Warface - Jeden Tag ein neuer Einsatz mit Freunden
"Get to the Chopper!" - CryEngine 3 treibt den Free-2-Play-Shooter der Yerli-Brüder an, aber Koop soll ihn am Laufen halten
Déjà-vu irgendwer? Mehrspieler-Action? Free-to-play? Schon sehr erfolgreich in Russland (über 3 Millionen User, mehr als 50.000 Spieler gleichzeitig)? Großer Entwicklungsaufwand (100 Entwickler, zwei Jahre), Launch im Westen steht vielleicht noch in diesem Jahr vor der Tür? Anmeldung zur geschlossenen Beta läuft schon auf der offiziellen Seite? Martialischer Auftritt mit riesigem Transport-Heli auf der diesjährigen Gamescom?
Warface hätte bei dieser Faktenlage eigentlich auch ein Titel von Wargaming.net sein können. Ist es aber nicht. Der Shooter kommt von Cryteks Ableger in Kiew und soll den Free-to-play-Markt genauso fundamental aufmischen, wie die Kollegen aus Weißrussland das seinerzeit mit ihren Panzern hinbekommen haben. Diesmal will man Vollpreis-Blockbuster-Qualität und Gratis-Gameplay verbinden. Klingt ambitioniert, doch den Yerli-Brüdern ist es offenbar ernst mit der Idee, denn unter der Haube von Warface werkelt jene CryEngine 3, die auch Crysis 3 zu grafischer Opulenz verhalf. Rein technisch katapultiert das den Titel also schon einmal in Tripple-A-Gefilde. Trotzdem soll der Shooter auch auf älteren Maschinen flüssig laufen.
Neben dem erwartbaren PvP mit Capture the Flag, Deathmatch, Team Deathmatch, Free-for-all, Destruction, etc. ragt hier besonders der Koop-PvE-Modus aus der Shooter-Konsens-Soße heraus. Fünf Kameraden unterschiedlicher Klassen (Sniper, Medic, Engineer, Rifleman) kämpfen sich darin durch Einsätze, deren Abschnitte immer wieder neu zusammengewürfelt werden.
Auf diese Weise soll es täglich eine neue Mission mit diversen Unter-Zielen geben, die man zwei Tage lang regulär oder exklusiv am Erscheinungstag in einer harten Variante für doppelte Belohnungen durcharbeiten kann, so oft man will. Danach werden die Abschnitte neu zusammengesetzt und der alte Einsatz fliegt aus der Liste. Im schwierigen Modus ist unter anderem Friendly-Fire aktiviert, weshalb man besonders umsichtig vorgehen sollte. Eine einzige, falsch platzierte, Claymore kann da das ganze Team auslöschen.
Wer getroffen zu Boden geht, segnet binnen 15 Sekunden das Zeitliche und braucht daher unmittelbare Hilfe vom Medic oder muss eine seiner so genannten "Coins" einsetzen, mit denen er sich ein Extraleben erkaufen kann. Ansonsten wartet er als Zuschauer darauf, dass seine übrigen Team-Mitglieder den jeweiligen Abschnitt beenden, worauf automatisch die Verblichenen ins Leben zurück kehren. Sind hingegen alle Kameraden tot, ist der Drops gelutscht und die Mission gescheitert.
"Extraleben erkaufen" ist übrigens durchaus wörtlich gemeint, schließlich soll sich das Spiel über den Cashshop finanzieren. Doch auf zwei Punkte legen die Entwickler dabei wert. Erstens gibt es jeden Tag beim Einloggen ein paar Coins für Lau (ob man sie horten darf, ist allerdings noch nicht fix), zweitens wird sich wohl kaum jemand beschweren, wenn der Kollege sein Geld in Wiederbelebungs-Maßnahmen steckt, die dem ganzen Team zugute kommen. Man wolle die Spieler auf keinen Fall durch den Cashshop vergrätzen, betonen die Macher bei Crytek.
