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Wanted: Dead im Test – Ich habe zu 99 Luftballons getanzt und zensierte Kettensägen-Action gefeiert

Völlig aus der Zeit gefallen?

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Coole Mischung aus Slasher und Shooter mit schwachem Leveldesign, aber tollem Kampfsystem und sympatischen Anspielungen auf vergangene Jahrzehnte.

Gut, ich selbst habe natürlich nicht getanzt. Hannah Stone war das, Mitglied der Polizei in Hong Kong und schwertschwingende Protagonistin von Wanted: Dead. Genauer gesagt gehört sie der so genannten Zombie-Einheit an: ehemalige Gefangene, die als hart durchgreifender Spezialtrupp eine zweite Chance erhalten. Und durchgreifen, das tut man hier, wenn man oft mit Sturmgewehr oder Schrotflinte, meist aber mit scharfer Klinge Dutzende Bösewichte entzwei beziehungsweise vom Leben trennt.

Einen Liebesbrief an die Ära von PS2, Xbox, GameCube und Dreamcast nennen die Entwickler ihren Retro-Cyberpunk-Kracher – Entwickler, die sich mit Ninja Gaiden und Dead or Alive ihre Sporen verdient und später als Valhalla Game Studios (Devil’s Third) selbstständig gemacht haben, um vor zwei Jahren schließlich in Soleil (Valkyrie Elysium) eingegliedert zu werden. Wenn Wanted: Dead also aussieht wie ein antiker B-Movie, dann hat das System. Es kramt nämlich ganz bewusst alles Olle der Achtziger und Neunziger hervor sowie eine Art Action, wie man sie zur Jahrtausendwende kannte.

Zunächst mal ist Wanted: Dead ein recht gewöhnliches Actionspiel, in dem Fern- und Nahkampf allerdings nahtlos zusammenkommen. Meist wird Hannah dabei von ihren Begleitern tatkräftig unterstützt. (Wanted: Dead - Test (PC))

Und meine Güte, ist das ein Spaß! Denn wenn Hannah nicht gerade auf Mission ist, streift sie in aller Ruhe durchs Polizei-Hauptquartier, wo Kollegen Phrasen dreschen wie: „Es ist nicht leicht, am Empfang zu arbeiten!“ und ihr der klassisch cholerische Boss lautstark die Leviten liest. An der Jukebox hat man die Wahl aus Covern diverser Songs von KISS oder Donna Summer, gesungen von Quiet-Darstellerin Stefani Joosten, während man in einem Rhythmusspiel das Nudelessen übt, am Spielautomaten ein verkapptes R-Type zockt und sich am Greifautomaten Plüschtiere angelt. Als ich den mehrmals getreten habe (weil’s geht), ist eine der Figuren sogar von selbst schon in die Auslage gefallen. Was will man denn bitte mehr?

Wanted: Dead versprüht ein anachronistisches Flair, das ich unglaublich charmant finde. Dabei bin ich mir bis jetzt noch nicht sicher, ob die monoton aufgesagten Texte aller Charaktere einschließlich Hannah selbst mit voller Absicht oder nur aus Versehen so rezitiert wurden. Die Filmszenen enthalten jedenfalls diese altmodische Sperrigkeit, bei der Charaktere gefühlt nie direkt aufeinander reagieren, sondern immer so klingen, als ob sie ihre Zeilen in voneinander getrennten Räumen aufsagen.

Ich denk' mir das ja nicht aus! (Wanted: Dead - Test (PC))

Gleichzeitig wirkt das Ganze aber auch nie so richtig alt. Immerhin sind sämtliche Figuren samt ihrer auf die Stirn gravierten Stereotype sowie vor allem Hannahs betont schweizerischer Dialekt und ihre coole Attitüde viel zu gezielt getroffen, als dass ich den Entwicklern ein grundsätzliches Danebenschießen unterstellen würde. Gerade Frau Stone ist mir nach einigen Stunden sogar ans Herz gewachsen, weil mir ihre unterkühlte Zurückhaltung sehr sympathisch ist…

