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Vanquish

Testosteron und dicke Knarren

Dann scheitert ihr nicht in letzter Sekunde an diesem Boss, der, wie es sich gehört, keine Rücksetzpunkte innerhalb seines Kampfes kennt. An sich ist das Spiel, zumindest in diesem ersten Abschnitt, nicht zu geizig mit solcher Bequemlichkeit. Ein Boss ist jedoch ein Boss und wer den nicht an einem Stück erledigt, verdient es nicht weiterzukommen. So weit die japanische Theorie. Der Krabbenpanzer bietet euch ein kleines, ungeschütztes Ziel am Kopf, nur kommen aus der Kanone direkt darunter die gefährlichsten Schüsse. Erwischt euch so einer direkt, schaltet das Spiel sofort in die Zeitlupe, die ihr auch nicht abbrechen könnt. Der Anzug bleibt im Panikmodus, während ihr schleunigst Deckung suchen solltet. Jeder ernste Kratzer tötet. Eine Lebensanzeige im klassischen Sinne gibt es scheinbar nicht, ihr merkt es deutlich, sobald es eng wird.

Die Beine des Monsters sind ein lohnendes Ziel. Er steht zwar wieder auf, nachdem ihr ein Gelenk erwischt habt, nur der kurzfristige Zusammenbruch gibt euch eine perfekte Chance, an eines der stationären Geschütze zu springen und so richtig draufzuharken. Sind diese Kanonen bereits zerstört, müsst ihr mit dem vorlieb nehmen, was zur Hand ist: Die beiden Standard-MGs teilen sich in eine leichte Schnellfeuer-Variante und eine mit mehr Schaden, aber geringerer Frequenz auf. Die obligatorische Shotgun konnte ich noch nie besonders leiden, dafür hat es mir der Multilaser angetan. Bis zu vier Ziele – oder fünf, in der Hektik nicht leicht auszumachen – werden markiert und mit einem zielsuchenden Volley aufs Korn genommen.

Das Scharfschützengewehr und der Raketenwerfer wiederum verhalten sich, wie man es erwartet, während die EMP-Feld-Kanone sich richtig gut macht. Die Russen schickten hauptsächlich dafür anfällige Roboter und diese erst auszuknocken und ihnen dann den Rest zu geben, macht gerade bei den großen, raketenschleudernden Riesen – wer sagte hier Boomer...? – Laune.

Third Person Bullet Hell

Für Freunde spezieller Waffen wurde dann die Säge-Pistole entworfen, die rotierende Sägeblätter feuert, welche sich durch mehrere Ziele fräsen können. Sicher, die Konzeption des Arsenals ist jetzt nicht gerade das, worüber man voller Aufregung Briefe nach schickt. Was aber wichtiger ist und Vanquish augenscheinlich gut gelang, ist das Waffenfeedback. Es fühlt sich mit jeder der Waffen nach etwas an, sogar nicht nur das Abfeuern an sich, sondern Treffer mit satter Einschlagswucht quittiert zu bekommen.

So oder so, der Riese sinkt auf die demolierten Knie und offenbart die Schwachstelle. Sieg. Oder auch nicht. Er verwandelt sich einfach in bester Transformer-Manier in ein traditionelles Roboterdesign und legt mit zwei gewaltigen, schlagenden, raketenbewehrten Armen und einem in die Brust montierten Kill-O-Mega-Zapp-Laser so richtig los. Zweite Runde und wer stirbt, darf gleich noch mal bei der Ersten üben. Panisch Hin- und Herrutschen entpuppt sich nicht als Siegerstrategie. Ruhig bleiben, zielen und im richtigen Moment die Flucht ergreifen, nur um den Schusswinkel zu ändern, dagegen schon. Vanquish belohnt ruhige Spieler und straft Hektiker mit Panikneigung ab, so wie es Ballergames aus Japan seit jeher tun. Ehrlich gesagt erinnert dieser Kampf mit Massen an Raketenschwärmen und ständigen Geschützfeuer beinahe an die Bullet-Hell-Ausflüge eines Ikaruga, nur dass sich der Blickwinkel verschob.

Der Nahkampfangriff ist zwar ein effktiver One-Hit-Kill, braucht jedoch den gesamten Energievorrat auf. Taktischer Einsatz ist also gefragt.

Besiegt ihr diesen Bastard dann endlich doch, folgen ein paar beinahe gemächliche Abschnitte durch die Außenbereiche der monströsen, ringförmigen, mit städtegroßen Konstruktionen zugepflasterten Station. Deckungsspiel ist hier ein Teil der Wahrheit. Mitunter kann man einfach mal irgendwo kauern und snipern, weit effektiver ist es jedoch, hinzurutschen und die Feinde auf kurze Distanz zu erledigen. Sehr viel beweglicher als bei jedem anderen Third-Person-Game erreicht Vanquish ein erstaunlich hohes Tempo, das man diesem Genre kaum zugetraut hätte. Schon gar nicht so gut kontrollierbar, vorausgesetzt, ihr habt die Masse an Tasten in den Griff bekommen.

In diesen Abschnitten sind die praktisch immer anwesenden Kollegen besonders wichtig, obwohl sie sich nicht besonders schlau anstellen. Die Masse der Feinde konzentriert sich zwar immer noch auf euch, nur für ein wenig und mitunter sehr hilfreiche Ablenkung sorgen sie doch. Der zweite Bosskampf gegen einen anderen Super-Kampfanzug – schneller als eurer, besser bewaffnet und vor allem mit Flugeigenschaften – verblasst zwar deutlich gegen die erste Runde, hier jedoch bringen die Freunde wirklich etwas. Jeder Moment, in dem sich dieser Bösewicht nicht um euch kümmert, sondern einen Marine aufs Korn nimmt, bietet euch ein willkommenes Fenster für einen Angriff.

Martin Woger Avatar
Martin Woger: Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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