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Warriors Orochi 2

Am Abgrund

Die Welt ist ein ziemlich komplizierter Ort und die Menschheit sowieso. Machen wir sie also ein wenig einfacher und unterteilen wir doch mal alle Menschen in zwei Gruppen. Die erste findet es toll, stundenlang auf einen einzigen Knopf zu drücken. Der Rest hält davon nicht so wahnsinnig viel.

Gehört Ihr zur zweiten Menschheitsart, könnt Ihr Euch den Rest des Textes eigentlich sparen. Denn trotz all dem Drum und Dran, riesigem Umfang und Schlachtgemälden aus der chinesisch/japanischen Urzeit, reduziert sich Warriors Orochi 2 wie beinahe alle der zahlreichen Warriors–Titel auf das hektische Abrackern am Schlag-Button.

Der Erfolg der Serien hält sich hierzulande auch weitestgehend in Grenzen, in Japan sind sie dagegen ein echtes Massenphänomen. Verstehen werden wir das nie vollständig, so wenig wie es uns Westlern möglich ist, zu erfassen, warum ein „Spiel“ wie Pachinko zu einem nationalem Suchtproblem auswachsen konnte. Spielen könnt Ihr es im Gegensatz zu anderen Fernosttiteln aber gut und Warriors Orochi 2 bietet Euch dafür einen schon beinahe überwältigenden Umfang an.

Nicht weniger als fünf Kampagnen warten im zweiten Crossover der Serien Dynasty Warriors und Samurai Warriors. Drei davon decken die Geschicke chinesischer Königreiche im Kampf gegen den Dämon Orochi ab. Der Samurai-Plot verfolgt das gleiche Ziel, dreht sich aber um eine Gruppe japanischer Kämpfer, die nach China verschlug. Und der fünfte Handlungsstrang lässt Euch als Orochi die Welt unterjochen. Stets ein besonders hehres Ziel.

Warriors Orochi 2-Trailer

Damit Ihr gar nicht erst eine Chance habt, alle Kämpfer mit Namen anzusprechen, erhöhte Koei die Zahl auf über 90, jeder einzelne mittels Erfahrungspunkten bis zum Superkrieger ausbaubar. Dass sich viele davon an reale Vorbilder anlehnen, werdet Ihr nur bemerken, sofern Ihr tief in der Materie drinsteckt. Liu Bei, Zhang Fei oder Sakon Shima gehören einfach nicht zum Repertoire westlicher, humanistischer Bildung.

Nehmt jetzt eine ganze Auswahl an Waffen für jeden Kämpfer dazu, rundet es mit vier Schwierigkeitsgraden sowie einem Dream-Mode mit neuen Szenarien ab und Ihr erhaltet das wohl umfangreichste Pseudo-Historienspektakel, das Ihr für Geld bekommt. Dumm nur, dass sich am Ende alles auf die eine Schlagtaste reduziert. Oder, um fair zu sein, die beiden Tasten. Die Krieger unterteilen sich in schnelle, starke und technisch versierte Kämpfer und bringen vielfach eigene Schlagvarianten mit. Ob Ihr mehr den leichten oder den starken Angriff nutzt, hängt von Eurer Figurenwahl ab. Dass ein Charakter aber wirklich tiefes Verständnis der vorhandenen Kombos erfordert, wird so gut wie nie und nicht einmal auf den höheren Schwierigkeitsgraden vorkommen. Arbeitet Euch wie gehabt durch die ewig nachströmenden Massen des Fußvolkes zu den feindlichen Anführern. Und selbst hier reicht bei Orochi 2 eine gesunde Daumenmuskulatur.

Seid Ihr dagegen auf der Suche nach ein wenig Taktik, werdet Ihr nicht bei einzelnen Feinden fündig, sondern bei der Dynamik der Schlachtfelder und den verschiedenen Aufgaben. Insbesondere die Rettungsmissionen schaffen es, Euch aus dem Buttonsmashtrott herauszureißen. Es bleibt nur wenig Zeit, gescriptete Ereignisse wie Waldbrände oder feindliche Magier inklusive Geistersoldaten halten Euch auf, und genau wie die computergesteuerten Feinde sind die Freunde meist zu dämlich, um allein zu überleben. Oder wie würdet Ihr es nennen, wenn der frisch Gerettete sich halbtot sofort in den nächsten Pulk stürzt, statt sich erst einmal kurz zu regenerieren? Tapferkeit und Dummheit liegen mitunter wohl doch nah aneinander.

