Warten auf Cyberpunk 2077 - 8 Cyber-Games für den Sommer
Da muss mehr Neon rein!
Ok, ich will nicht sagen, dass mich die erneute Verschiebung von Cyberpunk 2077 jetzt wahnsinnig überrascht hätte, aber traurig stimmt sie schon. So groß ist einfach die Neugierde darauf, wie CD Projekt Red in den fünf Jahren seit The Witcher 3 seine Rollenspielsysteme weiterdachte und in eine neue Welt transportierte. Einen kleinen Eindruck davon vermittelt euch Martin in seiner taufrischen Vorschau zu Cyberpunk 2077. Aber es ist, was es ist. Wir müssen weiter warten, und zwar noch bis zum 19. November. Fast ein halbes Jahr also.
Grund genug, unsere Liste unserer Lieblingsspiele zum Thema Cyberpunk ein wenig zu verlängern, damit ihr etwas habt, damit ihr euch bis zum Erscheinen des Spiels thematisch angemessen in das Sujet hineinspielen könnt.
Virtuaverse
Ich bin nicht ganz sicher, woran es liegt, dass sich ausgerechnet Adventures immer so gut mit der Materie auseinandersetzen, aber hier sind wir nun und präsentieren euch den jüngsten Neuzugang unter den Cyberpunk-Spielen. Virtuaverse wird vor allem Leuten gefallen, die mit der Farbgebung und dem Pixelformat des Amiga aufgewachsen sind. Inhaltlich sieht es schon ziemlich nach der abgeranzten Zukunft aus, durch die uns im November auch Johnny Silverhand begleiten wird. Als Kapuzenjacken-tragender Außenseiter Nathan seid ihr einer der wenigen Bewohner dieser Welt, die sich noch nicht durchgehend im Virtuaverse aufhalten, das die KIs errichteten, nachdem sie "gewonnen" hatten. Und jetzt ist eure Freundin verschwunden. Der Rest ist das, was man von einem Point-and-Click erwartet.
Sofern man denn schlüssiges Rätseldesign und eine eigentlich durchweg interessante Geschichte erwartet, denn anders als viele Klassiker ordnen sich in Virtuaverse die Puzzles nicht den Gags unter, die wiederum nicht die Handlung sabotieren. Tatsächlich gibt Letztere den (oft genug immer noch sehr humorvollen) Ton an und hält gleichzeitig durchgehend das Interesse und die Spielerinvestition hoch. Die Musik ist in der Synth-Zusammenstellung sicher nicht neu, aber verdammt gut komponiert und untermalt die Ermittlungen auf die gute Art nostalgisch. Für nicht ganz 15 Euro kann man da nichts falsch machen.
Falls ihr euch schon sicher seid, dass ihr es kaufen werdet, dann könnt ihr es auch schon vorbestellen: Cyberpunk 2077 im PSN-Store für 69,99 Euro.
Cloudpunk
Artikel: An Cloudpunks Mega-Metropole muss sich Cyberpunks Night City messen lassen
Am Ende des Tages ist man hier nur ein glorifizierter DHL-Bote - was kein zu unterschätzender und ein eigentlich viel zu selten gewürdigter Job ist. Wenn ihr mal wieder ein Paket bekommt und der Inhalt euch erfreut? Dankt eine Sekunde in Gedanken dem meist doch recht freundlichen Mitarbeiter, der das Ding für den Mindestlohn zu euch brachte. Aber wenn dann erst mal die Zukunft von Cloudpunk erreicht ist, dann werde ich wohl auch ein Paketbote werden. Durch diese Stadt zu schweben, da braucht man keinen für bezahlen, das macht man freiwillig! Wie im oben verlinkten Artikel schon gesagt, mit dem Look dieser Mega-Metropole muss sich Cyberpunk 2077 erst mal messen.
Sicher, ihr dürft hier kein ausgefeiltes Rollenspielvergnügen oder ähnliches erwarten. Die Grundprämisse ist simpel, dass ihr als halbseidener Kurier Dinge transportiert, die nicht immer ganz koscher sind, aber eben gut bezahlt werden. Darum entspinnt sich dann eine nette, kleine Story, die dem Genre nicht viel Neues abringt. Aber das ist für ein ganzes Weilchen egal, während ihr durch glorreiches Neon rauscht und eine Welt seht, die wahrscheinlich besser nie sein sollte. Aber sie vom Fahrersitz eines Hover-Cars aus zu sehen, ist etwas, das man nicht verpassen sollte, wenn einen der Ruf leuchtender japanischer Schriftzeichen auf viel zu hohen Gebäuden und unendlichen tiefen Schluchten lockt.
