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Wäre die PlayStation 4 doch nur abwärtskompatibel - Diskussion

Benjamin und Frank unterhalten sich über das Für und Wider alter Disks und Downloads in Next-Gen-Konsolen

Hinter den Kulissen von Eurogamer diskutieren wir leidenschaftlich über die neuesten Entwicklungen in der Branche. Meist fließen die Pro- und Kontra-Argumente in einen Kommentar-Artikel ein. Diesmal dachten wir uns, lassen wir euch an der "Rohfassung" teilhaben. Es geht um das Thema: Abwärtskompatibilität der PlayStation 4. Darüber haben sich Benjamin und Frank Gedanken gemacht.

Frank:

Björn hat in seinem Artikel zur digitalen Zukunft einen interessanten Punkt angesprochen. Physische Datenträger sind so schnell nicht wegzudenken. Dem stimme ich zu. Doch was habe ich von den ganzen Disks im Handel oder in meinem Regal, wenn ich sie irgendwann mangels Hardware nicht mehr benutzen kann?

Damit kommen wir zu einer Frage, deren Antwort alles andere als simpel ist: Wenn einer noch keine PlayStation 3 zu Hause stehen hat, lohnt sich dann noch der Kauf alter Hardware oder sollte derjenige bei der nächsten Generation zuschlagen?

Das wäre leicht zu beantworten, wenn die Spiele für PlayStation 3 auch auf der PS4 problemlos liefen. Aber das tun sie nicht. Weder die PS3-Disks will die neue Konsole schlucken, noch sollen die alten Downloadspiele laufen. Abhilfe wird mittels Emulation und Gaikai versprochen, doch wer weiß, welche Titel irgendwann einmal den Weg auf die PlayStation 4 finden?

Das bringt in meinen Augen immense Nachteile mit sich: Erstens gibt es eine ganze Palette an Exklusivtiteln, die man günstig als PS3-Disk kaufen kann und die vielleicht der ein oder andere gerne gespielt hätte. Das HD-Remake von Shadow of the Colossus zum Beispiel oder die Uncharted-Reihe, oder Heavy Rain, LittleBigPlanet, Metal Gear Solid 4, Journey, Ni no Kuni: Der Fluch der weißen Königin, oder die God-Of-War-Reihe. Neuere Spiele wie The Last of Us werden vermutlich per Gaikai verfügbar. Aber ältere Titel?

Auf dem Weg von der ersten PlayStation bis zur PS4 blieb die Abwärtskompatibilität langfristig auf der Strecke.

Und was ist mit den Zeitgenossen, die bereits eine PS3 und einen Berg von Spielen besitzen und deren Konsole sich irgendwann wegen eines Defekts verabschiedet? Klar. Kann man reparieren oder eine gebrauchte Konsole kaufen. Ärgerlich ist es trotzdem, dass man dann theoretisch einen Haufen nutzloser Software herumliegen hat, nur weil die PS4 nicht abwärtskompatibel ist.

Benjamin:

Eine hardwareseitige Abwärtskompatibilität hat jedenfalls für mich auf den Konsolen keine Zukunft mehr.

Nutzlose Software hat man allerdings auch, wenn das alte SNES, der GameCube oder die Dreamcast den Geist aufgeben. Wenn ich mir die alten 3,5-Zoll-Disketten von Pirates Gold! hier im Keller anschaue, kann ich damit aktuell - unter anderem mangels Diskettenlaufwerk - ebenfalls nichts mehr anfangen. Sicher, es gibt auf dem PC Programme wie DOSBox, die es einem ermöglichen, ältere Titel zu spielen, aber grundsätzlich kann man selbst auf dem PC nicht einfach so seine Klassiker von früher einlegen und mit einem Klick starten.

Eine hardwareseitige Abwärtskompatibilität hat jedenfalls für mich auf den Konsolen keine Zukunft mehr. Sicherlich ist das auch ein Stück weit von der jeweiligen Plattform und ihrer Architektur abhängig, aber gerade bei der komplizierten Struktur der PS3 wäre es nötig, in der PlayStation 4 extra noch einmal die PS3-Hardware zu verbauen, um überhaupt eine einwandfreie Kompatibilität zu PS3-Spielen gewährleisten zu können. Ansonsten müssten die Hersteller ihre Spiele aufwendig via Patch anpassen, damit sie auf der PS4 laufen, was Zeit und Geld kostet. Und da die Kunden natürlich erwarten, dass das dann gratis wäre, wird das nicht passieren.

Die Implementierung zusätzlicher Hardware würde außerdem die Produktions- sowie letzten Endes auch die Verkaufskosten erhöhen. Ich bezweifle jedoch, dass die Mehrheit der Kunden für die PlayStation 4 deutlich mehr zahlen würde - man müsste wohl mit mindestens 100 Euro mehr rechnen -, nur um darauf auch PS3-Spiele zocken zu können. Ich weiß jedenfalls, dass ich als Kunde nicht dazu bereit wäre.

Journey ist eines jener Spiele, für die sich die Anschaffung einer alten PS3 lohnen könnte.

Natürlich besteht theoretisch die Möglichkeit, dass man eine ganz bestimmte Produktionsreihe damit ausstattet und sozusagen als Premium-Modell anbietet, aber Sony will nach dem Preisschock zum PS3-Launch - wozu sicher auch die hardwareseitige Abwärtskompatibilität ihren Teil beitrug - einen möglichst niedrigen Preis haben. Und das ist eben nur ohne Abwärtskompatibilität in Hardware-Form machbar.

