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Visions of Mana im Test: Candy Fantasy vom Feinsten. Aber sättigt es auch?

Mit Herz und Schmerz.

Visions of Mana ist kein perfektes Rollenspiel, gerade, wenn man eine tiefgründige Geschichte sowie komplexes Kampfsystem erwartet. Jedoch zeigt das JRPG seinen Charme mit ganz viel Herz und einer einzigartigen Märchenwelt, die man ungern verlässt.

Mit Visions of Mana hatte ich bereits vor diesem Test ein emotionales Auf und Ab, denn die gesamte Mana-Reihe von Square Enix faszinierte mich schon immer, machte mir aber gleichzeitig mit diesem neuen Eintrag nach ganzen 15 Jahren Franchise eine Menge Angst. Ich habe mit Secret of Mana schließlich das perfekte verklärt-nostalgische Mana-Erlebnis bereits hinter mir und möchte es mir nicht durch einen neuen Titel in anderem Stil zerstören. Gleichzeitig habe ich dieses Jahr Sword of Mana nachgeholt und hatte damit eine Menge Spaß.

So stürzte ich mich bereits sehr enthusiastisch in die Vorschau-Version von Visions of Mana und kurz vor Release noch einmal in die Demo auf der PlayStation 5. Nachdem ich bei der Vorschau noch durch die Optik und die witzigen Ideen, wie Honigtropfen oder die Pikul, positiv gestimmt war, enttäuschte mich die Demo etwas: Das gesamte Spielerlebnis schien nicht das kreative neue Mana zu werden, das ich mir erhofft hatte, sondern erinnerte an eine heruntergebrochene Version von Tales of Arise. Nach diesem Vorwort geht es aber endlich zum Test, denn mich erwarteten einige Wendungen:

Mehr von Visions of Mana und dazu, warum ich trotz einiger Kopfschmerzen an vielen Stellen des Spiels so gerne in die neue Welt abgetaucht bin, seht und hört ihr im obigen Video!

Visions of Mana - Im Test

In der Welt von Visions of Mana bestimmt ein besonderer Zyklus die Lebensräume ihrer Bewohner: Jedes Dorf muss alle vier Jahre eine Geweihte zum großen Mana-Baum entsenden, um die überlebenswichtige Lebensenergie zu erhalten. Dabei werden acht Elemente vertreten, die jeweils einem magischen Wesen unterstehen. Diese Wesen bestimmen die entsprechenden Geweihten und diese werden im Anschluss von einem besonderen Wächter zum Baum des Lebens begleitet. Die ehrenvolle Aufgabe des Wächters fällt im aktuellen Zyklus auf Val, einen normalen Jungen aus dem Vulkanenvolk, der sich sofort und mit größter Freude seiner neuen Aufgabe verschreibt. Denn seine Kindheitsfreundin Hina ist die Feuergeweihte, die er dadurch bei ihrer großen Reise begleiten darf. So beginnt das Abenteuer, in dem die Auserwählten auf dem Weg zum großen Mana-Baum einer Menge neuer Freunde und den verrücktesten magischen Figuren, Bossen und Wesen begegnen.

Hat man die Demo bereits hinter sich, erhält Val drei zusätzliche Waffen, was ich zunächst schade fand, denn eigentlich wollte ich auf seinen langsamen Kampfstil verzichten. Zum Glück spielt sich der Protagonist im Verlauf des Spiels zügiger, denn jeder Charakter hat drei unterschiedliche Kampfformen, aber dazu später mehr. Die Geschichte beginnt mit einer anderen Figur, die sogleich ein tragisches Schicksal erfährt, welches Auswirkungen auf die gesamte Handlung hat. Anfangs gefiel es mir, nur eine Figur zu steuern, weil ich den Überblick behielt und viel genauer bestimmen konnte, wo meine physischen und magischen Angriffe landen. Mit zwei Figuren klappt das auch noch ganz gut, aber sobald ein dritter Charakter und große Gegnerhorden dabei sind, werden die Kämpfe gerne mal unübersichtlich. Dabei hilft leider auch die Performance des Spiels wenig, denn das Bild ruckelt auf der PlayStation 5 regelmäßig. Ein Mal stürzte mein Spiel auch ab, aber der Autosave hat mich gekonnt gerettet.

