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Uncharted: Golden Abyss - Test

"Disturb us, Lord, to dare more boldly..."

Ableger von Triple-A-Serien, die ohne Nummerierung auf einem Handheld erscheinen, werden gemeinhin milde belächelt. Nicht vollkommen zu Unrecht, die Budgets und Teamgrößen sind meist ganz andere, kleinere und oft sitzt - so auch hier - nicht der Erfinder der Marke am Steuer. Meist riechen die Fans dann allzu zügige Geldschneiderei. Ein Schelm, wer den Untertitel Golden Abyss mit kraus gezogener Nase als "Goldgrube" übersetzt.

Mit dem neuen Uncharted steht die Sache aber erfreulicherweise etwas anders. Sowohl die glücksritternde Spielereihe als auch deren neuerlicher Sonderauftrag sind für Sony zu wichtig, als dass hier etwas schief laufen dürfte. Als ausgewiesenem Flaggschiffspiel wird Golden Abyss die schwierige Aufgabe zuteil, mit der PlayStation Vita die neue Handheld-Generation unbeschadet auf den Markt zu eskortieren. Der japanische Hardware-Riese legt daher reichlich Gewicht in Drakes vierte Schnitzeljagd, die in ihrer PR-wirksamen Strahlkraft folglich jeden anderen Titel aus der erstaunlich breit gefächerten und kompetent realisierten Start-Bibliothek der Konsole übertrifft.

Da hätten wir also Auflage A) für Entwickler Sony Bend Studios: Gut muss es werden, sehr gut sogar. Die Fans haben den Duft des großen Abenteuers, das der dritte Teil war, noch recht frisch in der Nase und durch die heilige Vierfaltigkeit der Vita-Rechenkerne sieht das portable Satellitenspiel seiner großen Vorlage zum Verwechseln ähnlich. Ungereimtheiten im Ablauf könnten die Fans, die diesen Titel notgedrungen mit dem Rest der Reihe vergleichen, feste vor den Kopf stoßen. Auflage B) betrifft hingegen die Umsetzung auf die neue Hardware: Wie bietet man Fans das, was sie von einem Uncharted erwarten und preist zugleich die Vorzüge des neuen Geräts in einem Umfang an, der auch weniger Hardware-versessenen Naturen ein gutes Gefühl wegen dieser nicht unmaßgeblichen Investition beschert? Um es mal vorweg zu nehmen: Gerade bei Auflage B) hat es sich Bend teilweise etwas zu einfach gemacht.

Bis man aber merkt, was einen hier so irritiert, stellt man erst einmal fest, wie gut ein Uncharted auf diesem neuen Handheld aussehen und sich anfühlen kann. Die klassische Mixtur aus Erkunden, Klettern und Third-Person-Schießereien mit Deckungs-Mechanik hat den Sprung auf die neue Plattform mit Drake'scher Leichtigkeit gepackt und verbreitet von der ersten Minute an die leichtfüßige und eingängige Freude der Vorgänger. Das Aiming ist zwar für meine Begriffe im Bereich um die tote Zone des rechten Sticks - dem unbestreitbar besten Feature der PS Vita - herum etwas lose ausgefallen, doch dies ließ sich mit etwas Gewöhnung und Feintuning im Steuerungs-Menü ein Stück weit optimieren.

Ein leichtes Kantenflimmern ist erkennbar, fällt auf normale Spieldistanz und bei dieser Bildschirmgröße jedoch nicht ins Gewicht. Die Ausleuchtung wirft vor allem in Höhlen und bei eingeschalteter Taschenlampe fabelhafte Schatten und Gestein wie das dichte Dschungelgestrüpp sind in schön organische Texturen gekleidet, die diesen gewissen Uncharted-Look haben. Die erstaunliche Krampflosigkeit, die das Zwei-Stick-Design und der für ein Handheld gewaltige Screen mit sich bringen, sorgen im Tandem mit der hier aufgebotenen grafischen Güte dafür, dass man diesen Titel von Anfang an komplett für voll nimmt, ihn als rechtmäßigen Teil des Nathan-Drake-Kanons akzeptiert. Das chronologisch gesehen erste Abenteuer des sympathischen Halunken packt einen genauso feste, wie alle, die für die Figur noch folgen sollen.

