Unbox: Newbie's Adventure - Test
Ein Leben als Postpaket.
Ihr habt Super Mario Odyssey schon bestellt, sehnsüchtig vor der Wohnungstür auf das Spiel gewartet, aber die Post hat's mal wieder versaut und das Spiel bei einem unbekannten Nachbarn abgegeben, der umgehend auf unbestimmte Zeit nach Tibet gereist ist, um zu sich selbst zu finden? Kein Problem, denn hier kommt Unbox: Newbie's Adventure! Der 3D-Plattformer ist schon vergangenes Jahr für die gängigen Plattformen erschienen und kommt jetzt auch auf der Switch heraus. Und mal ehrlich, wer braucht schon Mario, wenn er auch eine anthropomorphe Schachtel spielen kann, die nahezu unkontrolliert durch eine detailarme Spielwelt kullert? Wer braucht schon abwechslungsreiche Level, wenn er seinen Schachteln unterschiedliche Kostüme anziehen kann? Unbox: Newbie's Adventure ist daher ein absolut adäquater Ersatz für Nintendos Klempner. Nicht.
Vielleicht mal der Reihe nach: Mitte der 90er Jahre hat Super Mario 64 das Fundament für das gelegt, was wir heute als 3D-Plattformer kennen. Ihr lauft durch eine bunte Spielwelt, trefft dort bunte Figuren, die euch einen bunten Strauß an Aufgaben geben. Die erfüllt ihr dann und irgendwann bekämpft ihr auch einen Boss. Meistens kennen solche Spiele ein zentrales Item, das ihr finden müsst, um voranzukommen, bei Mario waren das typischerweise Sterne, im neuesten Ableger sind es Monde. Hier, in Unbox: Newbie's Adventure sind es Briefmarken. Unbox richtet sich vor allem an Spieler, die mit dieser frühen Art von 3D-Plattformern aufgewachsen sind - ich denke da an Titel wie Crash Bandicoot oder Ratchet & Clank, typische Maskottchen-Plattformer eben, die bis heute um ihr Revival kämpfen.
Nun hatten diese Spiele vor allem in der Frühphase auf dem N64 oder der ersten Playstation so ihre technischen Probleme. Insbesondere in Sachen Kameraführung waren die Entwickler damals noch nicht an die 3D-Umgebung gewöhnt. Immer wieder für setzte es seltsame Einstellungen, in denen man nicht wirklich sehen konnte, was man gerade machte. Offenbar haben die Entwickler bei Unbox aber noch positive Erinnerung an diese Zeit - denn ihr Spiel übernimmt all diese Probleme. Gerade in engen Passagen seht ihr gerne mal die Innenseite einer Wand - oder bleibt schlichtweg in selbiger stecken. Die Entwickler wussten das offenbar, haben das Problem aber nicht behoben, sondern euch stattdessen einen Button zur Verfügung gestellt, mit dem ihr euch zum letzten Auftraggeber zurückbeamen könnt. Das ist, als würde ein Restaurant verdorbenen Fisch ausgeben, feststellen, den Leuten wird schlecht davon und als Reaktion darauf nicht frischeren Fisch servieren, sondern zu jeder Bestellung ein Medikament gegen Übelkeit beilegen.
Hinzu kommt ein... sagen wir mal euphemistisch "gewöhnungsbedürftiges Bewegungsmuster". Wie schon gesagt spielt ihr ein Paket und leider verhält sich selbiges auch wie eine Schachtel es eben tut. Gewissermaßen versucht der Pappquader zu rollen, kann das aber nicht, weil er eben keine Kugel ist. Stattdessen springt er unkontrollierbar hin und her. Habt ihr in eurer Nähe einen Hügel? Werft einen Umzugskarton hinunter und ihr wisst, wie sich Protagonist Newbie bewegt. Diese unvorhersehbaren Abweichungen nach rechts oder links können dazu führen, dass ihr schon mal in einen Abgrund stürzt, ohne wirklich etwas dafür zu können. Zugegeben gewöhnt man sich mit der Zeit daran - aber ich sehe einfach keine Not, dem Spiel eine derart unkomfortable Steuerung zu verpassen, wenn es doch auch einfach und geschmeidig geht.