Frank:

Mir gefällt die Idee einer Premium-PS4 mit Abwärtskompatibilität. Der Platz unter meinem Fernseher ist knapp, da käme mir so etwas gerade recht. Doch für Sony würden sich die zusätzlichen Kosten für die Entwicklung der Hardware und deren Herstellung nicht rentieren - schon klar. Wobei ich liebend gern die alten Spiele mit dem neuen PS4-Gamepad zocken würde. Mit dem DualShock 3 wurde auch ich nie warm.

Bleibt also nur der Kauf einer gebrauchten PS3, wenn man dereinst die Klassiker zocken möchte, die nicht für die PS4 virtualisiert wurden. Eine alte PlayStation 2 bekomme ich auf eBay oder Amazon problemlos für unter 40 Euro. Für ein NES- oder SNES-System müsste man schon tiefer in die Tasche greifen, wenn man kein Auktionsglück hat.

Otto Normalzocker will das ganze Geraffel und den Kabelsalat in seinem Wohnzimmer nicht.

Doch was soll das für eine langfristige Lösung sein, sämtliche Altkonsolen horten zu müssen? Das mag für einen echten Videospiel-Fan infrage kommen, schließlich geben auch andere Leute Unsummen für ihr Hobby aus und opfern jeden Quadratzentimeter ihrer Wohnung dafür. Aber Otto Normalzocker? Der will das ganze Geraffel und den Kabelsalat in seinem Wohnzimmer nicht und greift vermutlich zu illegalen Emulatoren. Darum sind Projekte wie die Ouya-Konsole zugleich Warnschuss und Argument für mehr Abwärtskompatibilität, oder zumindest eine konsequentere Überführung des gewaltigen PlayStation-Spiele-Fundus in eine rein digitale Form. Ganz gleich ob emuliert oder gestreamt, die Nachfrage ist da. Und das gilt nicht nur für Triple-A-Titel. Sonst müssen künftige Generationen eines Tages in ein Museum gehen, um die geheimen Perlen unserer Kindheit kennenzulernen.

Benjamin:

Im Allgemeinen sollte man aber doch, wenn man denn erst einmal vornehmlich alte Spiele zocken will, eher zum alten Gerät greifen. Ich glaube auch nicht, dass der Otto Normalzocker oder Gelegenheitsspieler wirklich scharf auf Abwärtskompatibilität ist, denn der kauft sich die neue Konsole schon eher, um darauf auch die neuen Spiele zocken zu können, die ihn mit ihrer zehnmal besseren Grafik und den ganzen neuen Features vom Bildschirm aus anstrahlen. Und wer wirklich vornehmlich an älteren Titeln interessiert ist, wäre mit einer älteren, günstigeren Konsole schlicht und ergreifend besser und billiger dran. Umsteigen kann man später immer noch - und dann vielleicht sogar günstiger als zum Launch.

Dank Streaming werden auch einige Klassiker ihren Weg auf die PlayStation 4 finden. Fragt sich nur, welche es sein werden.

Andererseits sind die digitale Distribution, etwa über Nintendos Virtual Console, oder das auf der PlayStation 4 geplante Cloud-Streaming älterer Titel sicherlich interessante Alternativen zur hardwareseitigen Abwärtskompatibilität, wenn man denn Klassiker nachholen oder gar noch einmal spielen möchte. Nur stellen sich Besitzer dieser Klassiker in dem Fall dann folgende Frage: Will ich auf dieser neuen Plattform dafür noch einmal zahlen?

Und nicht jeder Klassiker fühlt sich gleich gut an. Ich spielte Halo damals auf dem PC und kaufte mir später noch einmal die Xbox-Version, um es auf der Xbox 360 auszuprobieren. Dabei hat mich jedoch sofort die Tatsache abgeschreckt, dass ich es darauf nur in 4:3 spielen konnte. In dem Fall war ich für das später veröffentlichte und beispielhafte HD-Remake sehr dankbar, wofür ich auch gerne wieder Geld investiert habe. Sicherlich eine weitere Möglichkeit, Klassiker zurückzubringen, auch wenn man sagen muss, dass HD-Remakes sich nicht bei jedem Titel lohnen und eher in Ausnahmefällen veröffentlicht werden.

Insofern glaube ich, dass sich das Cloud-Streaming wirklich als Zukunftslösung für die Abwärtskompatibilität durchsetzen könnte. Wenn man erst mal ein solches System etabliert hat, kann man es auf nachfolgende Plattformen und auch auf andere Geräte erweitern, ohne dass der Kunde dafür selbst viel tun muss. Der drückt lediglich vor dem Fernseher seine Knöpfchen auf dem Controller und erfreut sich unabhängig von der Plattform an den Klassikern.

Frank

Was das Cloud-Streaming angeht, sind wir einer Meinung. Mir kommen da noch Re-Releases in den Sinn. Bei Shadow of the Colossus war die PS3-Version in HD zum Beispiel ein echter Sprung in Sachen Bildqualität und Framerate, verglichen mit der PS2. Oder Perfect Dark vom N64, das sehr vom zweiten Analogstick und der HD-Auflösung profitiert.

Vielleicht stellt sich die Frage nach der Abwärtskompatibilität in Zukunft auch gar nicht mehr, weil die Konsolen wieder stärker in Richtung PC-Architektur tendieren. Wenn die Nachfolge-Konsole diesem Trend treu bleibt, wäre es kein Problem, alte Titel per Patch kompatibel für die neue Generation zu machen. Wäre doch toll, wenn Spiele für PS4 auf einer PS5 mit höheren Frameraten zu neuen Ehren kommen. So oder so - man darf gespannt sein, wie sich das entwickelt.

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