Wenn jemand weiß, wo der Hammer hängt, dann er.

So versucht Ihr häufig genug an drei Stellen gleichzeitig zu sein, ewig die Schlagbuttons bearbeitend, als gäbe es kein Morgen, hier und da ein paar der mageren Kombos der Ausgeglichenheit halber. Damit bleibt sich das Grundrezept der Warriors-Serie auch in Orochi 2 treu und alle Buttonsmash-Anhänger freuen sich. Der wirklich wunde Punkt des Spiels ist eigentlich ein anderer. Technisch hinkt Warriors Orochi 2 der Zeit um mehrere Jahre hinterher.

Um die guten Seiten schnell abzuhandeln, reicht es zu sagen, dass die Charaktere durch die Bank hervorragend aussehen und ein paar wirklich schicke Kampfanimationen vollführen. Wesentlich weniger beeindrucken geriet alles, aber auch wirklich alles um sie herum. Banalste Bodentexturen, belanglose bis hässliche Bauwerke, deplatziert wirkende Objekte. Schlachten fanden schon an hübscheren Orten statt.

Am Nebel auf 50 Meter hat sich auch nichts geändert. Er wird geschickt durch die etwas angehobene und nach unten gekippte Kamera kaschiert, aber wehe Ihr hebt den Blick. Dazu kommt dann besonders auf den letzten Feldern der Kampagnen ein Slow-Down, der durch nichts zu rechtfertigen ist. Das Finale des ersten Feldzuges für das Königreich Wu lockt so viele Kämpfer auf das Feld, dass Ihr erst die Hälfte davon abmurksen müsst, bevor das Tempo sich endlich wieder von der Matrix-Zeitlupe auf gelegentliches Normalmaß anhebt. Das ist aber zumindest nicht ganz so übel wie die drei Systemabstürze innerhalb von drei Spieltagen. Orochi 2 übernimmt damit den traurigen Wanderpokal von… keine Ahnung, es ist ein Weilchen her, seit ein fertiges Spiel eine ganze Reihe von kompletten Hängern verursachte.

PS1 oder doch 360? Das leere Feld und der graue Himmel werfen im Split-Modus Fragen auf.

Zu zweit wird der Screen gesplittet, was offensichtlich in einer weiteren Reduzierung der Umwelt auf noch weniger Polygone endete, aber trotz erhöhter Unschönheit immer noch Spaß bringt. Der CoOp spielt in den Zwei- bis Dreifrontenschlachten seine Stärken aus und lässt Euch wesentlich sinnvoller ans Ziel kommen. Das Spiel gegeneinander bringt dann deutlich weniger Freude. Das Schlagrepertoire reicht bestenfalls für eine halbe Stunde, danach solltet Ihr Euch ein echtes Prügelspiel suchen. Und Online…gibt's nicht. Schade, denn ein – ich phantasiere hier mal wild – Match mit vier Spielern auf jeder Seite der Schlacht sollte ein Gedanke sein, den sich die Entwickler bei den nächsten, unweigerlich kommenden Warriors-Spielen mal durch den Kopf gehen lassen sollten.

Ja, es reicht noch für das Mittelmaß, wenn auch nur knapp. Warriors Orochi 2 vermittelt erfolgreich die unschuldige Freude am Quälen des eigenen Daumens durch epische Schlachtfelder hindurch. Nur ist da nichts, was auch nur einen einzigen Menschen zur Gruppe derer, die daran Spaß haben, hinzulocken könnte. Im Gegenteil, die Clique bekennender Knopfschnelldrücker könnte sich angesichts der ausgesprochen schwachen Technik und einem Innovationsgrad am Null-Limit vielleicht doch langsam, aber sicher abwenden.

Neue Szenarios, mehr Schlachten oder ein monströser Cast ändern nichts daran, dass die Warriors-Reihe schon so lange auf der Stelle tritt, dass sich aus der entstehenden Bodenvertiefung unter ihr inzwischen das eigene Grab zu formen beginnt. Es ist Zeit für ein paar frische Gedanken, die das ehemals und eigentlich an sich spaßig-hohle Massenmetzeln auffrischen.

Warriors Orochi 2 ist ab sofort für Xbox 360 und PS2 zu haben.

5 / 10

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