Das Chaos im Kampf ermöglicht euch aber auf der anderen Seite eine Menge Auswahlmöglichkeiten, denn in offenen Arealen kann ich mein Team beliebig einteilen. In der Stadt bin ich an Val als weggebenden Charakter gebunden. Es passt außerdem inhaltlich zur zunächst überfordernden Reise der auserwählten Truppe, die im Verlauf nicht nur weitere, steuerbare Figuren um sich versammelt, sondern auch an jedem Boss charakterlich wächst.

Jede Figur übernimmt in den Kämpfen eine wichtige Rolle, die sich hauptsächlich aus ihren magischen Fähigkeiten ergibt. Val kann beispielsweise das Team unterstützen und durch wechselnde Elemente, die er auf seine Schwerter überträgt, bleibt er flexibel gegen die Resistenzen der Gegner. Carina heilt gerne, wirkt klassische Magie und entkräftet die Gegner somit. Kommt später Palmira ins Team, wird klar, dass die Team-Kombinationen viel Abwechslung bieten, denn Palmira wirkt nicht nur starke Magie, die hohen Schaden austeilt, sobald sie auf eine Schwäche trifft und Flächenschaden verursacht, sondern kann auch ihre Waffen sehr unterschiedlich dazu kombinieren.

Ein besonderes Highlight waren für mich die Artefakte, die die Rüstungen und Waffen der Figuren, wie bei Sailor Moon, in eine neue Klasse verwandeln und so die magischen Attacken der Figuren passend ergänzen. Ein wenig erinnert das alles ans Jobsystem von Final Fantasy, ist aber nicht ganz so komplex. Mit der Verwandlung ändert sich nicht nur das Aussehen, auch die Waffen, die eine Figur nutzt, könnten nicht unterschiedlicher sein: Palmira nutzt beispielsweise im Wasserelement eine Sense, die ihre Flächenmagie unterstützt. Ist sie im Windelement, so hat sie starke Treter, mit denen, die den Nahkampf bevorzugt. Am liebsten nutze ich Palmira aber als DPS, wenn sie im Holzelement ist, denn hierbei schwingt sie einen wuchtigen Streitkolben, der viel Schaden verursacht. Durch ihre starke Magie kann sie so physischen und magischen Schaden gleichzeitig maximieren, vernachlässigt aber dabei wiederum ihre Deckung, was durch ihre Statistikänderung beim Klassenwechsel sichtbar ist. Jede Figur kann so bis zu drei unterschiedliche Formen annehmen.

Eigen- und einzigartiger Mana-Geschmack

Und während das alles komplex klingt, spielt sich Visions of Mana nicht wirklich kompliziert. Man könnte auch auf andere JRPGs, allen voran denen aus der Tales-of-Reihe verweisen, denn daran erinnert das Echtzeit-Kampfsystem viel mehr als an die alten Mana-Klassiker aus den 90ern. Nicht sonderlich tiefgründig, heißt aber nicht, dass das Kampfsystem keinen Spaß machen, denn gerade einige Bosse, die sich später als unerwartete Gefährten für die Welt herausstellten, wussten zu überzeugen. Zusätzlich erkundete ich die Gebiete sehr gerne, weil sie so schön gestaltet waren. Gerade die Architektur der Städte muss man einfach lieben! Die darin versteckten Schätze suchte ich ebenfalls gerne, allerdings sollte man nicht zu viele der semi-offenen Welten aus der Demo erwarten, denn der Fortschritt gestaltet sich eher linear.

Nebenquests habe ich dagegen herzlich ignoriert, weil sie mir belanglos vorkamen und mir die Stimmen vieler NPCs negativ auffielen (siehe Video). Sehr schade war, dass es kaum Anregungen gab, die Pikuls zu benutzen, obwohl die fuchsartigen Reittiere wirklich süß sind. Hinzu gesellen sich unausgeglichene Herausforderungen, ein nerviges Händler-System und generell wirkt alles immer ein bisschen unübersichtlich. Ehrlich gesagt, weiß ich nach 30 Stunden Spielzeit zum Beispiel immer noch nicht, warum ich unterschiedliche Kristalle bedienen muss, um den gleichen Effekt zu erlangen. Alle diese Kritikpunkte beeinflussen den Spielfluss schon etwas negativ, aber sie fallen nicht so stark ins Gewicht, was vor allem am niedlichen Zeichenstil, der dramatischen Geschichte und der bezaubernden Welt liegt, die mit ihren unerwartet surrealen Momenten hängen bleibt.