Black Future 88
Black Future 88 - Test
Mal kein Rollenspiel und keine Entspannung, sondern pures Adrenalin. Unverfälschter Cyberpunk wird in Black Future 88 geboten, in der ein von einem verrückten Wissenschaftler errichteter, lebendiger Wolkenkratzer alles frisst und die Widerstandskämpfer wissen, dass ihnen nur wenige Minuten bis zum unausweichlichen Tod bleiben. Aber die wollen sie nutzen.
Aus der Seitenperspektive kämpft ihr gegen jede Art von Cyborg, Roboter und Drohen, um euch zuerst ein wenig aufzurüsten und dann den nächsten Boss zu finden. In dem als Rogue angelegten Black Future 88 geht es um Upgrades und Feuerkraft, die ihr nach und nach sammelt und dabei vor allem langsam den besten Weg durch den Mörderturm kennenlernt. Tadellose Steuerung, gut austarierte Spielsysteme und vor allem ein brillanter Kracher-Dark-Synth-Soundtrack.
Technobabylon (PC)
Technobabylon - Test
Ich weiß, nicht jeder hat von Wadjet Eye (The Blackwell Conspiracy, Gemini Rue, Unavowed) gehört, was allerdings in erster Linie daran liegt, dass das Team im Grunde nur Adventures der klassisch-pixeligen Point-and-Click-Art macht. Aber die, die es macht - oder mit auf den Weg bringt - genügen selbst höchsten Genre-Ansprüchen, wenn man nicht gerade Humor auf altem Lucas-Arts-Niveau erwartet. Dafür wären Geschichten von Spielen wie Technobabylon es auch dann noch wert, erlebt zu werden, wenn es kein Spiel drumherum gäbe, mit so sicherer Feder schrieben die Autoren diesen stimmungsvollen und wendungsreichen Cyberpunk-Thriller.
Das Szenario um eine von einer KI samt Geheimpolizei regierten Stadt, süchtig machenden Cyberspace und körperliche Modifikationen ist nicht ganz neu, das tolle Puzzle-Design, die vielen kleinen Entscheidungen, die zwei grundverschiedenen, toll geschriebenen Enden und ein Trio an Hauptfiguren, aus dem jeder für sich in einer interessanten Bredouille steckt, holen aus dem Setting aber eine gewaltige Menge heraus. Wer es klassischer will, der holt sich alternativ Westwoods Blade Runner von GOG, aber warum nicht einfach mal die kostenlose Demo von Technobabylon probieren?
Deus Ex: Mankind Divided (PC, PS4, Xbox One)
Deus Ex: Mankind Divided - Test
Ich glaube, wir müssen uns nichts vormachen: Mankind Divided war längst nicht alles, was es hätte sein können - vor allem, weil das Ende nicht wirklich eines war. Das war bedauerlich, wenn man bedenkt, wie gut Human Revolution die Reihe neustartete. Das Sequel floppte jedenfalls und wurde auch von der Kritik verhaltener aufgenommen. Weitergehen mit der Marke dürfte es wohl nur mit einem erneuten Reboot. Und doch ist das mittlerweile vielerorten schon zum Schnäppchenpreis erhältliche zweite Deus Ex von Eidos Montreal nun gerade der richtige Lückenfüller, um die Zeit bis zu Cyberpunk 2077 zu überbrücken. Der transhumanistische Ansatz, die Megacorp-Neon-Skylines und die grundsätzliche, wenngleich nicht starre Aufteilung der Vorgehensweisen in "Brechstange" und Schattierungen unterschiedlicher Eleganzgrade sind nicht so weit von CD Projekt Reds Hoffnungsträger weg und die Chancen, dass ihr es noch nicht gespielt habt, stehen nicht allzu schlecht.
Es ist sicher nicht der Überflieger, den wir von den Warschauern erwarten, aber stilistisch und in Sachen Ausdrucksspielraum für den User das nächstbeste Ding.
