangi Generation jetzt auch auf PlayStation 4 und PlayStation 5 herausgebracht. Ihr habt also die Wahl und im PlayStation Store gibt es auch ein Bundle mit beiden Fassungen.
- PlayStation Store
- Meta Quest
- Fotografieren und Beobachten einer dystopischen Zukunft mit starkem Gegenwartsbezug
- Verwenden verschiedener Objektive und Nachbearbeiten der Fotos
- Keine nennenswerte Interaktion mit Umgebung oder Charakteren
- Drehen ausschließlich im 45-Grad-Winkel, was Positionierung beim Spielen im Sitzen stört
- Zahlreiche technische Schwächen bis hin zu Fehlern, die zum Neustart eines Levels zwingen
- Viele detailarme, teils hässliche Oberflächen
- Kein Fotoalbum zum Betrachten oder weiterem Nachbearbeiten der Aufnahmen
- Musik wird unterbrochen, wenn man aktuellen Track selbst anwählt
Pluspunkte sammeln lediglich das erwähnte Sprayen sowie das Hantieren mit der Kamera. Die trägt man nämlich nicht mehr ständig vor sich her, sondern muss sie am Gürtel erst aufnehmen und dann vors Gesicht halten, um quasi durch den Sucher zu schauen. Ärgerlich finde ich da nur, dass man den Blickwinkel des potenziellen Fotos nicht nur durch das Bewegen der Kamera ändert, sondern unlogischerweise auch durch das Drehen des Kopfs.
Noch schlimmer finde ich vier Jahre alte Fehler, die die Umsetzung glatt übernommen hat – nur dass es in VR um einiges störender ist, wenn die Schrift auf Wänden einige Zentimeter davor in der Luft fliegt, wenn man durch Decken hindurch springt oder bis zum virtuellem Bauch im Boden versinkt und erst wieder normal steht, nachdem man den Level komplett von vorn begonnen hat.
Abgesehen davon ist entweder die Höhe der Levels oder die allgemeine Sichtweise so begrenzt, dass bei einigen Wolkenkratzern gleich mehrere Stockwerke verschwinden und wieder auftauchen, wenn man den Kopf leicht bewegt. Wirklich furchtbar finde ich außerdem die stellenweise extrem matschigen Texturen. Bei aller Liebe für Independent-Games: Das ist schlicht hässlich und reißt mich gerade in VR aus der Illusion heraus.
Überhaupt hat die Kombination aus abstraktem Stil und „körniger“ Grafik damals erstaunlich gut funktioniert – weshalb ich nicht verstehe, warum Faulkner das nicht beibehalten hat. Stattdessen sind sämtliche Kanten und Oberflächen jetzt viel höher aufgelöst, ohne dass sich aber mehr Details darauf befinden würden, weshalb Umurangi Generation VR, wenn ihr mich fragt, diesen seltsamen Billiglook angenommen hat.
Und auch hier kann ich nur sagen, dass das umso mehr auffällt, je mehr man sich quasi mittendrin befindet. Da wurden aus meiner Sicht ohne das rechte Empfinden für das Medium einfach die falschen Entscheidungen getroffen. Dass ein übertriebener und schon in 2D nicht gerade physikalisch überzeugender Doppelsprung in VR umso seltsamer wirkt… na, ich hör‘ ja schon auf.
Umurangi Generation VR im Test – Fazit
Wie bewerte ich dieses Spiel denn jetzt? Inhaltlich ist Umurangi Generation VR nach wie vor klasse, zumal Faulkners „Installation“ einer dystopischen Zukunft in vielerlei Hinsicht einzigartig ist. Das Beobachten einer am Abgrund stehenden Gesellschaft durch die Augen der Kamera finde ich jedenfalls klasse – als VR-Erlebnis allerdings furchtbar. Das fängt bei der teils hässlichen Grafik an, geht über technische Fehler und endet dort, wo man fast überhaupt nicht mit der Kulisse interagieren kann. Dabei geht es doch um das Entdecken und Herausfinden, weshalb gerade das beim Sprung in die virtuelle dritte Dimension hätte Teil des Spiels sein sollen. Ich mach's einfach so: Auch die 2D-Version von Umurangi Generation wurde jetzt auf den Sony-Konsolen veröffentlicht. Und die kann ich euch im Gegensatz zu dieser hier ans Herz legen!
Umurangi Generation VR | |
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PRO | CONTRA |
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