Viewfinder im Test: Wer eine starke Idee sucht, wird hier fündig – wer knifflige Rätsel lösen will, eher nicht
Immer am Drücker.
Viewfinder hatte ich mir schon ausgeguckt, als es auf den Game Awards Ende letzten Jahres vorgestellt wurde. Was gibt es denn bitte Cooleres, als ein Foto zu nehmen und es so zu aktivieren, dass das ursprüngliche Motiv plötzlich in seiner dreidimensionalen Gesamtheit im Raum steht – beziehungsweise ihn komplett ersetzt, falls das Bild beim Aktivieren eine Mauer, einen Tisch oder irgendein anderes Detail der Kulisse verdeckt.
Bis zum Schluss war ich begeistert von dem Effekt, der sich einstellt, wenn man sich nach dem Aktivieren dann nach links oder rechts bewegt und der Kopf plötzlich einen Dimensionssprung macht, weil er das vermeintlich zweidimensionale Bild auf einmal räumlich sortieren muss. Ich liebe solche Ideen! In Videospielen wie Viewfinder die Gesetze der Realität auszuhebeln, gehört zu den besten Dingen, die einem Puzzlespiel passieren können. Crush! zählt für mich ebenso dazu wie Portal oder zuletzt das clevere Superliminal (nicht zu verwechseln übrigens mit dem nicht ganz unähnlichen, sich noch im Early Access befindlichen Subliminal).
Dabei ist die grundsätzliche Formel in Viewfinder die gleiche wie in anderen Vertretern des Kopfraucher-Genres: Finde den Ausgang aus einem Raum, indem du einen Weg dorthin erschaffst, den es zunächst nicht gibt. Und hier tut man das eben, indem man mit der Kamera zum Beispiel ein Stück des Bodens fotografiert und dieses Bild anschließend dort aktiviert, wo ein Abgrund gähnt. Vielleicht bietet sich auch nur eine Decke als Motiv an, deren Foto man vor dem Aktivieren dann erst auf den Kopf drehen muss.
Nicht vergessen sollte man auch, dass abgelichtete Gegenstände nach dem Realwerden den Gesetzen der Schwerkraft gehorchen und ganz normal herunterfallen. Immerhin müssen manche Ausgänge erst mit Strom versorgt werden, wofür man manchmal erst eine Batterie auftreiben muss.
Aber ich will nichts vorwegnehmen. Matt Stark, kreative Kraft hinter Sad Owl Studios, hat sich nämlich ein paar clevere Ideen einfallen lassen, die immer wieder für Überraschungen sorgen. Eine inhaltlich spoilerfreie sind etwa mit Bleistift gemalte Zeichnungen oder Gemälde, die dann in genau diesen Stilen begehbar werden.
Schade finde ich nur, dass das Grübeln über den eigentlichen Aufgaben weitgehend kaum der Rede wert ist. Durch die meisten Räume bin ich zumindest mehr hindurchgelaufen, als dass sie sich wie Rätsel angefühlt hätten. Klar muss man oft erst mal erkennen, was eigentlich wie zu tun ist. Aber das geht schnell und die Lösung liegt damit dann auch schon auf der Hand. Ein paar starke Aha-Momente habe ich erlebt. Von denen hätte ich mir aber mehr gewünscht. Ein paar wenige optionale und besonders knifflige Herausforderungen sind in Viewfinder leider das Maximum des trickreichen Knobelns.
Viewfinder ist sowohl auf Steam als auch im PlayStation Store für knapp 25 Euro erhältlich. Derzeit gibt es bei Steam zudem die üblichen 10 Prozent Preisnachlass zum Release.
- Steam
- PlayStation Store
- Faszinierendes Außer-Kraft-Setzen der realen Physik
- Relativ freie Lösungen, mit Einschränkungen auch abseits des angedachten Vorgehens
- Einige optionale, deutlich anspruchsvollere Herausforderungen
- Über weite Strecken sehr anspruchsloses Durchlaufen
- Wenig Variation der grundlegenden Spielmechanik
- Erzählung verspricht anfangs mehr als sie hält
Und ich muss auch sagen, dass mir die Erzählung unterm Strich weniger gegeben hat, als ich nach einem interessanten Einstieg erwartet habe. Auch an diesem Punkt will ich nichts verraten, weil es anfangs noch ein Geheimnis ist, warum es diese magischen Fotos eigentlich gibt und was neben dem ständigen Vorankommen das eigentliche Ziel darstellt. Grundsätzlich finde ich dieses kleine Mysterium klasse! Stark macht allerdings nicht allzu viel draus und führt seine Geschichte für mein Empfinden auch nicht zu einem komplett überzeugenden Abschluss.
Im Gegenteil sogar: So entspannt und ästhetisch die Kulissen auch sind und so angenehm es ist, über Sprach- und andere Nachrichten ihren Zweck aufzudecken, so wenig empfinde ich diesen Hintergrund als mit dem Spiel verbunden. Für mein Empfinden hätte ein anderer Schwerpunkt sowohl der Handlung als auch dem eigenen Tun gutgetan. Aber gut, das steht hier natürlich nicht im Vordergrund. Immerhin laden ein paar Sammelgegenstände, ein omnipräsenter Kater sowie ein paar weitere Kleinigkeiten zum entspannten Erkunden der stilvollen Architektur ein.
Viewfinder im Test – Fazit
Es hat daher immer Spaß gemacht, mich mit Kamera und Köpfchen durch diese Kopfnüsse zu knipsen. Alleine die überzeugende Umsetzung seines einfallsreichen Konzepts ist Matt Stark so gut gelungen, dass sich das Verändern der räumlichen Geometrie selbst nach etlichen Fotos noch unheimlich faszinierend anfühlt, und ich habe deshalb auch über eine etwas höhere Wertung nachgedacht. Doch unterm Strich muss ich einfach sagen, dass ich mir von den Rätseln schlicht mehr erwartet habe. Nach den ersten gelungenen Überraschungen kommt zu wenig, als dass ich als Freund vertrackter Knobeleien so ganz zufrieden wäre. Zumal Viewfinder ja auch nicht als eine Art anspruchsvolles Erzählspiel funktioniert. Lasst euch davon vielleicht nicht abschrecken. Seid euch nur bewusst darüber, dass das hier trotz der famosen Idee bei weitem kein Portal ist.
Viewfinder | |
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PRO | CONTRA |
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