Unknown 9: Awakening im Test - Es wäre so gern Uncharted, aber nah dran ist manchmal immer noch weit weg
Erst ein gutes Spiel, dann das große Serien-Universum, bitte.
So nah dran und doch so weit weg. Unknown 9: Awakening macht als Klon von Uncharted so viel richtig und sogar ein paar eigene Ideen. Aber wenn diese immer wieder untergraben werden, weil man was anderes kopieren will, das man nicht so gut wie Original hinbekommt, dann bleibt am Ende, nun, Unknown 9 übrig.
Die kürzeste Zusammenfassung ist, dass Unknown 9 ein Uncharted-Klon ist, aber ohne Schießen. Also ihr dürft nicht schießen, die Gegner schon und das ist sehr frustrierend. Die Story müsst ihr nicht kennen. Nicht mal beim Spielen. Die Grundprämisse reicht. Schülerin verliert Mentor an ehemaligen Schüler, der mystische Artefakte sucht, Schülerin schwört Rache und sucht so selbst mystische Artefakte, weil erst Rache, dann Welt retten. Das passt, es gibt schlechtere Prämissen für eine Schatzjagd und als Cross-over der Storys von Indiana Jones und Dr. Strange kann man in so einem Spiel gut damit leben.
Aber es ist auch der erste Aspekt, der zeigt, dass der gute alte Spruch „lerne erst laufen, bevor du rennst“ noch immer wahr ist, vielleicht mehr denn je, wenn man heutzutage mit dem Triple-A-Feld mithalten will - und damit konkurriert man bei so einem Spiel, 10 Euro hin oder her. Und das will Entwickler Reflector Entertainment auch. Sicher, das sind Leute, die ganz große Spiele bei Ubisoft und Co. mit entwickelt haben, sie wissen wie das alles von Innen aussieht. Aber trotzdem scheinen sie die nötige Maschinerie, die es braucht, um die Politur eines solchen Titels auf die Beine zu stellen, unterschätzt zu haben.
Wie gesagt, die Grundprämisse der Story ist simpel, die Charaktere sind es auch, aber man wollte mehr. Unknown 9 nimmt das Awakening im Titel wichtig. Das soll der Auftakt zu etwas Großem sein, einem ganzen Universum mystischer Dinge in einem coolen steampunkigen Universum voller cooler Charaktere, die gewitzte Dialoge austauschen und große Abenteuer erleben. Aber bevor man dieses Universum hat, oder auch nur ein Spiel davon, das dieses Kriterium erfüllt, muss man erst mal eine Zeile schreiben, auf die das zutrifft. Uncharted guckt man sich an, weil für Videospielspielverhältnisse und Action-Adventures ist das fast Shakespeare.
Unknown 9 ist der übliche Sumpf tranigen Schreibens, Pseudo-Coolness und unmotiviertem Vortrag. Nehmt noch die Gesichtsanimationen von vor etwa acht Jahren dazu, dann wisst ihr, warum ich schnell anfing wegzudrücken, was ich konnte und nie den Eindruck hatte, was verpasst zu haben. Das gilt auch für die Story. Sie stellte sich auch über den Verlauf als so Pfützen-tief heraus, dass ich trotzdem nie verloren war.
Haken hinter, ist funktional vorhanden, wenn das Gameplay mich mitreißt, dann passt das. Das tut es teilweise sogar. Wie schon erwähnt, im Gegensatz zu den üblichen Uncharted-Klonen schießt ihr nicht, sondern spielt eine Magierin, und einige der Fertigkeiten sind wirklich cool. Das betrifft fast alles, was den Stealth-Teil betrifft. Jenseits einiger erzwungener offener Kämpfe kommt ihr fast immer unerkannt in ein Kampfgebiet und könnt euch im hohen Gras verstecken. Es ist das übliche magische hohe Stealth-Gras, Gegner laufen mit einem Meter Abstand vorbei und können euch nicht sehen, das kennt man. Ihr könnt sie wie gehabt mit einer Art Pfiff anlocken, habt einen magischen Detektiv-Blick, ihr könnt Gegner direkt von hinten erledigen, die Leichen nutzen, um andere Gegner anzulocken. Sehr basic, sehr funktional und ganz unterhaltsam.