… und weil sie natürlich auch im Einsatz so manches auf dem Kasten hat. Ich will euch nichts vormachen: In vielerlei Hinsicht ist Wanted: Dead ein sehr überschaubarer Actioner mit gar nicht mal so langen Levels, in denen man sich stets an denselben Wänden entlang schlaucht und immer die gleichen Widersacher niedermacht. Zumindest gibt es an jedem Schauplatz gerade mal zwei, drei Gegnertypen, die in unterschiedlich großen Gruppen angespawnt kommen. Am Ende wartet ein Boss, danach geht’s zurück in die Polizeistation.

Wenn gerade kein Einsatz ist, vertreibt sich das Zombie-Squad die Zeit im Hauptquartier oder auch mal in einer Spielhalle. (Wanted: Dead - Test (PC))

Manchmal trifft sich die Zombie-Einheit auch in ihrem Lieblings-Diner „Atomic Hearts“ (!) oder zum Rhythmus-Karaoke mit 99 Luftballons – was hab‘ ich das gefeiert. Außerdem sieht man Hannah (zum Glück ohne voyeuristisch glotzende Kamera) regelmäßig duschen und sich mit ihrer quirligen Katzenfreundin vom Schießstand unterhalten. Dank einem guten Händchen für solche Kleinigkeiten bekommet es Soleil erstaunlich gekonnt hin, dass man die Leute ein wenig kennenlernt und sich deshalb für ihre Geschichte sowie Hannahs in Anime-Sequenzen erzählte Flashbacks interessiert.

Aber ich schweife ab. Der Punkt ist: Hannah langt sowohl mit Bleiverteiler als auch mit scharfer Klinge mächtig zu. Die Älteren unter euch mögen sich vorstellen, Bungie oder Rockstar (wer hält da eigentlich die Rechte?) hätte Oni dann doch mal eine Fortsetzung gegönnt. So fühlt sich das hier an. Nahtlos schmeißt man aus der Deckung heraus Granaten und verteilt Kopfschüsse, um einen heranstürmenden Gegner per rechtzeitigem Block aus dem Gleichgewicht zu kontern. Der Deckungsshooter ist nie perfekt, der Übergang zum Nahkampf dafür fließend und das Schießen ohnehin mehr Ergänzung als zentrales Element.

Besonders wenn sich die Gesundheit dem Ende neigt, kann das Aufsuchen von Deckung hilfreich sein. (Wanted: Dead - Test (PC))

Meist stürzt sich Hannah schließlich mitten ins Getümmel, kombiniert Schwertstreiche mit Pistolenschüssen aus nächster Nähe, weil Letztere nicht zum normalen Ballern gehören, sondern über eine separate Taste ausgelöst werden – eine coole Idee, um die Handfeuerwaffe in die Kombos einzubinden, zumal sie damit auch besonders gefährliche Attacken kontert, die man sonst nicht abwehren könnte. Klasse außerdem, dass man Granaten direkt vor Hannahs Füße werfen kann. Klingt nicht ungewöhnlich? Stimmt. Weil man die Sprengkörper dafür aber nicht normal schmeißt, sondern über eine separate Aktion fallenlässt, fühlt sich das nach einem lässigen, ganz bewusst ausgelösten „Eat this!“ an, bevor man in Sicherheit sprintet, um die Explosion aus sicherer Entfernung zu begutachten.


Das für PC sowie alle aktuellen Sony- und Micrososft-Konsolen erhältliche Wanted: Dead wird unter anderem in den folgenden Stores verkauft:


Köpfe rollen, Körper werden entzweit, Blut spritzt in rauen Mengen und wenn man eine Kettensäge findet, steht ein albernes „zensiert“ über dem maschinellen Trennvorgang. Und dann sind da noch die Finisher, bei denen Hannah den Bösewichten nicht nur eine Kugel verpasst, sondern sich vorher noch auf deren Brust kniet, bevor sie abdrückt. Oder sie hält die Geschlagenen am Schwert aufgespießt fest, bevor sie sich für den finalen Kopfschuss in Position bringt.