Und ja, Newbie's Adventure hat auch ein paar der Stärken der frühen 3D-Plattformer. Die Spielwelt ist umfangreich, ihr könnt euch recht frei bewegen. Es gibt unterschiedliche Klimazonen, Schneegebiete genauso wie solche mit Dschungel. Aufgaben gibt's an jeder Ecke, Briefmarken sammeln sich relativ schnell, die Bosskämpfe sind befriedigend. Aber dann ist da wieder diese Sprungmechanik: Springen könnt ihr nämlich nur über die Schultertasten. Daran kann man sich noch gewöhnen, aber wenn ihr aufkommt, fliegt eure Schachtel eben noch ein bisschen weiter durch die Gegend, weshalb es notwendig ist, vor der Landung ein bisschen gegenzusteuern. Zwar könnt ihr später durch Abstreifen einzelner Kartonschichten bessere Sprungfähigkeiten aktivieren, aber ehrlich: So etwas erwarte ich vielleicht von einer Hubschraubersimulation. Bei einem Plattformer möchte ich eine möglichst exakte Steuerung, ich will genau da landen, wo ich meine Figur auch hinsteuere. Wenn das nicht klappt, habe ich eben versagt. Hier habe ich aber das Gefühl, dass meine blöde Schachtel dauernd Fehler macht und ich überhaupt nichts dafürkann. Untertrieben gesagt: Das ist äußerst frustrierend.
Die Entwickler haben es wirklich versucht. Sie haben sogar einen Mehrspielermodus integriert, da könnt ihr im Stil eines klassischen Mario-Kart-Battle-Mode gegeneinander antreten, beispielsweise im Deathmatch oder im Rennen. Es ist nett, dass es diese Möglichkeit gibt, aber auch hier frage ich mich: Warum sollte ich das spielen, wenn es so viel Besseres gibt? Mario Kart zum Beispiel? Den Rest gibt mir dann die Grafik. Die sieht nämlich gefühlt aus, als emulierte man einen N64 auf einem modernen PC, nur mit erhöhter Sichtweite und geringfügig gesteigerten Polygonmengen. Das wäre noch nicht einmal auf der letzten Konsolengeneration zeitgemäß gewesen und es sieht vor allem auf der Switch im Handheld-Modus schlimmer als alles aus, was ich jemals auf der PSP gespielt habe. Das könnte man ja noch irgendwie verzeihen, aber ehrlich gesagt springe ich hier mit einer Schachtel durch uninspirierte 3D-Welten, die hauptsächlich bunt sind, nicht jedoch detailliert. Reißt's der Sound raus? Nein. Gespräche werden in einer Fantasiesprache vertont, dazu gibt's Texte, die im Deutschen scheinbar direkt aus dem Google-Übersetzer kommen, auf Englisch ist es noch erträglich.
Unbox: Newbie's Adventure wird nicht mehr zu meinem Lieblingsspiel. Was die Erkundung angeht, ist das alles schon nicht schlecht, eben aufgrund erwähnter vertrauter Stärken der Spiele, denen sich Unbox annähern möchte. Doch allein die Grafik schreckt mich ab und wenn meine Schachtel ungelenk durch die Spielwelt rollt und ich nicht das Gefühl habe, stets die Kontrolle zu haben, empfinde ich das Spiel als unfair und frustrierend. Wenn ich dann noch nicht mal mehr erkennen kann, wo ich gerade hinspringen will, weil die Kamera mal wieder versagt - dann hat ein Spiel leider verloren. Wer einen klassischen 3D-Plattformer im Stile eines Crash Bandicoot spielen möchte, kann insofern genauso gut zum Original greifen - oder zum aktuellen Remake für die PS4. Auf der Switch: Bleibt bei Mario!
Entwickler/Publisher: Prospect Games/Prospect Games, Merge Games - Erscheint für: PC, PS4, Xbox One, Switch - Preis: 19,99 Euro - Erscheint am: erhältlich - Getestete Version: Switch - Sprache: deutsch, englisch - Mikrotransaktionen: Nein