Spaßiger wird es dann, sobald ihr die Umgebungsobjekte wie Feuerstellen oder explodierende Gasflaschen dazu nehmt, die ihr fernzünden könnt, für Ablenkung oder Attentate. Aber erst die letzte wichtige Fertigkeit bringt den Stealth für Unknown 9 nach Hause, und das ist, dass ihr einen Gegner übernehmen könnt. Für ein paar Sekunden schlüpft ihr in seinen Körper und habt Zeit, einen Angriff auszuführen. Entweder ihr rennt mit ihm zu einem gefährlichen Objekt und lasst ihn dieses angreifen, was ihm natürlich selbst schadet oder noch besser, ihr lauft zu einem weiteren Gegner, der selbst neben einem solchen steht. Zwei zum Preis von einem. Bald dürft ihr dann sogar einen zweiten Gegner im Anschluss übernehmen und sie können einander attackieren, am besten neben einer Gasflasche.
Das sind die Momente, für die man Unknown 9 spielt und ich hatte selten so viel Spaß mit Stealth in einem Spiel wie hier. Sicher, es geht komplexer, ausgefeilter und vor allem eleganter, denn die generelle Bewegung in Unknown 9 fühlt sich immer etwas hakelig an. Aber bedenkt man, dass solche Kampfarenen etwa 60 bis 70 Prozent des Gameplays ausmachen und 80 Prozent der Kämpfe als Stealth ablaufen, ist das eine ganze Menge des Spiels, an dem ich Spaß hatte. Gut so, denn wenn das Stealth endet, hört auch der Spaß auf.
Zu sagen, dass ich noch nie ein solch schlechtes Nahkampfsystem erlebt habe, wäre glatt gelogen, weil ich habe viel, viel, VIEL schlechtere im Laufe der letzten 40 Jahre Gaming erleben dürfen. Aber nicht in einem Fast-Triple-A-Game, das auf Schießen verzichtet und Prügeln als einzige Kampfform neben dem Stealth anbietet. Wäre dieses hakelige, unrunde Bewegungsverhalten die letzte Notlösung, wenn die Munition alle ist, würde ich ja nichts sagen, aber immer wieder mal zwingt mich das Spiel sogar, das nutzen zu müssen.
Keine Kombo fühlt sich richtig an, der schwere Schlag ist nervig zu timen, weil keine der gefühlten 28 Tasten eines modernen Controllers geopfert wurden, sondern weil er auf der gleichen Taste wie der leichte aufgeladen werden muss. Da man den schweren Schlag nur zum Block-Break braucht und der Gegner eh diesen Moment nutzt, um zu kontern, gab ich schnell auf das Timing, dass sich vielleicht jemand überlegte oder einfach hoffte, dass es schon existieren wird, auszutüfteln. Stattdessen hüpfte ich mit dem Sprung weg und wieder ran, ist sicher ohnehin besser in einem System, dessen Kamera in engen Kampfgebieten öfter mal aufgibt und mir die drei anderen Gegner, die parallel angreifen, nicht zeigt. In Bewegung bleiben und das Beste hoffen. Ist nicht schwierig, ist aber auch nicht spaßig. Selbst die Notlösung, dass relativ bald ein Stagger-System mit einem Finisher dazukommt, bessert die Lage nur insoweit, dass das Elend schneller beendet werden kann. Dass auch eine Reihe der Bosskämpfe um den Nahkampf und nicht um Stealth herum aufgebaut ist, zeugt davon, dass dieses Nahkampfsystem kein zufälliger Unfall ist, sondern dass jemand das gut fand. Warum auch immer.
