Skip to main content

Warum auf Demon's Souls Remake warten, wenn man Mortal Shell schon jetzt eine Chance geben kann?

Probiert die Beta!

Videospiele - in dieser schrägen Mischung aus Kunst, Hobby und Konsumgut ist nur wenig schwerer, als auf einen heiß erwarteten neuen Titel zu warten. Das erlebe selbst ich, dem tagtäglich neue Games (Plural) auf den Tisch flattern, noch mit derselben Kribbeligkeit wie vor Jahren. The Last of Us 2 war das letzte Spiel, bei dem schon Monate vorher eine gewisse Nervosität in meinen Fingern breitmachte, die nur wenig stillen konnte. Und bei From Softwares neuem Titel, Elden Ring, und dem Demon's Souls Remake geht es leider jetzt schon los. Und die sind sogar noch ohne Termin, in ersterem Fall war noch nicht einmal echtes Gameplay zu sehen.

Mortal Shell, dessen beschränkte Beta kürzlich allen Interessierten geöffnet wurde - Holt euch hier euren Mortal Shell Beta-Key für den Epic Store -, kommt da genau richtig: Ein Indie-Soulslike mit Triple-A-Look, das seine Verschossenheit in das From-Original inbrünstig und unverhohlen in die Welt hinausschreit.

Wüsste man es nicht besser, es könnte auch von From kommen.

Das nur etwas über ein Dutzend Leute kleine Team von Cold Symmetry schlägt für mich all die richtigen Töne an: Wunderschön verfallende, mystische Umgebung, eine Narrative, die nichts preisgibt, ohne dass ihr dafür blutet. Und nicht zuletzt ein auf Geduld, Timing und Übersicht setzendes Kampfsystem, das eine erdige Kraft und Grimmigkeit vermittelt, wie sie Videospiele vor dem Anbruch der Souls-Ära im Sinne schneller Gratifikation fast grundsätzlich vernachlässigten.

Gleichzeitig wirkt Mortal Shell mehr wie ein Liebesbrief an From Softwares Oeuvre, denn wie ein eilig dahingeschluderter Klon. Die Atmosphäre und das World-Building wirken zwar eines verbrüderten Geistes entsprungen, sind aber auch ohne ein Souls danebenzuhalten, irgendwie angenehm eigen und alles andere als beliebig-räudige Dark Fantasy. Die zugrundeliegenden Systeme machen unterdessen ein paar zentrale Dinge grundlegend anders und fordern Fans der Vorlage nicht nur durch den so wichtigen vertraut hohen Schwierigkeitsgrad, sondern dadurch, dass sie gewisse Souls-Gewohnheiten ablegen sollten, wollen sie hier erfolgreich sein.

Die zweite Hülle, die ihr findet, ist schneller, ausdauernder und sieht cooler aus.

Im Großen und Ganzen ist der Ablauf und Rhythmus zwar mehr oder weniger durch das Souls-Label definiert - Spielwelt ohne Richtungsvorgabe, schnelle und schwere Attacke auf den R-Tasten, Lagerfeuer- und Seelenäquivalente, eine Chance, Verlorenes zurückzubekommen -, aber in entscheidenden Details wagt Mortal Shell neues. So wählt man zum Beispiel nicht eingangs eine Klasse, mit der man dann das ganze Spiel bestreitet, sondern findet während des Spiels immer neue Hüllen - die "Shells" aus dem Titel - die euer an eine sehnigere Exibitionistenversion von Voldemort erinnernder Spielcharakter einnehmen und verkörpern kann. Er selbst verträgt nämlich so gut wie gar keinen Treffer, ist also besser dran, sich die Leiber und Talente der Verblichenen zu leihen.

In der Beta findet man zwei dieser Mortal Shells, einen Ritter und einen schnelleren Kämpfer. Während der Ritter - Harros, der Vasal - eine wuchtige Ausweichrolle hinlegt, verhältnismäßig wenig Ausdauer, dafür aber viel Entschlossenheit für Gesundheit regenerierende Paraden-Kills besitzt, verschwindet sein geschickterer, skelettierter Kollege Tiel beim Ausweichen kurz in einer Rauchwolke, deckt mit viel Ausdauer Feinde mit längeren Kombos ein, darf aber nicht so viel parieren. Der Rhythmus der Kämpfe wird nicht jedem Souls-Fan direkt in Fleisch und Blut übergehen, vor die Zeitfenster für Folgeattacken sind gewöhnungsbedürftig, aber nichts hiervon ist per se besser oder schlechter als in Souls. Es ist nur anders.