Ihr könnt euch in diversen Ranglisten mit anderen Spielern messen, sei es auf Zeit, wer die meisten Headshots oder Heals erzielt hat oder ähnliches. Quasi Koop-PvE mit Wettbewerbs-Charakter. Wer sich hier gut platziert, verdient Punkte, mit denen er besonders schicke Waffen freischalten kann. Ansonsten verdient ihr während eurer Einsätze regulär Spielgeld, mit dem ihr euren Kämpfer nach allen Regeln der Kunst aufmotzen dürft. Die Rüstungen, Waffen und Modifikationen wirken sich dabei nicht nur spielerisch, sondern auch optisch an eurem Soldaten aus.
Es gab beim Testspiel in den brasilianischen Slums einige weitere Details, die zu gefallen wussten. Bei der Waffenwahl könnt ihr zum Beispiel binnen Sekunden auf einen Schießstand wechseln, die frischen Bleispritzen ausprobieren und seid einen Klick später wieder im Menü. Ladezeiten gibt's dabei keine. Ihr dürft sogar jederzeit während der laufenden Runde eure Waffen modifizieren.
Manche Wände im Spiel lassen sich nur zu Zweit erklettern. Ein Spieler muss dabei die Räuberleiter machen, während ihm der andere auf die Hände steigt, um sich an dem Mauervorsprung hochzuziehen. Per Handzeichen kann der untere Spieler die Anzahl an Kameraden anzeigen, die nach oben kraxeln dürfen, bevor er selbst von den Kollegen hochgezogen wird. Aus der Egoperspektive wirkt das Manöver unheimlich authentisch. Nicht minder natürlich wirkt das "Sliden", durch das man in vollem Lauf in Deckung rutschen oder Gegner umwerfen kann.
Während des Einsatzes gibt es immer wieder geskriptete dramatische Momente. Mal müsst ihr euch zurückfallen lassen und gegen heranrollende Tanks verteidigen, mal wird das Team von einem Hubschrauber unter Beschuss genommen oder sitzt selbst im Transporthubschrauber und verteidigt sich durch Schießscharten gegen Bodentruppen. Ein anderes mal sollt ihr einen Panzer eskortieren oder ihr fahrt auf der Ladefläche eines Trucks durch die Gegend und ballert wie bei einer Safari auf eure Ziele. Durch das Zufalls-System weiß man nie genau, welche Überraschungen als nächstes auf einen warten. Da ist ein eingespieltes Team Gold wert.
Am Ende jedes Einsatzes müsst ihr zu eurem Transport-Heli gelangen ("Get to the Chopper!"), was wegen der sauber taktierenden KI gar nicht mal so einfach ist. Der Computer nutzt nicht nur diverse Schießprügel und Granaten, sondern verschanzt sich auch hinter Schilden und sucht hinter Fahrzeugen Deckung. In der Testrunde wurde unser Team kurz vor Schluss geschickt flankiert, so dass wir es fast nicht zur Landezone geschafft hätten. Zum Glück konnten wir unseren Sniper per Räuberleiter auf ein Dach hieven, damit er die gegnerischen Reihen lichten und uns eine Schneise schießen konnte.
Ob Crytek mit Warface das Genre der Mehrspieler-Gratis-FPS tatsächlich revolutioniert, wage ich zu bezweifeln. Spielerisch erfindet auch dieser Titel das Rad nicht neu. Trotzdem ist Cryteks Free-to-play-Shooter technisch extrem solide und das Koop-PvE mit seiner Mischung aus Call of Duty und Left 4 Dead spielt sich sehr unterhaltsam. Die kontextsensitiven Spezialmanöver im Team und die eingeschobenen Überraschungen während einer Runde verleihen dem Gruppenspiel sehr viel Dynamik und ich freue mich schon jetzt auf die Diskussionen im Teamspeak, wer als nächstes seine Coins zur Wiederbelebung opfert. Auch bin ich gespannt, wie zuverlässig das System die täglichen Missionen neu zusammenwürfelt und ob die Unterschiede auch in der Praxis und nicht nur auf dem Papier spürbar sind. Freilich ist Crytek durchaus fähig, so einen Stunt zu stemmen. Mal sehen, was der Konkurrenz dazu einfällt.