Stellenweise gefällt mir die Ausrichtung von Golden Abyss sogar noch etwas besser, als die immer strenger durchchoreografierten Teile eins bis drei. Denn durch Bends sehr clevere und wahre Erkenntnis, mit den drückend filmreifen Set-Pieces der PS3-Titel - Flugzeugstarts und -Abstürze, sinkende Kreuzfahrtschiffe, ihr wisst schon - trotzdem nicht ganz mithalten zu können, sah man sich gezwungen, andere Stärken des Konzepts zu betonen, die Naughty Dog zuletzt ignorierte. Zwar gibt sich der neue Teil mit seiner Konzentration auf Panama nicht ganz so weltenbummlerisch, der stringente Ablauf wurde aber erstmals wieder deutlich gelockert. Drake darf endlich ein echter Schatzsucher sein. Vielerorts im Laufe der etwa achtstündigen Kampagne entdeckt ihr Abzweigungen und findet in vermeintlichen Sackgassen noch versteckte Kletterpfade, an deren Ende nun fließend ins Trophäensystem eingebundene "Schätze" locken. Für jede Trophäe müssen mehrere Auflagen erfüllt sein: So gilt es etwa, gewisse Reliquien (zu denen Drake im Schatz-Menü sogar häufig ein paar erklärende Worte verliert) zu finden und zu säubern oder Steinreliefs zu entdecken und diese mithilfe von Papier und einem Stück Kohle abzupausen, was beides dank des Vita-Touchscreens archäologisch-stilecht mit der Fingerkuppe passiert.

"Vielerorts im Laufe der etwa achtstündigen Kampagne entdeckt ihr Abzweigungen und findet in vermeintlichen Sackgassen noch versteckte Kletterpfade, an deren Ende nun fließend ins Trophäensystem eingebundene 'Schätze' locken."

Andernorts sollt ihr von gewissen Orten oder Gegenständen Fotos machen, wobei es nicht immer ganz einfach ist, die richtige Einstellung herauszufinden. Und die Gegner droppen sogar unterschiedlich rare Sorten von Loot, die ihr mithilfe des "Schwarzmarkts" - Golden Abyss' interne Tauschbörse über Vitas Community-förderndes "Near"-System - mit anderen Spielern tauscht, um eure Sammlung zu komplettieren. Man ist wieder mehr auf Entdeckungstour anstatt in einer actionfilmigen Achterbahn zu sitzen, auf deren Gas und Bremse man zwar ein bisschen drücken darf, auf ihre Richtung aber keinen Einfluss hat. Dadurch baut man eine ganz andere Beziehung zur Spielumgebung auf, beobachtet genauer und hat sogar das Bedürfnis, im Anschluss an die Credits gewisse Kapitel noch einmal anzugehen, denn einige Dinge sind sehr gut versteckt. Ich weiß das, weil ich sie nicht gefunden habe, obwohl ich mir sicher war, in jede Ecke geschaut zu haben. Dazu kommt noch, dass das Leveldesign es öfter ermöglicht als in anderen Spielen der Reihe, Situationen mit dem rudimentären, aber voll funktionstüchtigen Stealth-System zu entschärfen. Es ist keine Pflicht, aber Spieler, denen die Ballerkomponente in Uncharted am wenigsten zusagt, werden es Bend Studio danken.

Ganz im Gegensatz zu dem Feature-Overkill, bei dem sich, wie vorhin bereits angerissen, Bend an einigen Stellen arg verhaspelt hat. Der Zwang, möglichst alle Interface-Spielereien der Vita in dieses Spiel zu integrieren, verleiht einem Titel, der in beinahe allen Belangen überzeugt, wie es sonst nur voll ausgewachsene Konsolenerlebnisse tun, hier und da einen etwas schalen Gimmick-Charakter. Gemeint ist hier vor allem der vordere Touchscreen, dessen Einsatz eben kein optionaler Zusatz ist. Stattdessen werden alle Nahkämpfe über das Drücken und Wischen des so farbenfroh strahlenden Fünfzollers ausgefochten, umgreifen und hässliche QTE-Pfeileinblendungen inklusive. Gerade, wenn man sich inmitten einer Gefechtssituation befindet, ist man im Anschluss an einen Faustkampf oft dem Kreuzfeuer der übrigen Feinde ausgeliefert.