Der Fähigkeitenbaum ist überschaubar und überraschend selbsterklärend. Zuerst muss man aber den Namen der Hülle erfahren, bevor man ihn emporklettert.

Was die Fights neben dem eigenen Beat, den sie gehen, noch interessant macht, ist die Art, wie Mortal Shell Blocks handhabt: Alle Klassen bekommen von eurem in Sachen Nase arg benachteiligten Avatar die Fähigkeit verliehen, ihren Körper zu versteinern, indem man die L2-Taste beziehungsweise den linken Trigger hält. Wie lange ihr die Taste haltet, bleibt euch überlassen und sogar das "Wann" liegt in eurem eigenen Ermessen, denn die Versteinerung darf sogar mitten in einer eurer Attacken greifen. Ihr könnt also einen schweren Schwertstich lancieren und auf halbem Weg der Bewegung eine nahende Attacke durch Verhärtung von eurem Leib abprallen lassen, L2 loslassen und euren Schlag vollenden. Das sieht nicht nur wahnsinnig cool aus, es wirkt auch unfassbar mächtig, was auch den 5-sekündigen Cooldown rechtfertigt, den ihr bis zur nächsten Benutzung aussitzen müsst.

Hinzu kommen einige etwas traditionellere RPG-Elemente, wenn im Tausch gegen gesammelten Teer (lies: "Seelen"), zunächst einmal den "Namen" seiner Hülle erfährt und damit eine Reihe Skills zum Freischalten entdeckt. Tiel kann zum Beispiel die Fähigkeit erwerben, dass Gift ihn heilt, während Harros' Talentarsenal sein Paraden-Talent noch weiter auspolstert. Wer jetzt Sorge hat, dass das Spiel zu sehr in die sich zu sehr erklärende, analytische Zahlen/Daten/Fakten-RPG-Richtung geht, der darf sich wieder beruhigen: Die Beschreibung der Skills ist eine der wenigen Stellen, an denen Mortal Shell Klartext mit dem Spieler redet. Viele der nicht wenigen Gegenstände, die man findet, haben eingangs noch nicht einmal Beschreibungen. Man muss sie erst benutzen, um nach und nach ihren Nutzen zu erfahren.

Geht eure Lebensenergie zur Neige, werdet ihr buchstäblich aus eurer Hülle geprügelt. Eure schwache Ursprungsform hat dann die Chance, sich zurückzukämpfen - oder zu fliehen.

Was ich bisher in der großzügigen Demo nicht viel sah, waren jegliche Online-Elemente oder viel Potenzial für Abkürzungen. Mortal Shell wirkt recht linear, auch wenn sich immer wieder Abzweigungen, Rundwege und versteckte Passagen abseits des Pfades finden, die das ein wenig verschleiern. Man entdeckt zwar, mit durchaus großen Augen sogar. Aber vom großen Entschlüsseln der Souls-Spiele ist hier noch nicht so viel zu sehen. Die Entwickler haben aber bereits angedeutet, dass ihr Werk eher von der überschaubaren Sorte bleiben wird, was angesichts des schmalen Preises von nur 30 Euro ebenfalls okay ist, wenn die Qualität so hoch bleibt wie in diesem reizenden Demo-Abschnitt.

Auf YouTube ansehen

Was ich bisher von Mortal Shell gesehen habe, macht in jedem Fall mächtig Lust darauf, mich im September, wenn das Spiel auf PS4, Xbox One und im Epic Game Store ein Jahr zeitexklusiv erscheint, so richtig darauf zu stürzen. Und so sehr ich immer noch Elden Ring und dem Demon's Souls Remake entgegensehne: Im Herbst ein Spiel sicher im Anmarsch zu wissen, das genau die Knöpfe bei mir drücken wird, die From Software noch im Schlaf so zielsicher findet, das verschafft mir doch tatsächlich ein wenig innere Ruhe, wie ich sie in meiner fiebrigen Vorfreudephase auf ein anderes Spiel nur selten spüre. Schaut es euch in jedem Fall mal an!


Entwickler/Publisher: Cold Symmetry/Playstack Ltd. Erscheint für: PC, PS4, Xbox One- Geplante Veröffentlichung: September 2020 - Angespielt auf Plattform: PC

Schon gelesen?