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Virtua Tennis 4 - Test

"Handheld-Umsetzung"? Das war mal ein Schimpfwort, oder?

Ich gebe gerne zu: Ein bisschen haben wir uns für die anfängliche Berichterstattung über das Start-Portfolio der PlayStation Vita ja schon die Perlen rausgepickt. Daher an dieser Stelle: Keine Sorge, die Gurken bekommen auch noch ihr Fett weg. Weil uns und hoffentlich auch euch aber die guten Spiele weit mehr interessieren als die, auf die man getrost verzichten kann, und weil jetzt, wo ich diese Zeilen tippe, gerade so schönes Wetter ist, müssen wir einfach über Virtua Tennis 4 sprechen.

Im Grunde geht es nicht anders, denn mit diesem Spiel hat SEGA nicht weniger als die beste Umsetzung eines Heimkonsolen-Titels auf einen Handheld abgeliefert, die ich je gesehen habe. Keine Spur von der üblichen portablen Schonkost, wie sie sonst so häufig auf dem Kamm der Werbewelle von PS3- oder Xbox-360-Gossenhauern surft. Hier steht Virtua Tennis 4 drauf und das ist genau das, was die Spieler bekommen. Wer das actionreiche Tennisspiel auf die Speicherkarte seiner der Vita einlädt, erhält exakt das Spiel, das uns vor neuneinhalb Monaten schon so gut gefallen hat, wenngleich das etwas ausgewogenere Top Spin 4 damals noch knapp die Nase vorn hatte.

Jetzt wäre es natürlich ein Leichtes, euch auf den Virtua Tennis 4 Test vom letzten Mai zu verweisen, was ich in gewisser Weise auch ein bisschen tue, weil ich mich ungern wiederhole. Dennoch sind wir hier noch lange nicht fertig. Sprechen wir über den Erstkontakt mit VT 4, denn der war eines der großen Aha-Erlebnisse meines ganz persönlichen, vorgezogenen Vita-Launches. Wenn man über die Jahre so viel billige Schaufelware erlebt hat, die - teils notgedrungen, weil für eine schwächere Zielplattform entwickelt - weder in Sachen Technik noch Inhalt noch viel mit dem Ausgangsprodukt zu tun hat, dann möchte man sich beinahe die Augen reiben, wenn das Hauptmenü einen auf einmal anstrahlt, als hätte man per Remote Play das Bild der PlayStation 3 auf die Vita gestreamt.

Hier ist wirklich noch jeder Spielmodus dort, wo er auch in der Heimkonsolenversion war - mit Ausnahme der auf Move und Kinect ausgelegten "Motion-Play"-Option. Die wurde auf der Vita durch eine ebenso gimmickartige Sammlung an "Virtua-Tennis-Apps" ersetzt. Hier gibt es etwa eine nett gemeinte, aber etwas fummelige Touch-Tennis-Variante für zwei, ein Ego-Tennis, bei dem ihr euren Blick durch die Bewegung des Handhelds über den Platz schweifen lässt oder einen AR-Fotomodus, bei dem ihr die lizenzierten Tennis-Asse in eurem Wohnzimmer ablichten dürft. Interessanter ist allerdings, dass die komplette Karriere, hier genannt "World Tour", wieder mit von der Partie ist - schon im letzten Mai neben dem ausgereiften Online-Auftritt das Filetstück des Titels.

"Mit den Mini-Games von Virtua Tennis ist es ein bisschen wie beim Drunken Master oder Karate Kid, bei denen die Schüler eingangs auch nicht begriffen, warum ihre Lehrmeister sie jetzt Wassertragen oder Autos waschen ließen."

