Unit 13 - Test
Der Schein trügt
Die erste Reaktion auf Unit 13 fällt wenig Vertrauen erweckend aus. Man fragt sich, wer dieses Paradebeispiel eines generischen und inhaltlich - scheinbar - unterentwickelten Shooters durchgewunken hat. Man fühlt sich angesichts der pseudo-militärischen Starker-Mann-Attitüde, der fürchterlich platten Dialoge und den stereotypen Abziehbildern von Freund und Feind beinahe ein bisschen angeekelt. Bis man sich daran erinnert, dass ja Launch-Zeitraum ist, und wohl noch auf die Schnelle eine derbe Third-Person-Schießerei ran musste.
Kurzum: Man ist sich eigentlich sicher, dass einem nichts Gutes bevorsteht, ob des charmebefreiten Anti-Terror-Nonsens, der einem hier entgegenweht, ist gar auf das Schlimmste gefasst. Und dann ist auf einmal eine geschlagene Stunde vorbei, die man lediglich in einen einzigen kurzen Level gesteckt hat, um die perfekte Route zu finden und sich in der Highscore-Liste zu verewigen. Macht Unit 13 beim ersten Eindruck nahezu alles falsch, erwächst aus dem Häppchenweisen, schnellen Shootern mit motivierend integrierten Belohnungs- und Bewertungssystemen auf einmal ein kleiner aber durchaus feiner Geheimtipp, für den man sich beinahe ein bisschen schämt, ihn zu mögen.
Der zentrale Einzelspielermodus setzt euch 36 nicht zusammenhängende Missionen vor, die vier unterschiedlichen Auftragsgattungen angehören: Stealth-Einsätze, bei denen es unentdeckt durch die Level gehen sollte, Missionen, die euch nach Tempo bewerten sowie Direct-Action-Aufträge mit besonders breit gefächerten Zielen. Die Elite-Missionen sind unterdessen besonders harte Auftragstypen, die ihr ohne Checkpunkte abschließen müsst. Neun große Karten, unter anderem eine Botschaft, ein Hotel und ein Dorf im mittleren Osten, mit vielen veschiedenen Wegen, Plätzen und Gassen werden jedes Mal aufs Neue abgesteckt und mit genretypischen Missionszielen versehen. So gerät die Kenntnis der Umgebung über kurz oder lang zum höchsten Gut.
Um eure Gesundheit ist es nämlich verhältnismäßig realistisch bestellt, wer im tiefsten Gefecht nicht das Deckungssystem bemüht, ist in Sekundenbruchteilen am letzten Checkpunkt. Je nachdem, welchen der sechs verschiedenen Söldner, vom leisetretenden Infiltrator bis hin zum rabiaten MG-Schützen, ihr gewählt habt, haltet ihr Beschuss natürlich unterschiedlich lange (oder besser "kurz") aus, Rambo-Taktiken führen aber nur zum Sieg, wenn man schnell, zielgenau und mit Übersicht feindliche Stellungen zu nehmen versucht. Und selbst dann ist man meist noch besser beraten, hinter massivem Umgebungsinventar den Kopf einzuziehen.
Was im Grunde wie arges Stückwerk wirken könnte, wird zusammengehalten durch ein Kombosystem, das durch jegliches missionsdienliches Verhalten einen Multiplikator steigert. Da dieser in Ruhephasen ohne Unterlass wieder heruntertickt,entwickelt jeder neue Einsatz einen Zug, der einen ständig der Zwickmühle zwischen Tempo und Vorsicht aussetzt. Ein cleverer Schachzug des Socom-Teams von Zipper Interactive. Je nach gewähltem Söldner erfährt das Punktesystem zudem leichte Anpassungen, etwa, wenn der Stealth-Spezialist für leise Kills stärker belohnt wird.
