Warhammer 40K: Dawn of War II
Hard to understand, hard to master
Dawn of War II funktioniert. In jeder Hinsicht. Eine Tatsache, die ich erst nicht wahrhaben wollte. Nach einigen kleinen Problemen in der Singleplayer-Kampagne und ersten Multiplayer-Beta-Partien sorgte der Titel für Stirnrunzeln. Mein erster Eindruck: Eine nur mittelmäßige Story, eine unausgegorene Balance, wenig taktische Möglichkeiten, zu kleine Teams, gerade mal drei 3on3 Vs.-Karten und eine viel zu übersichtliche Einheitenauswahl.
Trotz der brachialer Grafik und dem schnellen, explosivem Gameplay zweifelte ich an der postulierten Genialität. Erst nach 30 Stunden Multi- und 30 Stunden Singleplayer bin ich überzeugt. Wer bereit ist, gemeinsam mit Relic den Schritt nach vorne zu wagen und genug Zeit zu investieren, wird mit einem erstklassigen und vor allem innovativen Erlebnis belohnt.
Weg von großen Armee, einer Basis, Upgrade-Gebäuden und klassischem Ressourcen-Abbau. Hin zu personalisierten Einheiten, Rollenspiel-Elementen und einem sehr taktischen Gameplay. Selbst der direkte Vorgänger Dawn of War und Relic-Meisterwerk Company of Heroes haben wenig mit dem Endergebnis zu tun. Stattdessen erinnert Dawn of War II in vielen Momenten eher an den ersten Versuch, Online-Rollenspiel und Strategie zu mixen: WorldShift. Doch statt sich wie der leicht misslungene, viel zu seichte Ungarn-Import komplett auf Internet-Gefechte zu spezialisieren, wählt Relic einen Mittelweg.
Eine innovative, nicht-lineare Kampagne samt 2-Spieler-Online-CoOp, die als ein „Diablo II mit vier Squads“ auf Sammel-Sucht setzt und einen Vs-Modus mit Erfahrungspunkten, Deckungssystem, zerstörbarer Umgebung, Helden und einer stark zusammengeschrumpften Basis. Micro- statt Macro-Managment ist die Devise. Eine gewaltige Umstellung, die zu Beginn jede Menge Fragezeichen hinterlässt.
Bei mir fiel der Groschen in der Beta erst nach ca. zwanzig Online-Partien. Denn gerade Strategie-Veteranen fällt es nicht leicht, hinter das Geheimnis des Siegens zu kommen. Relic erklärt einfach zu wenig. Bei Titeln wie WarCraft III wird zum Beispiel der Schaden und die Rüstungsart einer Spielfigur auf dem Bildschirm angezeigt. Bei Dawn of War II gibt es nur in der Kampagne eine Anzeige dieser Details. Auch die genauen Auswirkungen von Spezialfähigkeiten, Gebäudeeroberungen und Deckung wird nur unzureichend erläutert. Nur wenn Ihr umdenkt und Euch auf das Spiel einlasst, erschließen sich alle Feinheiten des ungewöhnlichen Gameplays.
Es bleibt zu lange unklar, welche Einheit gegen Panzer hilft, was für Auswirkungen die einzelnen Auras haben, wie man den Unterdrückungs-Effekt aus Company of Heroes unterbricht und welche Eigenheiten die Multiplayer-Rassen der Tyraniden, Eldar und Orks besitzen. Aus „Easy to learn, hard to master“ wird „Hard to understand, Hard to master“. Zum Glück fand ich ein kleines Team von ebenso wahnsinnigen, wie begeisterten Online-Kollegen, mit deren Hilfe ich nach und nach hinter das Geheimnis kam.
Wir spielten Stunde um Stunde, mussten im 3on3 oft als Verlierer das Schlachtfeld verlassen, aber irgendwann platzte der Knoten. Schnell lernten wir den Partner zu unterstützen, schnell und zielsicher eine Front aufzubauen und so wenig Einheiten wie möglich zu verlieren. Aus der netten Nebenbeschäftigung wurde eine Obsession, die nur durch das Ende der Beta gestoppt wurde und mit dem jetzigen Release wieder in Aktion tritt. Für mich ist Dawn of War II damit der lang erwartete Nachfolger zu WarCraft III, dem ich seit sechs Jahren die Treue halte und das nun bis auf ein paar Partien DotA endlich in den wohlverdienten Ruhestand gehen kann.
Auch der Einstieg der Singleplayer-Erfahrung verlief nicht vollkommen unkompliziert. Mit gestärktem Selbstbewusstsein aus der Beta und ersten Stunden bei Games Workshop stürzte ich mich im zweithöchsten Schwierigkeitsgrad in die Kampagne und hatte anfangs auch wenig Probleme. Die Story um einen aufstrebenden Blood Raven Space Marine Sergeant, der mit seiner kleinen Angriffstruppe im Aurelia-Sektor für Ordnung sorgen soll, passt wunderbar zur Tabletop-Vorlage, ist nett erzählt, gewinnt aber ganz sicher keinen Literatur-Nobelpreis.