Void Bastards: Wenn System Shock 2 ein Rogue-like wäre - und Shodan ein gleichgültiger Bürokrat ...
"Wir suchten nach einem Grafikstil, der günstig zu realisieren war."
System Shock 2 gilt als Klassiker, viele sehen darin eines der besten Spiele, das sie je gespielt haben. Einen ebenso hohen Stellenwert nimmt das 1999 veröffentlichte Action-Rollenspiel für Jonathan Chey ein. Und das nicht allein, weil er damals daran arbeitete. Chey ist Design Director bei Blue Manchu und veröffentlichte letztes Jahr Void Bastards. Ein Spiel, das sich folgende Fragen stellt: "Was, wenn System Shock 2 ein prozedural generiertes Rogue-like wäre? Und was, wenn Shodan ein gnadenloser und gleichgültiger Bürokrat wäre, statt eine schurkische KI, die nach der Weltherrschaft strebt?"
"In vielerlei Hinsicht baut Void Bastards auf Ideen aus System Shock 2 auf", erzählt er mir. "Ideen, von denen wir glaubten, sie wären dort nicht in Gänze ausgeschöpft worden. Wir fragten uns, ob ein Metagame mit mehr Freiheiten es uns ermöglicht, tiefer in dieses Moment-to-moment-Gameplay aus Shock 2 einzutauchen. Das tat es, wie sich herausstellte!"
Vor mehr als vier Jahren begann die Arbeit an dem Spiel, das im letzten Jahr erschien und von dem Alex in damals (Void Bastards Test) recht angetan war. In Vollzeit arbeiteten die Macher in all diesen Jahren indes nicht an dem Projekt. "Wir hatten eine langsame Anfangs- und Konzeptphase", merkt Chey an. "Das Gameplay veränderte sich während der Entwicklung kaum, wir haben viel iteriert."
Anders sieht das bei der Geschichte des Spiels aus, die "nicht mehr wiederzuerkennen" sei: "Es begann als generische Sci-Fi-Geschichte in einer düsteren Zukunftswelt und am Ende kam dabei eine schwarze Komödie heraus", erzählt er. Vom Vorgängerspiel Card Hunter nahm Blue Manchu dabei wenig für Void Bastards mit.
"Sie haben nicht viel gemeinsam und wir zogen nicht viele Lektionen daraus", erläutert er. "Eine wichtige Schlussfolgerung gab es aber schon: Kleine Indie-Teams sollten sich vielleicht nicht an persistenten Online-Spielen versuchen, wenn sich nicht bis drei Uhr in der Nacht aufbleiben möchten, um die AWS-Dienste neu zu starten."
Das Schlüsselelement für Void Bastards ist die prozedurale Generierung. "Es ist keine Wunderwaffe, vielmehr ein Werkzeug, das du überlegt und vorsichtig einsetzt", erklärt Chey. Es bestehe die Gefahr, dass sich so erstellte Inhalte langweilig oder künstlich anfühlen. Daher verzichtete das Team zum Beispiel beim Aufbau der Raumschiffe darauf, das Zufallselement hätte ansonsten unter Umständen zur unlogischen Anordnungen geführt, indem das System zum Beispiel den Antrieb an der Spitze platziert.
Dabei die richtige Balance zwischen anspruchsvoll und zugänglich zu finden, ist keine einfache Aufgabe. "Ich denke, in den letzten 20 Jahren gab es dahingehend gewaltige Fortschritte", erzählt er. "Entwickler haben herausgefunden, wie sie die Komplexität ins Gameplay stecken, ohne dass das Interface zu kompliziert ausfällt."
Void Bastards nutzt hier zum Beispiel einfache Interaktionen mit der Umgebung - drückt einen Knopf -, um komplexere Vorgänge durchzuführen. Durch einen simplen Tastendruck aktiviert ihr unter anderem einen Warp-Raum, der darin befindliche Feinde in andere transformiert. "Wir versuchen immer, das Beste aus beiden Welten zu erreichen", merkt Chey an. "Komplexes Gameplay, das sich aus einfachen Interface-Elementen ergibt. Keinem gefällt es, sich übermäßig komplexe Controller- oder- Tastaturbelegungen zu merken. Okay, einige Leute machen das gerne, aber wir nicht."