Man wird dazu erzogen, den Stärken seines Charakters entsprechend zu spielen und jeden neuen Raum mit dem passenden Timing zu befrieden. Man schaut sich Patrouille-Routen an, achtet auf die Blickrichtungen entdeckter Feinde - praktischerweise beinahe wie in Metal Gear Solid oben links auf dem Radar eingezeichnet - und wartet, bis sie nahe genug für einen Doppel- oder Dreifach-Kill beineinander stehen oder fernzündet platzierte Sprengfallen mit einem gezielten Schuss, um sie gegen ihre Erschaffer zu wenden. Das Entdecken der besten Vorgehensweise für den Job wird zum Spiel für sich, das in ähnlicher Form schon 1996 dafür sorgte, dass man sich im Goldeneye-Vorläufer hunderte Male in denselben Level begab, bis man ihn perfekt spielen konnte.
Und natürlich sammelt man all diese Punkte nicht nur zur Angeberei, sie steigern auch den Level und die damit erhältliche Ausrüstung der entsprechenden Spielfigur. Hier wird man demnach noch unmittelbarer und nachvollziehbarer belohnt, als in beiden oben genannten Klassikern. Es winken darüber hinaus nicht nur Upgrades, sondern auch eine Fünf-Sterne-Wertung (die ihrerseits eine Variante des geschafften Levels freischaltet, bei der die Missionsziele dynamisch generiert werden) und ein Eintrag in der Highscore-Liste.
Dass zudem jede Mission auch zu zweit samt Voice-Chat angegangen werden kann und durch die verzweigten Wege und unterschiedlichen Zugänge zu einzelnen Räumen noch ganz eigene Taktiken möglich werden, macht Unit 13 zu einem echten Gewinner, sobald man es mit einem Freund im Tandem angeht. Daneben schaltet ihr durch fleißiges Sternesammeln noch "High Value Targets" frei - besonders harte Aufträge mit virtuellen Superterroristen als Ziel. Nach Everybody's Golf bietet Unit 13 überdies täglich wechselnde Herausforderungen feil, bei denen man sich alle 24 Stunden aufs Neue haargenau ein Mal in einer eigenen Highscore-Liste verewigen darf.
Neben der vollständig beliebigen Präsentation, die der kompetenten Grafikengine kein Gramm Flair oder Finesse zu verleihen in der Lage ist, schmälert das etwas störrische Deckungssystem ein wenig den gebotenen Enthusiasmus. Einen fließenden Wechsel zwischen zwei Seiten einer Leben rettenden, flachen Mauer gibt es nicht, weshalb man stets aufstehen und im normalem Homo-Erectus-Gang an die gewünschte Flanke laufen muss. Dass man sich dabei regelmäßig ein paar Kugeln fängt - Ehrensache. Auch feuert man beim Zielen über das Visier hin und wieder in im Weg stehende, nahe Umgebungsobjekte und allgemein wirft die Spielfigur ihre Rauch- Blend- oder Splittergranaten schon mal gegen die Wand, anstatt durch eine Tür hindurch, doch diese Bedienungsmängel verzeiht man dem Spiel nach einer Weile und spielt um sie herum. Die KI, die euch nach einer Sichtung schon mal wieder vergisst, schreibe ich eher dem entschieden videospieligen Regelwerk dieser punktegeilen Schießerei zu. Die Feinde machen nicht mehr als sie müssen, sind zielgenaues Mittel zum Zweck, euer eigentlicher Gegner ist die eigene Ungeduld.
So kann es gehen. Schüttelte es mich beim ersten Anblick von Unit 13 noch ordentlich, möchte ich den Titel mittlerweile nicht mehr auf meiner Memory Card missen. Die Eleganz, die das Spiel in seiner Aufmachung vermissen lässt, findet man nach einer Weile in seinem puristischen Ablauf. Wenn das Mischungsverhältnis stimmt, braucht es halt wenig mehr als solide Basics und einen exzellenten Aufhänger - hier das Punktesystem -, damit man regelmäßig zu diesen Anti-Terror-Supermännern zurückkehrt.
Man sollte nur wissen: Unit 13 will euch nicht mitnehmen auf eine Abenteuerreise oder euch die Welt retten lassen. Es tritt euch die Tür zu einer etwas zynischen, aber gut funktionierenden Schießbude auf, und will sehen, was ihr draufhabt. Habt ihr Lust, es ihm zu zeigen?