Undisputed ist der König im Ring, macht mich aber nicht zum Box-Fan
Ring und Runde.
Gut, kein Wunder: Virtueller Boxsport hat ja derzeit Pause, sodass sich Undisputed als einzige Ausnahme selbstverständlich den Titel schnappt, wenn es am morgigen Freitag den Early Access auf Steam verlässt und auch auf PlayStation 5 sowie Xbox-Series-Konsolen erscheint. Wobei ich die Sport-Simulation eher als vorübergehenden Meister bezeichnen würde. Denn im direkten Duell mit Fight Night zieht sie für mein Empfinden selbst in der aktuellen Flaute noch den Kürzeren.
Dabei bekommt Steel City Interactive, ein britisches Independent-Studio, das Boxen in Undisputed grundsätzlich hin. Die Arme der Boxer verheddern sich zwar ein wenig wie diese aufblasbaren Luftballon-Männchen, wenn sie aufeinandertreffen. Das haben physikbasierte Bewegungen nun mal so an sich. Abgesehen davon taktiert man aber angenehm realitätsnah mit Jabs, Hooks und Crosses, während man stets die Wahl hat, ob man auf Kopf oder Körper zielt.
Uppercuts runden das offensive Repertoire ab und zwischen den Runden sieht man gut, wie Cuts und Schwellungen auf den Körpern der Kämpfer die Geschichte der letzten Runden nacherzählen. Zur Verteidigung kann man ankommenden Schlägen zudem nicht nur aus dem Weg laufen, sondern auch schnell ausweichen oder sich nach hinten beziehungsweise zur Seite lehnen. Und natürlich zieht man für einen Block die Hände entweder vors Gesicht oder vor den Körper.
Das funktioniert auch deshalb gut, weil die Gegner auf allzu eindimensionales Boxen entsprechend reagieren und auf den höheren Schwierigkeitsgraden ohnehin sehr effektiv blocken und zuschlagen. Mir ist die normale Herausforderung daher gerade recht – was unter anderem daran liegt, dass ich auch durch Undisputed wohl kein Fan des Boxens mehr werde. Die dicken Handschuhe und der vergleichsweise eindimensionale Ablauf, weil man ausschließlich mit den Händen agieren darf, sind einfach nicht mein Fall.
Das liegt im Fall von Undisputed allerdings nicht nur an dem Sport, den es nachahmt, sondern auch am eigentlichen Spiel. Sowohl die Karriere als auch die Präsentation tun nämlich nicht gerade viel, um meinen Ehrgeiz anzustacheln. Daran können selbst mehr als 70 lizenzierte Größen des Sports oder die Tatsache, dass man die Musik beim Einlaufen wählen darf, nichts ändern.
Nehmt nur mal die Kommentare der Moderatoren. Die wiederholen sich so schnell und treffen zudem so oft nicht den Kern dessen, was im Ring passiert, dass sich das Fight-Night-Feeling in engen Grenzen hält. Manchmal ist das Publikum außerdem geradezu gespenstisch still, ohne dass sich die Kämpfer nur tatenlos belagern würden. Und ging es bei der Moderation denn wirklich nicht anders, als in fast jeder Pause zwischen den Runden den Satz „Let’s talk about [Kämpfer soundso] in that last round“ zu bringen?
Es gefällt mir, dass der Ringrichter den Kampf auch mal unterbricht, um sich größere Verletzungen anzuschauen. Auch dass man sich die Ausdauer in langen Kämpfen verdammt gut einteilen sollte, ist ein wertvolles Detail.
Im Gegenzug gibt es nur leider keine besonderen Animationen am Ende einer Runde oder andere Kleinigkeiten, durch die das Geschehen nicht nur lebendiger, sondern vor allem glaubhafter wirken könnte. Ach, und wieso wird im Simulationsmodus nicht einmal die Anzahl der Runden eingeblendet? Dass Anzeigen für die Ausdauer und den Gesundheitszustand in diesem Modus fehlen, finde ich klasse. Aber man muss doch wissen, wie lange der Kampf schon geht beziehungsweise noch dauert.
Und dann ist da noch die Karriere, in der man alle paar Wochen einen Kampf vereinbart, um sich anschließend im Trainingscamp darauf vorzubereiten. Dort muss man sich dann entscheiden, ob und welche Technik man übt (sprich, welche Werte man langsam steigern will), ob man Ausdauer priorisiert oder ob man vielleicht lieber das Gewicht senkt. Jeder dieser Schritte kostet eine Woche und es ist durchaus knifflig, das Training so zu balancieren, dass man sowohl fit als auch ausgeruht genug in das Duell geht.
Sehr schnell hatte ich auf diesen Drill allerdings keine Lust mehr, weil jeder dieser Schritte lediglich ein Klick ist. Man übt nicht aktiv und tut auch sonst nichts anderes. Dieser Klick auf das gewählte Programm ist bis zum nächsten Kampf leider alles, was es in Sachen Charakterentwicklung zu tun gibt.
Und das war mir zusammen mit der Tatsache, dass mich Boxen ohnehin kaum interessiert, dann eben der Grund, dass ich Undisputed nach wenigen Stunden wieder zur Seite gelegt habe. Es ist beileibe kein schlechtes Spiel und ich wäre sogar interessiert daran, in den Mehrspieler-Clinch zu gehen, zumal ein Ranglistensystem dort für ausgeglichene Chancen sorgen sollte. Wie so oft fand ich dort vor Release nur leider noch keine Kontrahenten.
Ich bleibe jedenfalls bei EAs MMA-Simulation, die ich sowohl spielerisch als auch inhaltlich als den besseren Kampfsport empfinde. Wie gesagt: Das eigentliche Boxen kann man Fans des gepflegten Handschuhkampfs guten Gewissens empfehlen. Nur das Drumherum scheint mir für alle Anderen recht dürftig geraten.