Vanquish
Overkill
Will man mobil bleiben, im Gefecht flugs auf alle Eventualitäten reagieren können und allgemein die eigene "pwnage" hochhalten, um damit hohe Punktzahlen und gute Zeiten einfahren, ist es einfach unabdinglich, das Hitzelimit nicht zu überschreiten. Alles andere wäre ja auch Gears. Und wer will das schon, wenn er auch die frenetische, geradezu fiebrige Action eines Vanquish haben kann?
Was der Titel trotz (oder besser "wegen") seiner etwas niedrigen Auflösung von 1024 x 720 an schnellen und Tearing-freien Details auffährt, während rundherum nicht sprichwörtlich, sondern buchstäblich die metallene Hölle los ist, lässt einem regelmäßig den Mund offen stehen. Es kann aber auch an dem Unglauben liegen, was für einen wild wirbelnden Haufen cleverer Killermaschinen man da gerade mit der Eleganz einer Ballerina und der Effizienz eines ukrainischen Schwergewichts-Boxweltmeisters in Briefbeschwerer verwandelt hat. Über an einigen Stellen deutliches Fade-In vereinzelter Details sieht man da gerne hinweg.
Eleganz und Effizienz steigert ihr im Laufe der Kampagne, die von Haus aus auf vier verschiedenen Schwierigkeitsgraden angegangen werden kann (ein fünfter, "God Hard", kommt nach einmaligem Durchspielen hinzu), durch das Aufrüsten eurer Waffen. Bis zu drei an der Zahl zuzüglich zweier Sorten von Granaten (Sprengen & Lähmen) tragt ihr zu jedem Zeitpunkt mit euch herum und seid damit für jede Situation gerüstet. Pro Upgrade-Item, das ihr aufsammelt, steigert ihr den Rang der aktuell ausgerüsteten Waffen um einen Punkt, habt ihr das volle Kontingent an Munition, genügt sogar das erneute Aufheben desselben Waffentyps, um diesen eine weitere Stufe aufsteigen zu lassen.
Zugegeben, es ist nicht unbedingt das eleganteste System. Oft läuft man im Level zurück, nur weil man von der Energie-Kanone, die man so liebt, einige Räume zuvor ein zweites Modell hat liegen lassen, das der damaligen Situation nicht angemessen war. Allerdings sind diese Wege natürlich vollkommen optional und außerdem nimmt dieses Verfahren einen nicht aus dem Spiel, wie es ein Upgrade-Shop oder -Menü getan hätte. Auch die Tatsache, dass ich ja durchaus das Bedürfnis verspürte, diese Wege zu gehen, spricht ja für einen gewissen Suchteffekt, den die Waffensammelei auslöst.
Die Waffen beschreiten nur zur Hälfte neues Territorium. Neben schwerem und leichtem MG, Shotgun und Scharfschützengewehr findet sich auch eine alles penetrierende Energiekanone, die selbst keulenschwingende Sechs-Meter-Mechs mit Raketenabschussrampen auf dem Rücken zurückwerfen, ein zielsuchender Laser sowie ein Kreissägenwerfer. Allen Waffen gemein ist allerdings, dass sie jeweils einen sehr brauchbaren Anwendungsbereich haben und dass der Umgang mit ihnen eine wahre Freude ist. Sound und Gegnerreaktionen machen es zu einem Genuss, zunächst unbezwingbare erscheinende Feindesstellungen mit dem richtigen Werkzeug und gut dosiertem AR-Modus aufzuweichen. Oft stirbt man in neuen Situationen ein halbes Dutzend mal, teils sogar Ein-Treffer-Tode. Bis man merkt, dass man die Möglichkeiten des Spiels nicht richtig einsetzt.
Dann macht es "Klick" und man identifiziert den ohrenbetäubenden stählernen Seufzer, der jedem der letzten paar Game Overs unmittelbar vorausging, als den Klang einer soeben aus dem Buckel eines neuen Gegners gestarteten Riesen-Rakete. Und die holt man dann in Zeitlupe – und nur hier – problemlos aus der Luft. Auch wenn Vanquish auf den ersten Blick also chaotisch erscheinen mag: Man lernt, das zermürbende Chrom-Gewitter, das in seiner Intensität einem Killzone 2 in nichts nachsteht, zu filtern und entschlüsselt nach und nach auch anfangs aussichtslos geglaubte Situationen. Ein wunderbares Gefühl.
Vanquish ist nicht das längste Spiel der Welt: Nach 7 Stunden und 17 Minuten lag die abwechslungsreiche Kampagne auf dem Schwierigkeitsgrad "Normal" hinter mir. Mit all ihren furiosen Zwischengegnern, die sich hinterher als reguläre Feinde erwiesen, und Kapitelbossen, die durchweg auch ans Ende eines jeden guten Actiontitels gepasst hätten. Die gemunkelten vier Stunden im ersten Durchlauf, von denen in den letzten Tagen zu lesen war, kann ich demnach nicht bestätigen.
Und selbst wenn: Tatsächlich habe ich gleich nach meinem ersten Durchgang freudig angefangen, den Titel auf dem nächsthöheren Level durchzuspielen. Und wenn ich das geschafft habe, widme ich mich dem Herausforderungsmodus auf der Suche nach dem optimalen Flow und dem effektivsten Weg durch vorgegebene Angriffsmuster. Die Spielmechanismen geben das her: Man spürt, das noch Luft nach oben ist und freut sich darauf, alles aus den Möglichkeiten von Sams AR-Suit herauszukitzeln. Ich mag vielleicht mit der Kampagne durch sein, mit dem Spiel jedoch bin ich noch lange nicht fertig.
Japan kann es also doch noch. In Vanquish verbinden Platinum Games und der große Shinji Mikami hartes Old-School-Gameplay mit einem Tempo und einer Intensität, wie man sie sich zu SNES-Zeiten von den Spielen der Zukunft nur erhoffen konnte – und die viele aktuelle Titel trotz "derber-, lauter-, böser"-Ausrichtung immer noch vermissen lassen. Großes, zu breitem Grinsen verleitendes Kino.
Insofern: Vanquish braucht nicht viele Worte. Ihr sollt schließlich spielen und nicht quasseln. Also: Klappe halten und spielen. Und dann sprecht ihr darüber. Mit Freunden, die es auch kennen und lieben oder – besser noch – mit Leuten, die keine Ahnung haben, worum sie sich bringen, sollten sie das hier verpassen.
Vanquish ist ab dem 22.Oktober (Freitag) für PS3 und Xbox 360 zu haben.