Venetica
Weihnachten in Venedig
Dabei stört es wenig, dass ihr mit Scarlett eine fertige Heldin vorgesetzt bekommt, die fest in diese Geschichte eingebettet wurde. Zum Ausgleich lässt euch Venetica recht viele Freiheiten wie ihr sie ausbaut. Gesteigert wird durch Levelaufstiege und Erfahrungspunkte, die dann auf vier Grundeigenschaften verteilt werden. Die eigentlichen Kampf- und Magiefertigkeiten werden ebenfalls über Punkte verteilt, aber lernen könnt ihr den Krams nur bei bestimmten NPCs, die ihr extra aufsuchen müsst. Ich nehme an, dass es mehr Sinn macht, als aus heiterem Himmel plötzlich etwas Neues zu können, aber zügiger wäre doch die klassische Variante gewesen. Trotzdem, mit zwei umfangreichen Fertigkeitsbäumen bleibt genug Raum, um sich hier auszutoben.
Das Toben selbst im Kampf hätte allerdings deutlich mehr Tiefe und damit Abwechslung vertragen können. Ein einsamer Kampfbutton erlaubt jetzt nicht so wahnsinnig viele komplexe Kombos. Um ehrlich zu sein: Mit einem Minimum an Fingerspitzegefühl bekommt ein betrunkener Lemur das hier Mögliche ganz gut hin. Recht leicht lassen sich mit dem richtigen Timing die Schläge aneinanderreihen und es läuft darauf hinaus, dass ihr per linkem Trigger einen Gegner anpeilt, ihn kurz bearbeitet und dann am besten wegrollt. Zumindest solange ihr es mit mehreren Kontrahenten zu tun habt. Die Freunde des Attackierten sind nicht so höflich zu warten, bis ihr ihren Kumpel niedergestreckt habt, und fallen euch ohne Hemmungen in den Rücken. Also wird Buttons gesmasht und herumgerollt, bis sie alle tot sind.
Da das ziemlich gut funktioniert, macht es auch Spaß. Aber immer wieder die gleichen, respawnenden 08/15 Straßenräuber auf den Wegen zwischen den eigentlichen Questen meucheln zu müssen, zehrt mitunter schon mal an den Nerven. Auch die vier, auf Schnelltasten verteilbaren, Waffengattungen und je nach Gegner unterschiedlich effektive Rüstungskategorie helfen nur bedingt, echte Tiefe in den Kampf einfließen zu lassen. Das System ist am Ende schnell durchschaut.
Die eigentliche Stärke liegt dann auch weniger in den kleinen und mitunter sehr langwierigen großen Kämpfen, sondern in dem Design der Questen. Drei Gilden halten euch in Venedig auf Trab, während ihr versucht, dem eigentlichen Ziel näher zu kommen. Kleine, eingestreute Rätsel, sympathische NPCs und ein paar coole Fertigkeiten, wie Besuche in der Totenwelt, steigern die Atmosphäre da, wo der Kampf ein wenig scheitert. Nur das Memory-Spielchen des Schlösserknackens hätte man von mir aus gerne abkürzen können. Senso ist tot und cool war es nie. Aber das ist meine Meinung.
Mitunter gibt dabei allerdings auch die Kamera Rätsel auf, wo keine sein sollten. Die in drei festen Stufen zoombare Third-Person-Kamera bleibt brav hinter euch, nur scheint es sie aus der Ruhe zu bringen, wenn sich da eine Wand befindet, wo die Kamera sein möchte. Mittels Justage über den rechten Stick kriegt man das in den Griff, aber intelligente Führung sieht anders aus. Ein paar Clippings machen sich auch bemerkbar, aber es hält sich noch in vertretbaren Grenzen. Wie schon gesagt, technische Limits werden hier nicht gepusht.
Die Umsetzung der Steuerung vom PC auf die Konsole ist ja auch immer so ein besonderer Fall, aber das meiste wurde sehr anständig gelöst. Bewegung, Kampf und Kamerasteuerung sind solide bis gut umgesetzt und auch bei der Schriftart war man nicht zu knauserig. Für normale Röhrengeräte ist das wahrscheinlich immer noch ein wenig zu klein, aber es liegt weit über solch Augenkrebsverbrechen wie Two Worlds. Die Verwaltung der eigenen Werte, Items und Questen erfolgt über ein mit Pad brauchbare zu nutzendes Logbuch und zwei kleine Features runden den Gesamteindruck positiv ab.
Zum einen muss man nicht extra in irgendein Menü, um die große Karte aufzurufen, das geschieht nämlich auf Knopfdruck. Zum anderen wurde an eine Taste gedacht, die einfach alles einsammelt, vor dem man gerade steht. In der PC Version war dies wohl etwas umständlicher, hier ist es zu voller Zufriedenheit gelöst worden. Was sich jedoch für Leute wie mich, die nicht alle halbe Stunde daran denken zu speichern, als mitunter vernichtend herausstellte, war der Umstand, dass man scheinbar auf jegliche Rücksetzpunkte und automatisches Speichern verzichtete. Auch die Tochter von Tod kann sterben. Und dann heißt es zurück zum letzten Spielstand... Save often, save early.
Dass die Technik nun nicht wirklich berauscht, lässt sich bei einem Rollenspiel, auch einem Action-Rolli wie Venetica, noch verschmerzen. Zumindest solange es wie hier alles im Rahmen des Erträglichen bleibt. Dass die Kämpfe ein wenig zu simpel daher kommen und nur mit einem absoluten Minimum an Taktik aufwarten können, ist eine nicht ganz so leicht verzeihbare Sünde. Dafür wird zu viel geschnetzelt und es dauert nicht lange, bis Monotonie in der Schlacht zum größten Feind aufsteigt.
Trotzdem, Venetica hat immer noch genug zu bieten. Die Geschichte entwickelt sich nach dem ruppigen Start vernünftig, die Welt liegt mit ihrem Goth-Renaissance-Einschlag jenseits der üblichen Klischee-Grenzen und ihre Figuren und deren Problemchen nehmen einen schnell gefangen. Venetica kann sich nicht aus dem "gut, aber nicht sehr gut"-Pulk der deutschen Rollis dieses Jahres lösen, steht aber doch mit ihnen auf einem Nenner. Als ein unterschätzter Außenseiter, der sicher ein wenig Aufmerksamkeit verdient hat.
Auf dem PC ist Venetica schon seit dem Sommer erhältlich, auf der Xbox 360 erst seit ein paar Tagen.