Man kann die Gegner sogar vorbereiten, genauer gesagt mehrere von ihnen nacheinander so weit herunterkämpfen, dass man beim Auslösen eines Finishers dann nicht nur den aktuellen, sondern gleich alle präparierten Fieslinge vollautomatisch ins Jenseits schickt. Ich sag‘ euch, es ist unverschämt befriedigend, wenn Hannah auf diese Art gleich fünf, sechs oder mehr von ihnen aussortiert!

Einen der vielen stylischen Finisher zu wählen, fiel mir wirklich nicht leicht. Da die No-Look-Kopfschüsse aber zu den coolsten gehören... (Wanted: Dead - Test (PC))

Nun kann das Kämpfen manchmal frustrierend sein – nicht wegen des angenehm knackigen Schwierigkeitsgrads oder weil man überlegt vorgesehen sollte, anstatt gedankenlos beliebige Angriffstasten zu malträtieren, sondern weil einige besonders hartnäckige Widersacher und Bosse erst auftauchen, nachdem man eine größere Gegnerwelle beseitigt hat. Sprich, die Checkpunkte befinden sich oft recht weit vor der eigentlichen Herausforderung. Das hat mir zwar nicht den Spaß geraubt, aber ich wünschte, einige der Speicherpunkte wären mit etwas mehr Nachsicht gesetzt worden.

Ärgerlich finde ich schließlich, dass die Steam-Version keine Cloud-Saves unterstützt, denn damit muss man entweder manuell Spielstände kopieren oder kann eben nicht ohne weiteres zwischen PC und Steam Deck wechseln. Das ist umso bedauerlicher, da das Spiel bei niedrigsten Einstellungen mit 40 Bildern pro Sekunde sehr anständig auf Valves Handheld läuft.

Wanted: Dead im Test – Fazit

Alles in allem finde ich hier abseits der mitunter ärgerlichen Schwierigkeitsspitzen und dem ausgesprochen einförmigen Leveldesign aber nichts zu meckern. Natürlich wird sich Wanted: Dead weder für seine Erzählkunst noch über das Kampfsystem ins kollektive Gedächtnis einbrennen. Trotzdem macht es gerade die Sache mit der Action verdammt gut. Auf jeden Fall hatte ich damit bis zuletzt meinen Spaß und konnte mich besonders an den filmreifen Finishern gar nicht sattsehen, während mir die unterhaltsamen Minispiele die Zeit im Hauptquartier versüßt haben. Kurz: Wenn ihr nicht auf Kriegsfuß damit steht, dass Wanted: Dead ganz bewusst und mitunter womöglich ohne Absicht etwas aus der Zeit gefallen scheint, dann kann ich euch Hannah Stones blutverschmiertes Gesicht nur ans Herz legen.

Wanted: Dead - Wertung: 8/10

Pro und Contra

Pros:

  • Nahtloses Zusammenkommen von Nah- und Fernkampf
  • Erfordert schnelles, überlegtes Vorgehen und bestraft Button-Mashen
  • Coole Finisher – wenn man es hinbekommt, bei mehreren Gegnern gleichzeitig
  • Eine Hand voll Minispiele, auch vom Hauptmenü aus verfügbar
  • Eigenwillige, aber sympathische Hauptfigur

Contra:

  • Weder Level- noch Gegnerdesign gewinnen, gelinde formuliert, einen Preis
  • Einige sehr schwere Gegner mit relativ weit davor gesetzten Checkpunkten
  • Kleine Fehler wie manchmal übereinander laufende Musik im Hauptquartier

Entwickler: Soleil - Publisher: 110 Industries - Plattformen: PC, Xbox Series X/S, Xbox One, PlayStation 5, PlayStation 4 - Release: 14.02.2023 - Genre: Hack & Slash, Shooter - Preis (UVP): knapp 48 Euro (Epic), knapp 55 Euro (PlayStation Store), knapp 59 Euro (Steam), knapp 60 Euro (Microsoft Store)

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