Schön abwechslungsreich und in einem angenehm Schnellfeuer-Rhythmus baut ihr hier einen eigenen Profi auf, während ihr über eine als Spielbrett strukturierte Weltkarte zieht, soweit oder kurz euch eure ausgewürfelten "Tickets" tragen. Unterwegs nehmt ihr an Turnieren, Fan-Veranstaltungen und den diversen beknackten Mini-Spielen teil, die einem mehr über Tennis beibringen als man zunächst denken würde. Es ist ein bisschen wie beim Drunken Master oder Karate Kid, bei denen die Schüler eingangs auch nicht begriffen, warum ihre Lehrmeister sie jetzt Wasser tragen oder Autos waschen ließen. Spaß macht das Kükensammeln, Tonteller zerdeppern oder Spielen gegen launische Windmaschinen aber immer und wenn's der Charakterbildung dient…

Überraschend ist weiterhin, wie genau das Bild auf den Vita-Courts dem entspricht, das man schon im letzten Frühsommer für seine stabilen 60 Bilder pro Sekunde loben musste. Bildrate und Kantenschärfe nehmen sich nichts, es flutscht schnell, dynamisch und auf einen guten Rhythmus ausgelegt, eben ganz, wie ein Virtua Tennis flutschen muss. Sofort ist man wieder im Geschehen, als hätte zwischenzeitlich keine mehrmonatige Pause oder diese Kleinigkeit von einem Plattformwechsel stattgefunden. Um sicherzugehen, habe ich zwei Akteure in beiden Versionen auf dem Hartplatz-Court antreten lassen und verglichen: Jedes einzelne Randdetail war hüben wie drüben an gleicher Stelle. Gut möglich, vermutlich sogar wahrscheinlich, dass auf der Vita mit weniger Polygonen und nicht ganz so raffinierten Texturen gearbeitet wird. Auf einer Bildschirmdiagonale von 5 Zoll reduzieren sich etwaige Diskrepanzen aber auf einen geradezu bemitleidenswerten Rest eines Zweifels. Gerade in der erhöhten Spielfeld-Totalen müsste man schon buchstäblich mit der Lupe suchen. Wunderbare, verblüffende Arbeit.

Auch der Online-Part wurde frei von Einbußen auf das neue Sony-Gerät herüberkomplimentiert. Erneut stehen euch Ranked Matches und private Sitzungen zur Verfügung und Wartezeiten auf Mitspieler überbrückt der Titel gekonnt mit einer eingeschobenen Partie im Arcade-Modus. Sogar in eurer Karriere machen sich andere menschliche Spieler bemerkbar, denn jedes Mal, wenn ihr die Spielvariante verlasst, wird euer hochgezüchteter Tennis-Crack ins Netz hochgeladen, um sich, von der CPU gesteuert, anderen Spielern in deren World Tour in den Weg zu stellen. Ein netter Zug, der einmal mehr betont, wie nah Vita-Spieler in Zukunft wohl miteinander verwoben sein werden.

Virtua Tennis 4 - Trailer

Unterm Strich beeindruckt Virtua Tennis 4 auf der Vita also mehr als auf Xbox 360 und PlayStation 3. Das ist nicht allein der einstweiligen Konkurrenzlosigkeit des Titels zu verdanken und noch weniger den Touch-Kontrollen, denen ich zugunsten der traditionellen Stick-Button-Kombination schnell den Rücken kehrte. Es liegt vor allem an der Qualität der Konversion, die sich tatsächlich wie das letzte Wort in Sachen Handheld-Umsetzungen anfühlt. Beinahe wundert man sich, dass hier kein Cross-Play zwischen PS3 und Vita angeboten wird. Nachdem es in letzter Zeit, mit Ausnahme von WipEout 2048, wieder etwas verdächtig ruhig um dieses Feature wurde, habe ich durch einen verspäteten eineiigen Zwilling wie VT4 Vita wieder etwas mehr Hoffnung, so etwas in Zukunft vielleicht doch häufiger zu sehen.

Zu guter Letzt steht auch der arcadige, schnelle Tennisspaß mit seinen kurzen Zwei-Punkte-Sätzen und dem Fokus auf unterhaltsamen Mini-Spielen dem tragbaren Spielgerät sehr viel besser zu Gesicht als den stationären Geräten. Bei aller versteckter Spieltiefe, die SEGAs Actiontennis Eingeweihten so freimütig offenbart, ist seine Zwischendurch-Tauglichkeit doch ganz beachtlich. Wenn sich alle Spielehersteller auf dieses Niveau für ihren Handheld-Output einigen, steht der PS Vita eine glorreiche Zukunft als verspielter Alleinunterhalter bevor.

Virtua Tennis 4 erscheint am 22. Februar.

8 / 10

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