Vampire: The Masquerade - Swansong: Nicht nur was für Horrorfans...
...sondern auch für hartgesottene Hobbydetektive. Judith hat das zweite Kapitel für euch schon vor Release angespielt.
Die letzten Gaming-Jahre waren ein hartes Brot für die Fans der World of Darkness, der Pen-and-Paper-Welt, die Settings wie Vampire und Werwolf vereint. Bei Vampire: The Masquerade - Boodlines 2 wird in einer Tour verschoben oder das Führungs-Team ausgetauscht, Werewolf: The Apokalypse taufte unser Alex gleich zur "Tactical Espionage Action für Hunde" und Vampire: The Masquerade - Bloodhunt setzt als Battle-Royale mehr auf Action als auf tiefgründig-düstere Handlungsstränge.
Jetzt naht aber ein möglicher Lichtblick... oder bei Vampiren eher Nachtsicht? Der Story-basierte RPG-Thriller Swansong setzt offenbar genau auf die düster-psychologische Atmosphäre, wie man sie aus dem Erzählrollenspiel kennt. Im zweiten Kapitel aus dem Spiel konnte ich schon einmal in die Rolle des uralten Vampirs Galeb schlüpfen - und mit ihm einen Tatort untersuchen.
Blutuntersuchung der anderen Art
Bei Galeb handelt es sich um einen von drei spielbaren Charakteren in Swansong und um einen Vampir von Clan Venture - dem ehrwürdigen Clan der Könige, der seine Ziele mit Dominanz und Charisma erreicht. Spielcharakter Galeb passt da rein wie die Faust aufs Auge: Als FBI-Agent Smith begibt er sich im zweiten Kapitel des Spiels an einen Tatort, an dem ein unappetitlicher Fund gemacht wurde: Ein Mordopfer ohne Kopf, offenbar der reiche Jason Moore, der mit den Vampiren in Verbindung steht.
Bevor es mit Galeb zur Untersuchung geht, könnt ihr allerdings Punkte für seine Fähigkeiten verteilen. Ihr habt die Wahl zwischen Grundattributen, Alltagsfähigkeiten wie Technologie, Deduktion oder Rhetorik sowie euren Disziplinen - die mächtigen Sonderfähigkeiten der einzelnen Vampirclans. All das hat einen Einfluss, wie eure Ermittlung verläuft.
Um den Tatort zu untersuchen, kann der mächtige Vampir im schwarzen Anzug nämlich seine Fähigkeiten in der Befragung von Zeugen oder bei der Untersuchung der Umgebung nutzen. Ganz PnP-mäßig müsst ihr bei vielen Aktionen immer wieder würfeln - mit jedem Skillpunkt steigt die Erfolgswahrscheinlichkeit.
Ihr habt Elektronik geskillt? Dann kann sich Galeb vielleicht in ein System reinklicken. Ihr habt euren Präsenz-Wert erhöht? Dann könnt ihr im Dialog die Befragten geschickt beeinflussen.
Eure eigenen Charaktere könnt ihr allerdings nicht bauen, was vermutlich einige Leute enttäuschen wird. Dafür kann sich das Spiel aber umso stärker auf die Geschichten der fixen Figuren konzentrieren.
Generell läuft so eine Tatort-Untersuchung im Spiel nicht linear ab und das macht die Erkundung so spannend, mit richtigem Detektiv-Feeling: Wie viel ihr entdeckt, liegt an eurem vampirischen Spürsinn, euren eigenen Wegen und Vorgehensweisen.
... schnell klebt Blut am Mauszeiger
Was man auch schon vom Masquerade-Pen-and-Paper kennt: Viel des Horrors von Vampire kommt aus moralischen Bedenken der Blutsauger, Kämpfen mit den eigenen inneren Dämonen und dem stetigen Verlust ihrer Menschlichkeit. Das Leben eines Sterblichen hat daher für viele Vampire wenig Bedeutung und so ist es nicht verwunderlich, dass mit dem eiskalten Galeb auch ordentlich Blut fließt - ganz für schwache Nerven ist das also eher nicht.
Klar: Vampire müssen trinken, um ihren Durst zu stillen, dafür könnt ihr sie in ruhige Ecken locken, um ein wenig zu knabbern - oder sie vollständig auszusaugen, das liegt bei euch und kann in Zukunft Einfluss auf euren Ruf nehmen. Kein Wunder, dass zahlreiche Leichen im Schrank irgendwann einmal auffällig werden.
Diese schweren, moralischen Konflikte, das Ringen mit dem inneren Tier und die strengen Regeln der Vampirgesellschaft Camarilla sind alles Aspekte, die nicht nur über eure eigenen Entscheidungen in die Story einfließen. Auch Galeb scheint das alles zu beschäftigen, der diese Gedanken immer wieder in der Introspektive wälzt - auch mal mit dramatischem Blick über die Dächer von Boston.
Dabei sind manche Monologe a la "wir sind alle Monster" und "niemand darf sich uns ungestraft nähern" und immer so weiter fast ein wenig plakativ. Dass diese psychologischen Aspekte der World of Darkness hier Einzug erhalten haben, ist aber trotzdem mal wieder angenehm erfrischend - auch wenn es ein leichter Wink mit dem Holzpflock ist.
Auch die Gesichter und Charaktermodelle haben - wie es leider öfter bei Story-Spielen mit kleinerem Budget der Fall ist - ein kleines Anachronismus-Problem. "Veraltet" ist bei Vampiren aus einem anderen Zeitalter aber vielleicht zu verzeihen?
Die Mimik war zum Teil jedenfalls noch leicht hölzern, aber es handelt sich ja auch um eine Preview - da kann sich noch einiges tun. Ich persönlich lege ohnehin nicht so viel Wert auf Hyperrealismus und viel mehr auf Atmosphäre, die dank der gelungenem Sprecher schon einmal wunderbar rüberkommt - allein Galebs Reibeisenstimme, die fast ein wenig zu viel des Guten ist, hat etwas Kultiges.
Am Ende jedes Kapitels bekommt ihr dann einen Bericht über eure Erfahrungen, was geklappt hat und was schrecklich schiefgegangen und in einem Blutbad geendet hat, was ihr gefunden und was ihr vielleicht übersehen habt.
Publisher Nacon betont aber auch beim Hands-on-Event: In Swansong gibt es kein Versagen oder "Game Over" im eigentlichen Sinne. Alle kleinen und großen Entscheidungen oder Seitenwege führen zu einem Ziel, genauer gesagt zu einem von mehreren Enden.
Die komplette, düstere Thriller-Erfahrung mit Vampire: The Masquerade - Swansong von Big Bad Wolf und Nacon gibt es ab dem 19. Mai für PC und Konsolen.