Alles geht vorbei, die nächste Runde Stealth kommt bestimmt und ihr findet sie, wenn ihr euch weiter durch das komplett lineare Spiel schiebt. Das ist keine große Kritik, so funktioniert Uncharted nun mal und auch in Unknown 9 wisst ihr, dass wenn ihr eine Weggabelung seht, dass ihr den weniger offensichtlichen Pfad nehmen müsst. Dort wartet nämlich der Fertigkeitspunkt oder das Sammel-Etwas. Jedes Mal. Ansonsten sind Kletterwege klar markiert, die Steuerung hier funktioniert wie sie soll, wenn man sich dran gewöhnt hat, dass es keine Taste zum Springen gibt und das gelegentliche Puzzle ist vorhanden. Selten braucht es mehr als drei bis sieben Gehirnzellen, aber es rundet das Konzept ab. Jenseits der Kampfzonen gibt es das Wenige an Gameplay zur Überbrückung, was so ein Titel braucht, und das erledigt Unknown 9 auch solide genug, ohne jemals zu glänzen.
Was die Fertigkeiten angeht, es ist das übliche Verbessern von Dingen, die man eh hat, weniger neue Magie. Ihr könnt die Detektivsicht verbessern, eine kurze Unsichtbarkeit länger nutzen, habt eine neue schwer Schlagkombo, die kunstvoll entworfen wurde, um sich noch schlechter anzufühlen als die normale. Die wichtigste Fertigkeit war der Takedown der Elite-Gegner, nachdem der freigeschaltet war, kann ich nicht behaupten, dass ich noch großes Interesse an dem Fertigkeitenbaum hatte. Er ist existiert wie fast alles in Unknown 9: Funktional nach Schema F. Es ist da, weil ist halt so.
Und zum Schluss müssen wir über die Technik reden. Hauptsächlich, weil Uncharted 4 eines der schönsten Spiele auf der PS4 war. Und Unknown 9 läuft zwar exklusiv auf einer dezent leistungsstärkeren PS5, kann aber Uncharted 4 nicht für auch nur eine Sekunde einen einzelnen Tropfen Wasser reichen. Umgebungsdetails, Sichtweiten, Beleuchtung, Animationen, Textur-Qualität, nichts davon scheint wirklich aus dieser Konsolengeneration zu stammen. Unknown 9 ist kein hässliches Spiel, dafür sorgt das generelle Design, aber an einer Stelle kommt ihr ein Steampunk-Luftschiff und wenn es hier gegen The Order 1886, ein fast zehn Jahre altes Action-Adventure auf der PS4 verliert, dann ist man einfach nicht am oberen Ende dabei. Schon gar nicht, wenn die Framerate die 30 eher wackelig hält. Es gibt keinen Performance- oder Qualitäts-Modus, nur den einen, und das ist vielleicht auch besser so. Ich glaube nicht, dass mehr Frames geopfert werden sollten und die paar Details, die die Texturen noch haben, sollten auch besser da bleiben, wo sie sind.
Das Tragische an Unknown 9: Awakening ist, dass es auf dem guten Weg ist. Wenn man die Technik geradebiegt, dann wird das schon. Wenn man das Nahkampfsystem noch mal im Detail anfässt, flüssiger gestaltet, dann ist da Potenzial. Wenn man die Story einem talentierteren Schreiber in die Hand gibt, dann ist die Welt interessant genug. Wenn man den Spaß des Magie-Stealth optimiert, dann kann das was ganz Großes werden. In Unknown 9 steckt ein gutes Spiel, das gerne raus möchte, aber dieses Moment werden wir wohl nicht mehr erleben.
Statt darauf hinzuwollen, zwanghaft den Grundstein für ein großes Unknown-9-Universum zu legen, hätte man sich darauf konzentrieren sollen, das erste Spiel zu einem Hit zu machen. Uncharted begann auch nicht als epische Saga, sondern mit einem guten Spiel und Unknown 9 ist leider nur fast ein gutes Spiel. Ich würde sagen, es ist gut genug, dass ihr ihm im Sale irgendwann eine Chance geben dürft, wenn euch nach einem Magie-angehauchtem Steampunk Action-Adventure sein sollte. Da steckt schon irgendwo noch genug Charme drin. Aber mehr leider auch nicht.
Unknown 9: Awakening | |
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