Shadowrun: Dragonfall (PC)
Shadowrun: Dragonfall - Test
Klar, das Cyberpunk-2077-Universum ist noch mehr in der echten Welt geerdet als Shadowrun, das Elfen und Orks in einer Hacker-verliebten Neon-Future versetzt. Aber beide siffige Zukunftsvisionen eint die bewegte Pen-and-Paper-Vergangenheit und auch der allgemein versiffte, kaputtkommerzialisierte und -globalisierte Video ihrer Welt. Nur, dass man sich hier eben noch mit Magie herumschlagen muss. Dragonfall, die beste und als Standalone-Version erhältliche Erweiterung von Harebrained Schemes isometrischer Taktik-RPG-Reihe, spielt in einem Berlin, mit dem die Immobiliengeier längst fertig sind und in dem man nun mithilfe seines Teams einem mythischen Drachen auf die Spur kommt, den es schon längst nicht mehr geben sollte. Ich sagte ja, dass es etwas abgehobener ist.
Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Welt fasziniert, die Geschichte packend erzählt ist und anhand einiger exzellent geschriebener Figuren nacherlebt wird. Mit rundenbasierter Taktik, in der die Kämpfe ausgefochten werden, sollte man aber kein Problem haben.
Disco Elysium (PC; PS4 und Xbox One 2020)
Disco Elysium - Test
Natürlich ist das hier kein Cyberpunk. Ich bin mir nicht mal sicher, ob es auch nur annähernd die Zukunft irgendeiner Welt darstellen soll. Unsere ist es nicht. Aber es fühlt sich an, als könnten es ihre kläglichen Überreste sein. Warum Disco Elysium aber eigentlich in diesem Artikel auftaucht und mit Blick auf Cyberpunk interessant ist, das liegt an der Art, wie es seinen Spieler rollenspielen lässt und auf unfassbar viele seiner Entscheidungen gefasst zu sein scheint. Ein Punkt, mit dem CD Projekt Red ebenfalls gerne hausieren geht. In Disco Elysium geht es zwar häufig subtiler zu, aber das muss nichts Schlechtes sein. Im Gegenteil. Was ich meine? Nun, lauft mal eine Weile ohne Klamotten durch Revachol, dann findet ihr es heraus.
So oder so: Wie man hier beim Spielen seinen Charakter durchdefiniert, an den Fäden der Handlung zupft und zieht, das setzt Maßstäbe bei der virtuellen Erzählung, an denen sich auch die talentierten Autoren von CD Projekt Red messen lassen müssen. Wer Cyberpunk wegen seiner hohen Ansprüche an eine Spielegeschichte und den Spielerausdruck in einer virtuellen Welt auf dem Zettel hat, hat bis September reichlich Zeit, in Disco Elysium ein paar Verbrechen zu lösen. Einzige Einschränkung: Macht euch darauf gefasst, jedwedes Problem mit virtuellen Würfeln zu lösen. Wie auch immer geartete Action oder ein tiefgründiges Kampfsystem gibt es hier nicht.
2064 Read Only Memories (PC, Switch, PS4, Xbox One)
Es mag ein Klon sein, aber wenn die Vorlage auf legalem Wege heutzutage so gut wie unmöglich zu bekommen, geschweige denn zu spielen ist, ist das mehr als nur ok. Was hier kopiert wird? Der Allgemeine Ablauf von Snatcher, einem Frühwerk von Hideo Kojima, das in Europa nur auf dem SEGAs Mega-CD, einer Konsole für Wahnsinnige, erschien. Dabei handelte es sich um ein bildschirmweise umschaltendes Adventure mit gelegentlichen Simpel-Ballersequenzen, Sprachausgabe und schwer an Blade Runner angelehnter, aber Kojima-artig verschrobener Geschichte.
2064 leiht sich sowohl Ästhetik als auch den grundlegenden Ablauf - sogar einen robotischen Sidekick gibt es -, strickt aber inhaltlich etwas ganz Eigenes daraus, wirkt allgemein freundlicher und nicht so sehr, oder höchstens in der Technik, den Achtzigern verpflichtet. Sogar ein paar queere Themen werden angepackt. Herausgekommen ist ein durchweg liebenswerter, gleichzeitig aber auch spannender Blick in eine andere Version der nahen Zukunft, die sogar direkt um die Ecke von Cyberpunks Night City spielt, nämlich in San Francisco. Und wer es noch abgehobener mag, der schaut sich Va-11 HALL-A an, das im Stil ähnlich gehalten ist, euch aber in die Rolle eines Barkeepers versetzt, der Cyberpunk-Charakteren ihre Drinks mixen muss.
Jetzt seid ihr dran: Womit schlagt ihr die Zeit tot, bis Cyberpunk erscheint? Welche Spiele erscheinen euch thematisch passend, was ist im "Pile of Shame" nach oben gewandert, als ihr von der Verschiebung gelesen habt? Lasst es uns in den Kommentaren wissen.