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Undertow

Llamas und Erkenntnisse

Man nimmt sich viel zu selten Zeit, mal einen Blick auf die kleinen Teams zu werfen. Chair Entertainment dürfte den meisten von Euch nicht viel sagen. Ihre Firmenphilosophie lehnt sich an Platos Erkennung des inneren Wesens der Dinge an. Um die vollständige geistige Erkenntnis über das Wesen einer Sache zu erlangen, müssen wir einen fünfstufigen Prozess durchlaufen.


  • Was ist der Name der Sache? Actionspiel
  • Eine sprachlich ausdrückbare Begriffsbestimmung muss gefunden werden! Muss Kaboom machen!
  • Die Bestimmung des durch die Sinne Wahrnehmbaren: Sieht das geil aus! Guck mal Explosionen! Krach!
  • Die begriffliche Erkenntnis durch den vernünftig denken Geist finden: Kaboom und Explosionen mit Krach bilden die intelligible Wesenheit des Actionspiels.
  • Dasjenige, was sich erst durch die Vertiefung in der Vernunft erkennen lässt und das wahre Urbild der Sache ist: Undertow.

Ach ja, Platon benutzte Stuhl statt Actionspiel, daher auch Chair Entertainment.

Undertow
Entwickler: Chair Entertainment
Kostenfaktor: 800 Punkte (ca. 10 Euro)
Spieler: 1-16
USK: ab 12
Downloadgröße: 49 MB

Lasst uns eine Runde Frage und Antwort spielen: Was ist der coolste Name eines Spiels? Ich meine, ever? Richtig, Metagalactic Llamas Battle at the Edge of Time. Wer hat das geschrieben? Wieder 100 Punkte. Richtig, Jeff Minter. Was war sein erster Hit? Llamatron. Ihr seid gut. Was teilte Llamatron mit dem Klassiker Robotron 2084? Ihr guckt das nicht nach, oder? Genau, die Steuerung mit zwei Sticks, einer zum Bewegen und einer zum Ballern in die gedrückte Richtung. Und was bietet Euch der 101. Xbox Live-Titel genau wie Robotron? Ihr seid Hellseher.

Ein wenig mehr Tiefgang, im wahrsten Sinne des Wortes, brachte das kleine Team von Chair Entertainment schon in sein Undertow mit ein. Zunächst einmal verlegte man das Geschehen einige Meter unter den Meeresspiegel und entfernte die heranströmenden Llamas, ich meine natürlich Roboter-Horden. Diese werden durch bis zu 15 weitere Spieler oder Bots in Form von Tauchern ersetzt. Zwei Teams werden gebildet, Flags zum Erobern verteilt und los geht die wilde Schlacht.

Auch Undertow nutzt, trotz der mit der Unreal Engine 3 kräftig aufgemöbelten Umgebung, eine 2D-Ebene, auf der Ihr Euch mit dem linken Stick bewegt. Munition trägt Euer Taucher in unendlicher Menge und verteilt sie auf Druck mit dem rechten Stick in die gewünschte Richtung. Dazu kommen noch ein paar Bomben, die Möglichkeit für einen Dash und mehr braucht Ihr erst mal nicht.

We're all fighting in a yellow submarine, yellow submarine...

Jetzt heißt es, auf den Karten die Flags ausfindig zu machen und lange genug die eigenen Leute vor Ort zu halten. Beide Teams haben einen Counter, der beginnt zu fallen, sobald die Truppe weniger Flags innehat. Erreicht der Counter null, wisst Ihr was passiert. Game over, man, game over!

Falls Ihr jetzt den Eindruck gewonnen habt, dass dies alles ja doch recht billig klingt, habt Ihr nicht die Karten gesehen. Mal davon abgesehen, dass sie sich durchweg in schönster 3D-Optik präsentieren, sind sie ein Lehrbeispiel dafür, wie eine taktisch ausgewogene Karte auszusehen hat. Für jede augenscheinlich gute Angriffsstrategie gibt es einen Weg, sie auszuhebeln. Jede noch so knackige Verteidigungslinie lässt sich mit ein wenig Nachdenken und unter Ausnutzung der Gegebenheiten wie Schleusen, Riffen und Engpässen brechen.

Sollte Euch das noch nicht reichen, um Euch von der erstaunlichen Spieltiefe zu überzeugen, habt Ihr jederzeit die Möglichkeit, Euren Thunderball-Taucher in Abstufungen bis zu einem wohlgepanzerten, aber langsamen Unterwassergefährt zu wandeln. Ein Druck auf das D-Pad und schon wechselt Ihr beim nächsten Respawn die Gestalt. Alle der insgesamt vier Formen lassen sich auch noch einmal aufbessern. Ein Upgrade gilt allerdings nur für eine der Formen, so müsst Ihr also in jeder Runde gut überlegen, was angesichts der Örtlichkeiten am wichtigsten sein dürfte.

Somehwere, below the sea, somewhere, she's waiting for me...

In den entstehenden Gefechten kommt nie Langeweile auf. Es ist ein ständiges Wechseln zwischen Offensive und Defensive. Eben noch erobert Ihr eine Flag, schon seid Ihr dabei die letzte zurückzuholen, wieder in den Angriff, wieder zurück. Adrenalin pur, unterstützt von einer ungemein funktionalen Steuerung und gefälliger Präsentation.

Als einen nicht zu verachtenden Bonus erhaltet Ihr sogar noch einen durchaus brauchbaren Solomodus. In 15 Missionen wird Euch eine kleine, witzige Geschichte geboten, aufgelockert durch Endgegner und gewürzt mit drei rivalisierenden Fraktionen im Kampf um die Herrschaft unter dem Ozean.

Wahrscheinlich hatte Microsoft die Spiele einfach nur vertauscht. Dass hier hätte das Jubiläumsspiel sein sollen, die runde Nummer 100. Obwohl, vielleicht passt 101 sogar besser, schließlich steht diese Zahl im englischen Sprachgebrauch für Anfängerkurse. Und Undertow ist wirklich nicht weniger als eine Lektion wie gutes Spieldesign auszusehen hat. Ob allein oder Online mit 15 weiteren Spielern, Undertow steht für das Beste in Xbox Live: Leicht zu lernen, schnell zu spielen, schwer zu meistern. Los, ladet die Demo, überzeugt Euch, wir sehen uns unter Wasser!

Randnotiz der Woche: Platon lebte von 427 v.C. bis 347 v.C. in Athen. Von ihm stammt die Idee des Dialogs zur Erkenntnisgewinnung. Er hielt nicht viel von der Ehe und glaubte, dass es Sache des Staates sei, zwei ideale Partner zusammenzuführen. Dies ist stark verkürzt und gibt nicht zwangsläufig die Ideen eines Mannes ganz exakt wieder, der vor 2500 Jahren lebte.

8 / 10

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