Warten auf Portal 2 - Die Valve-Story
Teil 2: Von Half-Life 2 bis heute
Hinweis: Ihr braucht Hilfe bei der Bewältigung der Testkammern und Koop-Kurse? Dann schaut in unsere Komplettlösung zu Portal 2.
Dies ist Teil zwei unseres Valve-Corporation-Porträts. Solltet ihr die erste Hälfte verpasst haben, ist zunächst deren Lektüre zu empfehlen. Ihr wisst schon, Ying und Yang und so, ganz zu schweigen von all den Karma-Punkten, die ihr von oben zweifellos bekommt, wenn ihr beide lest.
Mitgefangen, mitgehangen
Die Wochen und Monate nach dem Leak müssen für Valve die Hölle gewesen sein. Zu den Existenzängsten diverser Mitarbeiter gesellte sich nicht nur der beschämende Umstand, dass jemand im internen Netzwerk gewildert, dabei Valves Jüngstes "gerissen" und den unterentwickelten Kadaver der Öffentlichkeit vor die Füße geworfen hatte. Man musste der Community auch irgendwie vermitteln, dass man es mehrfach versäumt hatte, ihr eine realistische Einschätzung des Entwicklungsfortschritts des Titels zuteil werden zu lassen. Für eine Firma, die seit jeher einen regen Austausch mit ihren Fans pflegte – oder pflegen wollte – eine hochnotpeinliche Situation, die das Vertrauen weiter Teile der Gefolgschaft gefährdete.
Im Februar 2004 passierte dann wie von selbst, was die Ermittlungen des Entwicklers nicht zutage brachten: Der ebenso reuige wie naive Jung-Hacker meldete sich persönlich bei Valve. In der Hoffnung, den Schaden wieder gutmachen zu können - und eventuell sogar einen Job beim Half-Life-Entwickler abzugreifen -, gestand und schilderte er die Tat. Da ahnte er noch nicht, was ihm blühen würde.
Die geprellte Gefolgschaft bekam davon natürlich nichts mit. Und so war es auch ein denkbar schwacher Trost, dass im März 2004 mit Condition Zero eine überarbeitete Counter-Strike-Version nach mehreren Entwicklerwechseln von einem jungen Team namens Turtle Rock Studios fertiggestellt und von Valve veröffentlicht wurde. Und selbst wenn, es hätte nicht lange vorgehalten, denn im April musste man das Erscheinen von Half-Life 2 erneut vertagen, was bei Vielen das Fass zum Überlaufen brauchte. Die Fans witterten, wen wundert's, dass der Leak nicht die eigentliche Ursache für die mittlerweile recht stattliche Verzögerung der Veröffentlichung war. Vivendis vorgeschobener Verschiebungsgrund biss dem Entwickler in den Hintern.
Im Mai tat Newell dann das einzig Richtige: In einem Interview mit dem Print-Magazin Games Fusion gibt er zu, dass das Spiel einfach noch nicht fertig war: "Der fundamentale Grund [für die Verschiebung] war, dass wir unterschätzt hatten, wie viel Arbeit noch zu tun war und wie lange es dauern würde, gerade nachdem das Team durch den Leak so demoralisiert war." Er versicherte aber, dass das Spiel definitiv noch 2004 herauskommen würde.
Am 7. Mai löste sich zur Abwechslung mal eine Sorge der Washingtoner in Wohlgefallen auf, denn Hacker Axel Gembe bekam grünen Besuch, nachdem er in einem vermeintlichen Telefon-Vorstellungsgespräch mit den Geschädigten die Hosen herunter gelassen hatte. Valve hatte ein Geständnis auf Band und konnte in Zusammenarbeit mit FBI und der deutschen Polizei tätig werden.
Digitale Ängste
Als im August 2004 mit Counter-Strike: Source ein erster Vorgeschmack der neuen Engine die Fans erreichte, muss die Valve-Belegschaft kollektiv eine ganze Weile unruhig auf der Vorderkante ihrer Stühle rumgerutscht sein. Die User würden nicht nur eine Kostprobe des neuen Grafik- und Physikkorsetts des Herstellers bekommen, sondern auch realisieren, dass Steam fortan für alle Valve-Spiele benötigt und – schlimmer noch – eine einmalige Online-Registrierung aller neuer Games über die Valve-Plattform vonnöten sein würde.
In Zeiten, in denen noch nicht jedes Handy einen permanenten Internetzugang spazieren trug, für viele Spieler die nächste in einer langen Reihe von Zumutungen. Heutzutage ist der Aufschrei kaum vorstellbar, der vor sieben Jahren beinahe unisono durch das Kollektiv der PC-Spieler hallte. Zum einen sind Voraussetzungen dieser Art heutzutage Gang und Gäbe, zum anderen hat Valve seinem Online-Spielekaufhaus mit Features wie Cloud-Surfing sowie dem Ausbau in Richtung soziales Netzwerk und komfortablem Spielehub in den folgenden Jahren auch einen ziemlich attraktiven Funktionsumfang spendiert.
Der Sommer kam und sollte auch wieder gehen, ohne dass Half-Life 2 erschien. Zwölf gefühlte (und zwei tatsächliche) Verspätungen später erfuhr die Welt im September stattdessen noch einmal wenig spielebezogene Neuigkeiten aus Valves Dunstkreis. Wie sich herausstellte, lieferte sich der Entwickler mit seinem Publisher Vivendi Universal Games bereits seit zwei Jahren einen wenig partnerschaftlich hin- und herwogenden Rechtsstreit darüber, wer denn nun Valves Games an asiatische Internetcafés vertreiben dürfte. Ein Disput, den Valve schließlich im November gewinnen sollte.
Vergeben > vergessen
Und siehe: Mitte November erschien dann auch das Spiel. Am 16., um genau zu sein. Und was soll ich euch zu diesem Spiel noch sagen, was ihr nicht bereits wisst? Wenngleich Halo 2 vielleicht die größere und modernere Gefechtsdynamik erzeugte und die KI und Physik-Interaktionen nicht ganz so spektakulär ausfielen wie in den ersten Videos auf der E3 2003, so ist Half-Life 2 dennoch bis heute eines der prägendsten Ego-Abenteuer. Bis heute ist der Titel noch bestens spielbar, höchstens in Sachen Gunplay und – weniger stark – in Sachen Optik gealtert und seine Welt hat noch diese wunderbar "anfassbare", interaktive Qualität.
Selten hat man sich in einem Spiel so gejagt gefühlt und eine so weltumfassende Trostlosigkeit erfahren. Doch auch spielerisch wurden hier Zeichen gesetzt: Was der Titel damals an Physik-Interaktionen auf die Beine stellte, sah nicht nur gut aus, sondern machte auch spielerisch Sinn und sei es nur, weil man einem prügelnden Combine-Polizisten eine Coladose an den Kopf werfen wollte. Dazu kam mit der Gravity Gun die vielleicht coolste Waffe der Spiele-Neuzeit und ein ausgezeichneter Cast liebenswürdiger Charaktere. Wer damals nicht in Alyx Vance verliebt war, der stand wahrscheinlich nicht auf Mädchen. Das Spiel war so gut, alle vorher empfundenen Steam-Knebelungen waren den meisten Usern auf einmal egal.