Als Project Manager war Chey einst an System Shock 2 beteiligt, ebenso an Titeln wie BioShock, SWAT 4 oder Freedom Force. Spiele, in denen es um Freiheiten für die Spieler geht. Anders gesagt: er kennt sich damit aus. Umso weniger überrascht es, dass Void Bastards von Anfang an auf diesen Aspekt ausgerichtet war. Der Comic-Look resultiert indes zum einen aus dem Wunsch nach einem einzigartigen Look für das Spiel.
Zum anderen gab es einen profaneren Grund, darauf aufzubauen: "Wir suchten nach einem Grafikstil, der günstig zu realisieren war", sagt er. "Dabei ging es vor allem um eine Möglichkeit, Feinde zu generieren, die ohne geskinnte 3D-Meshes auskommen. Die sind einfach zu teuer für ein Indie-Team. Daher fiel unsere Wahl auf 2D-Sprite-Gegner. Und das brachte uns am Ende auf die Idee eines linienbasierten Grafikstils, der dafür sorgt, dass sich das gesamte Spiel wie ein Comic anfühlt und so aussieht."
Insgesamt verlief die Entwicklung Chey zufolge weitestgehend reibungslos. "Ich habe gute Erinnerungen daran", merkt er an. "Nichts Schlimmes ist passiert! Verglichen mit Card Hunter lässt mich das gut aussehen. Ich erzähle dir lieber nicht die Geschichte, als ich jedes Nutzerpasswort in 'password' änderte ..." Ein wenig komplizierter machte es die Tatsache, dass die Entwickler über drei Kontinente hinweg verstreut sind. Ein Projekt über Australien, Großbritannien und Kanada hinweg zu organisieren, sei nicht einfach. Mittlerweile sei man aber daran gewöhnt.
"Die größte Herausforderung war, wie wir das Spiel vermarkten und wie der Vertrieb läuft", sagt er. "Arbeiten wir mit einem Publisher zusammen? Veröffentlichen wir es auf mehreren Plattformen? Machen wir es zu einem Exklusivtitel auf Konsolen? Diese Fragen sind schwer zu beantworten und machen dich nervös. Am Ende hängt der Erfolg deines Spiels davon ab, ob du die richtigen Entscheidungen triffst."
Crunch habe es während der Entwicklung "nicht wirklich" gegeben. "Zum Ende der Entwicklung hatten wir ein paar Überstunden, als wir uns mit den letzten Builds und der Zertifizierung beschäftigten", sagt Chey. "Im Großen und Ganzen gab es aber kaum welche. Das ist ein Luxus, den wir als kleines, selbstfinanziertes Indie-Studio haben."
Gänzlich zufrieden ist er mit seinem Projekt nicht, aber welcher Entwickler ist das schon? Es gibt so einige Dinge, die er gerne hinzugefügt hätte: "Mehr Feinde, mehr Schiffe, mehr Merkmale, mehr von allem!", führt er aus. "Aber ich denke, wir haben in puncto Umfang die richtigen Entscheidungen getroffen. Ansonsten wären wir noch mit der Arbeit am Spiel beschäftigt und hätten keine Zeit für Interviews und DLC."
Im Gegensatz zu anderen Spielen sammelt Void Bastards keine Daten - "wir nehmen die Privatsphäre ernst", merkt er an -, daher sei es schwierig, bis ins letzte Detail zu sagen, was den Spielern gefiel und was nicht. "Aber ich habe das Gefühl, dass das Spiel auf dem normalen Schwierigkeitsgrad nicht schwer genug ist und das wir hinsichtlich der Munition ein wenig zu großzügig sind. Ohne solide Daten ist das aber schwierig zu sagen."
Gleichzeitig nimmt er einige Lektionen für die Zukunft mit: "Ich verstehe jetzt viel besser, wie schwierig die Entwicklung von Rogue-likes ist", erklärt er. "Ein Rogue-like ist dann großartig, wenn es einen hohen Wiederspielwert hat. Was das betrifft, hätten wir es besser machen können." Seit seiner Veröffentlichung hat das Spiel eine Reihe von Updates erhalten, die sich mit diesem Punkt beschäftigten. Es kamen neue Herausforderungsmodi hinzu, ebenso ein DLC mit neuen Inhalten.
Erhältlich ist das Spiel bis dato für den PC und die Xbox One. Ist eine Veröffentlichung auf Switch und PlayStation 4 realistisch? "Das hoffen wir!", sagt Chey dazu. Eine direkte Fortsetzung von Void Bastards ist indes unwahrscheinlich. "Ich denke nicht, dass wir eine machen. Aber wir lieben dieses Universum, daher siehst du vielleicht eine andere Art von Spiel in dieser Welt."