Warten auf Portal 2 - Die Valve-Story
Teil 2: Von Half-Life 2 bis heute
Was man allerdings weiß, ist, dass die Orange Box wohl bis in alle Zeit das "Spiel" mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis bleibt. Team Fortress 2 hatte nach anfänglichen Problemen der Community mit der markanten Optik durch eine Reihe brillanter In-Engine-Kurzfilme schnell alle Lacher auf seiner Seite. Und Portal war nicht nur ein verdammt guter Knobler, es war auch eines der besten Beispiele für interaktives Geschichtenerzählen überhaupt. Sprüche wie "The Cake is a lie" oder der überraschende Credits-Song, der das Spiel so gekonnt beendete, sind bis heute fester Bestandteil der Popkultur. Episode 2 erschien da beinahe wie die langweiligste Komponente der Sammlung – auch wenn es Gordons und Alyx' Geschichte packend weitererzählte.
Des Koops neue Kleider
Anfang 2008 zahlte sich Turtle Rocks harte Arbeit an Left 4 Dead aus: Valve kauft Team und Projekt auf, um es unter die Fittiche zu nehmen. Ende Januar erscheint außerdem Steamworks, mit dem Entwickler ihre Spiele um alle denkbaren Steam-Features wie etwa Community-Optionen, Authentifizierungsverfahren oder Cloud-Saving ergänzen können. Als der Release von Left 4 Dead näher rückte, bereitete Valve die Spieler langsam darauf vor, dass es bis Half-Life 2: Episode 3 etwas länger dauern könnte. Das Spiel sei größer und länger und werde die Handlung abschließen. Laut Doug Lombardi würde man aber möglicherweise zum Ende des Jahres etwas in der Richtung zeigen.
Im November bekam Left 4 Dead es schließlich hin, nach einigen kleineren Verschiebungen ziemlich genau am zehnten Jahrestag des ersten Half-Life zu erscheinen. Und siehe: Was Half-Life für storygetriebene First-Person-Shooter tat, gelang dem Vier-Spieler-Abenteuer für das Koop-Gaming.
Das Spiel schrie förmlich: "Seht her! So wird's gemacht!" Filmreife Kampagnen, tolle Dialoge und eine KI, die das Gegneraufkommen und die Ressourcen-Verteilung dynamisch während des Spiels regulierte, sorgten für eine der erinnerungswürdigsten Spielerlebnisse des Jahres. Das sahen die Spieler ähnlich: Die Vorbestellungen übertrafen die der Orange Box um 160 Prozent. Das Versprechen, den Titel weiterhin mit – zumindest auf dem PC – kostenlosen Updates zu versorgen, war Musik in den Ohren der Fans.
Ansonsten verstrich das Jahr 2008 ohne einen Mucks Valves bezüglich des Status von Episode 3. Als auf der E3 im Sommer 2009 plötzlich Left 4 Dead 2 für den kommenden November angekündigt wird - nur ein Jahr nach Teil 1 -, sahen große Teile der Community das als Wortbruch an. Zweifellos würde die Entwicklung eines Vollpreis-Nachfolgers auf Kosten der Käufer des Erstlings gehen, so die Sorgen der Spielergemeinde. Hitzige Diskussionen und die Gründung diverser Steam-Boykottgruppen folgten. Valve gelang es allerdings, die Meinung der Community zum Guten zu wenden, unter anderem, indem einige Wortführer in das Studio eingeladen wurden und das Spiel persönlich gezeigt bekamen.
Rückblickend kann man dennoch sagen, dass Left 4 Dead vermutlich tatsächlich besseren Support bekommen hätte, wäre der Nachfolger nicht gewesen. Doch auch so konnte man sich nicht beklagen: Zwei DLC-Kampagnen und viele kleinere Updates (unter anderem ein neuer Survival-Modus) sowie die allgemein exzellente Qualität des Vollpreis-Nachfolgers stimmen durchaus milde. Turtle Rock hat übrigens Anfang 2011 angefangen, reichlich neue Leute einzustellen. Ich lasse euch selbst 4 und 4 zusammenzählen.
Newell packt die Ruder aus
Auf der E3 2010 betrat Valve Newell dann während der Sony-Pressekonferenz die Bühne und nahm frühere Äußerungen zur PS3 auf durchaus charmante Weise zurück. Ein Manöver das aber weniger mit der Hardware zu tun hat als mit Software, denn Sony öffnete Steam Tür und Tor.
"Ich war in der Vergangenheit ziemlich deutlich, was meine Meinung über die aktuelle Konsolengeneration angeht. Daher möchte ich allen bei Sony für ihre Gastfreundschaft danken – und dafür, dass sie mir nicht mehrmals ins Gesicht geschlagen haben." Im Laufe seiner kurzen Rede kündigte Newell Portal 2 für die PS3 als die beste Konsolen-Version an und lobte den offenen Ansatz Sonys, der erlaubt, dass Steam mit Features wie Cloud-Saving und automatischen Updates Teil des "Erlebnisses" sein wird.
Die immer größer werdende Marktmacht Steams – Valve zählte zuletzt über 30 Millionen aktive User – wurde im Herbst des Jahres öffentlich von der Konkurrenz kritisiert. MCV zitierte "wichtige Händler", die ebenfalls digitale Vertriebsstrukturen vorbereiteten und eine zunehmende Monopolisierung durch die Software befürchten. "Wenn wir ebenfalls einen digitalen Dienst anbieten, dann wollen wir kein Konkurrenzprodukt in unserem Laden verkaufen." Dave Perry, derzeit mit GaiKai beschäftigt, verglich Steam mit iTunes, die wohl treffendste Analogie, die man sich denken kann.
Und auch, wenn ich am Ende dieser langen Chronologie am liebsten über Half-Life 3 schreiben würde, so ist Portal 2, das kommende Woche unsere Lachmuskeln ebenso anstrengen wird wie unsere Hirnwindungen, doch ein ebenso guter Anlass, den finalen Punkt zu setzen. Wenn dieser Artikel eines beweist, dann dass selbst verbriefte Tatsachen manchmal trügen können. Was von dieser Firma nämlich hängen bleibt, ist nämlich nicht in erster Linie die Erinnerung an eine Kette von Verschiebungen und Verfehlungen oder eines zumindest diskutablen Expansionswillens. Es sind die Spiele.
Mit Valve verbinden PC- und Konsolenspieler auf Hochglanz polierte, gut geschriebene Games, die einem auf Augenhöhe begegnen, einen vorbildlichen Support und die Fähigkeit, sich Fehler einzugestehen. Durch diese Geschichtenerzähler ist unser Medium ein gutes Stück erwachsener geworden.