Unicorn Overlord im Test: Das hübscheste Kriegsspiel, das je entwickelt wurde
Achtung: Suchtgefahr!
Kennt ihr das: Entwickler, deren Videospiele man blind kaufen kann, weil man damit immer eine gute Zeit hat? Vanillaware gehört für viele zu dieser Gruppe, weil sie nicht zuletzt mit einem einzigartigen Zeichenstil überzeugen. Mich hat das Studio mit 13 Sentinels: Aegis Rim beim weltweiten Release in 2020 in seinen Bann gezogen. Atlus übernahm ein weiteres Mal die Veröffentlichung des Titels. Eine Kombination, die ich für eine Seltenheit hielt, denn Vanillaware kämpfte während der Entwicklung bereits mit finanzieller Knappheit. Im Herbst letzten Jahres präsentierte eine Nintendo Direct ganz unerwartet ein Spiel, das mich in den ersten 10 Sekunden an Final Fantasy Tactics erinnerte und mit dem Soundtrack sofort überzeugte. Als die Namen der Entwickler am Ende des Trailers erschienen, war mir klar: Unicorn Overlord wird mein persönliches Fest.
Aber wenn die Erwartungen so hoch sind, ist oft die Enttäuschung nicht weit. Entwickler können ihre Meisterleistungen meistens nicht zweimal hintereinander halten, erst recht dann, wenn sich das Genre ändert. Vanillaware kehrt zu ihren Wurzeln zurück und entwickelt ein großes RTS-Rollenspiel, das sich am ersten Ogre Battle orientert, bei dem die Einheiten noch in Echtzeit über die Karte marschierten. Bedeutet: Dieses Taktikspiel liefert eine offene Welt und halb-automatisierten Kämpfen. Ob das wirklich gut gegangen ist oder ihr euch auf eine große Enttäuschung einstellen müsst, erfahrt ihr im Folgenden:
Kronprinz Alain verlor seine Mutter im Kampf gegen das zenoirische Imperium und lebt nun im Exil auf einer kleinen Insel. Als die Truppen des Bösen die Insel stürmen und eine Priesterin entführen, findet Alain seine Bestimmung darin, ein ganzes Heer an Widerstandskämpfern aufzuziehen und so nicht nur seine Freundin zu retten, sondern sein ganzes Königreich zurückzuerobern. Das Einhorn aus dem gewöhnungsbedürftigen Titel spielt dabei auch eine Rolle, keine Sorge.
Im obigen Video wird der komplexe Kampfablauf deutlich anschaulicher geschildert, aber das Besondere ist, dass es darum geht, eure Einheiten so zu organisieren, dass sie in automatisierten Schlachten am besten agieren. Untermalt werden sowohl die Geschichte, als auch neue Gebiete, die Kämpfe oder besondere Ereignisse mit einem fabelhaften Soundtrack von Basiscape (Final Fantasy Tactics, 13 Sentinels: Aegis Rim).
Eine Einheit kann bis zu fünf Figuren beinhalten, ihr müsst diese Plätze aber durch Münzen und euren Rang freischalten. Ähnliches gilt für die Klassen, die euch zur Verfügung stehen. Später könnt ihr eure Figuren sogar befördern, damit sie mehr Fähigkeiten, Aktionspunkte und Rüstungsslots erhalten.
Treffen zwei verfeindete Truppen aufeinander, geht es los: Positioniert eure Truppen, nehmt Gebiete ein und stellt Fallen auf. Sobald ihr euer Ziel besiegt habt, gilt der Kampf als gewonnen. Eure Siegespunkte ergeben sich aus der Anzahl besiegter Gegner, gefallener Verbündeter und der Zeit, die ihr gebraucht habt. Sobald ihr eine Einheit besiegt, einen Gegenstand findet oder einen strategischen Punkt erobert, erhält euer Heer Bravourpunkte. Diese ermöglichen allen Truppen besondere Fähigkeiten für das Feld. So können Alains Verbündete beispielsweise Hindernisse aus dem Weg räumen oder große Flächenangriffe gegen mehrere Einheiten gleichzeitig verüben.
Auf einer großen Karte erkundet ihr die Welt frei und lernt eine Menge Charaktere kennen, die jeweils eine ausgearbeitete Geschichte mitbringen. NPC-Einheiten könnt ihr ebenfalls anheuern, wenn ihr mal mehr militärische Stärke braucht. In die Schlacht geratet ihr regelmäßig durch Hauptquests und zudem gibt es zahlreiche Nebenquests, Eroberungsmissionen oder versteckte Rätsel. Diese Schleife aus Erkundung, Truppen aufbauen, Geschichte und den schnellen Kämpfen entfaltet schnell eine magische Sogwirkung. Die vielen neuen Reize, die während der Eroberung gesetzt werden und dass eure Figuren Beziehungen untereinander knüpfen, halten diesen Sog bis zum Schluss aufrecht.
Die Performance auf der Nintendo Switch ist erstaunlich gut, den größten Teil des Spiels habe ich aber auf der PlayStation 5 getestet. Hier gibt es ebenfalls nichts zu bemängeln. So ein Tatikspiel würde sich perfekt für den Handheld eignen, wären da nicht die vielen Menüs mit einem Haufen Details, durch die man etwas mühselig rangieren muss, um eigene Figuren für die automatischen Kämpfe zu programmieren. Die vielen kleinen Details können auf Dauer etwas anstrengend werden, was leider vielen den Zugang zum sonst fast perfekten Taktik-Erlebnis verbaut.
Unicorn Overlord - Fazit
Unicorn Overlord hat meine sehr hohen Erwartungen insgesamt übertroffen, denn ihren einzigartige Stil gepaart mit einem perfekten Soundtrack, tiefgreifenden Geschichten vieler Schicksale (bis zu 60 Figuren gibt es insgesamt) treffen Vanillaware und Atlus wieder zielgenau. Die Spielschleife macht ebenfalls schnell süchtig, steht sich selbst aber manchmal mit zu vielen Menüs im Weg. Auch die automatischen Kämpfe könnten einige Strategiefans abschrecken, obwohl sich bei genauerem Hinsehen erstaunliche Tiefen eröffnen.
Unicorn Overlord bedient trotz hervorragender Leistung an vielen Stellen weiterhin eine Nische. Besonders positiv muss man hier einfach die offene Welt hervorheben, die sich dem Trend von Hol- und Bringdiensten, Sammelaufgaben oder Minispielen widersetzt und stattdessen auf gut kuratierte Geschichten setzt. Vanillaware trifft konstant den richtigen Zeitpunkt für Überraschungen, um die Neugierde aufrecht zu behalten. Der Verlauf der Geschichte belohnt euch sinnvoll, wenn ihr mal etwas Mühseliges machen müsst und entspannt euch gleich danach mit freudigen Aufgaben. Es wäre so schön, wenn sich so sorgfältig erdachte Spielwelten für Studios wieder mehr lohnen würden. Denn dass es spielerisch funktioniert, beweist Unicorn Overlord allemal.
Unicorn Overlord | |
---|---|
PRO | CONTRA |
|
|