Emotionen kann Mana einfach sehr gut. Es ist obendrein gut darin, einen in seine eigen- und einzigartige Welt zu entführen, denn wie ihr bereits aus der Geschichte herauslesen könnt, funktioniert diese Welt nach ihren eigenen Regeln. Dachte ich am Anfang noch: "Hä, das hier hat doch gar nichts mit Mana zu tun!", finde ich mich gegen Ende vor dem Bildschirm klebend wieder. Vielleicht sind es die Speicherplätze, die Mana-Adern heißen und mir jedes Mal, wenn ich speichere, das Gefühl geben, Teil dieser Erzählung zu sein. Vielleicht sind es aber auch die kleinen sammelbaren Kakteen oder Niccolo, vielleicht sind es schlicht und einfach die hoch saturierten Farben, die fantastische Architektur, sowie die Vielfältigkeit der Schauplätze oder vereinzelt Charakterdesigns, die ich so noch nie gesehen habe.

Ich bin ebenso fasziniert davon, wie Morley so wirkt, als wäre Howl aus Howls Moving Castle als Katzenmensch wiedergeboren, nur um hier als Ninja für sein Volk zu kämpfen. Seine Ghibli-Charme reiht sich perfekt in den Rest der Welt ein. Ich komme mir vor wie in einer absurden Fabel mit vielen Referenzen, aber immer fühle ich mich wohl und kehre auch gerne in eine solche Welt zurück. Mir wird langsam klar, warum: Trotz Macken spricht Visions of Mana die eindeutige Sprache der Emotionen und vermittelt diese liebevoll an jeder Ecke des Spiels.

Visions of Mana im Test - Fazit

Unübersichtliche Kämpfe, nicht ganz zeitgemäße Optik, fehlende Anreize für wichtige Funktionen - objektiv betrachtet gibt es einiges zu meckern. Visions of Mana schafft es aber dennoch, das Spielerherz mit vielen Emotionen zu berühren - und das regelmäßig und behutsam. Das Zusammenspiel der Geschichte und Figuren mit Architektur, Farben und Musik kommt der Fantasie eines außergewöhnlichen Märchenbuches gleich und auch das bisweilen oberflächliche Kampfsystem unterstreicht diese Eindrücke.

Der Wechsel der Klassen im Kampf sowie die vielen Formen, die man durch und für neue Gefährten freischaltet, ist ein Element, was mir besonders viel Spaß gemacht hat. Das stetige Experimentieren mit Klassen, Magie und Fähigkeiten und die Erkundung der magischen Welt sorgt zudem für Abwechslung und Motivation. Visions of Mana ist zwar nicht das Retro-Mana, was ich mir vielleicht zuerst erträumt habe, aber geträumt habe ich trotzdem - und das in einer zuckersüßen Fantasy-Welt, in die ich gerne noch einige weitere Male zurückkehre.

Visions of Mana
PROCONTRA
  • Eine schöne und einzigartige Märchenwelt, in der man sich sofort und gerne verliert
  • Die Architektur einiger Städte verdient einen Award
  • Musik kommt nicht ganz an die Klassiker ran, unterstreicht die Emotionen im Spiel aber trotzdem sehr gut
  • Das Klassensystem funktioniert dynamisch, macht Spaß und bekommt durch die Verwandlungen einen ganz besonderen Touch
  • Liebenswerte Figuren, die mit der Zeit nachvollziehbar wachsen und viele Emotionen an die Spielenden transportieren
  • Liebevolle Easter-Eggs und Referenzen auf alte Mana-Spiele
  • Kämpfe werden gerne mal unübersichtlich
  • Weder die Geschichte, noch das Kampfsystem ist sonderlich komplex
  • Grafik hat zwar einen schönen Stil, wirkt aber technisch an vielen Stellen veraltet
  • Eigenartige Stimmenwahl bei einigen NPCs, gerade im Englischen auch bei einigen Hauptfiguren
  • Keine Anreize, um sich mit Nebenaufgaben zu beschäftigen oder die eigentlich sehr süßen Pikuls zu nutzen

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