Auch bei den Klettereinlagen hat sich Bend mit ähnlichen Einsprengseln vergriffen. Nach riskanten Sprüngen muss man hin und wieder mit einem Wischer dafür sorgen, dass Drake nicht abstürzt. Das ist ganz, ganz schwaches Interface-Design, das das Spiel in keiner Hinsicht besser macht - eher schlechter. Ebenso tappen die erzwungenen Balancier-Einlagen mittels Gyro-Sensor in diese klebrige Gimmickfalle und stehen dem Erlebnis eher bremsend im Weg. Hoffen wir, die Entwickler lernen aus dieser Lektion und lassen einem derart störende Funktionen nicht mehr an die Beine springen, wie ein um Aufmerksamkeit bettelndes, gelangweiltes Kind. Im Grunde können sie es doch, was sie mit einigen anderen, klug eingesetzten Neuerungen auch beweisen. Hier und da will mit dem rückseitigen Trackpad ein Relikt vor seiner Säuberung gedreht werden, was ein wirklich netter Touch ist (sorry, manchmal kann ich mir nicht helfen), Bend hätte für meinen Geschmack sogar ruhig noch mehr als einer Handvoll Schätze diese anfassbare Qualität geben dürfen.

Uncharted: Golden Abyss - Launch-Trailer

Ebenfalls nicht dumm ist, dass man längere Kletterrouten schon mit einer entsprechenden Geste des Zeigefingers abfahren kann, und sich dann das Kreuz-Gedrücke spart, mit dem man Drake sonst ein wenig stupide von Griff zu Griff klickt. Wider Erwarten sehr gut hat mir das auch optionale Zielen mit Bewegungssensor gefallen. Beide Sticks braucht man zwar immer noch, trotzdem erschien mir die Idee, die PS Vita für einen gezielten Schuss still halten zu müssen, bis zum Schluss durchaus spannungsfördernd. Es ist die Sorte nahtlose Ergänzung, die sogar den Spielkomfort nahtlos steigert. Überraschend intuitiv und mühelos nutzte ich diese Steuerungshilfe nach einer Weile nämlich für minimale Zielkorrekturen. Ihr kennt das ja, wie in Uncharted einige Gegner auf Treffer mit einem kurzen Schütteln reagieren, als wäre ihnen ein Insekt in den Hals geflogen und nicht etwa eine Salve kochenden Bleis, nur um anschließend etwas weiter links oder rechts zu stehen. In solchen Situationen nahm ich diese schnelle Möglichkeit, mein Visier durch eine kleine Bewegung um Millimeter anzupassen, gerne wahr.

In dem Versuch, das Maximum aus der neuen Hardware herauszuholen, hat Bend also an einigen Dingen herumgedoktert, die keiner Verbesserung bedurft hätten und folgerichtig auch keine bewirken. Eher im Gegenteil. Ärgerlich ist daran vor allem, dass sie ihr Ziel keinesfalls verfehlen, sondern etwas unglücklich darüber hinaus schießen. Allein das Erlebnis, dieses blendend aussehende und tadellos spielbare Uncharted in diesem schlanken Spielgerät vorzufinden, wäre schon Beweis genug gewesen, dass die Vita jeden ihrer 250 Euro wert ist. Die hinzu gewonnene Freiheit Drakes kompensiert indessen reichhaltig für den niedrigeren Spektakel-Faktor. Sobald man gelernt hat, die lästigeren der etwas übereifrigen Smartphone-Einkreuzungen zu ignorieren, taucht man voll ins Spiel ab und vergisst dabei, "nur" einen Handheld-Titel zu spielen. Und das ist der Punkt, an dem man Drakes neueste Mission als vollen Erfolg verbuchen muss. Wenn schon nicht für ein perfektes Spiel, dann geht Sony Bend zumindest als das Studio in die Geschichte ein, das maßgeblichen Anteil daran hatte, die Kategorie der portablen Spielgeräte von ihrem ewigen Stigma der Erstatzdroge zu befreien.

Uncharted: Golden Abyss ist ab dem 22. Februar erhältlich.

8 / 10

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