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Warum Diablo Immortal nicht das Ende von Diablo 4 ist

Auch wenn Blizzard (ungewollt) mit den Erwartungen der Fans spielte.

Chef-Designer Wyatt Cheng stand gerade eine halbe Minute auf der Bühne, bevor er den Satz sagte, der die spürbare Vorfreude des Publikums in etwas ganz anderes verwandelte. "Unsere Mobilgeräte verbinden uns enger mit unseren Freunden, Familienangehörigen und unseren Lieben" (interessante, aber nicht unwahre Abgrenzung der letzten beiden Gruppen, übrigens). Das Raunen war hörbar, auch wenn Cheng den Stich, den er dabei sicher spürte, ganz gut überspielte. Wiederholt die eingangs gelungene Zeile von der einenden Kraft eines Dämonenmassakers zu beschwören, konnte da auch nichts mehr retten.

Das Problem ist: Dem Vernehmen nach macht sich Immortal eigentlich ganz gut. Und hat irgendjemand ernsthaft erwartet, dass Blizzard selbst in einem für viele als "Worst-Case"-Szenario wie diesem in irgendeiner Weise schlampen würde? Ich bin sicher, Blizzard hat ein aufmerksames Auge auf jede Zeile Code, die Partner NetEase für Immortal in die Tasten hackt. Überhaupt spricht im Grunde nichts gegen eine mobile Variante des Loot-Fests, die man im Gegensatz zur exzellenten Switch-Version wirklich immer dabei hat.

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Aber Kontext ist eben alles. Und der war hier für die Ankündigung eines Mobile-Ablegers mit diesem Namen alles andere als günstig: Vor einer Masse an ausgehungerten Fans einer Traditionsmarke etwas anderes zu präsentieren als einen handfesten Nachfolger - am Höhepunkt der feierlichen Eröffnungszeremonie noch dazu -, das ist eben kein guter Look. Und da spielt sicher auch die Tatsache mit hinein, dass man schon mal etwas Großes erwartet, wenn man sich das Privileg, die Blizzcon zu besuchen, 199 Dollar kosten lässt. Hätte man das nicht vorher wissen können? Müssen?

Dass es problemlos hätte anders laufen können, entlarvt dabei aber, wie überhitzt die Diskussion um Immortal eigentlich ist. Dazu muss man sich gedanklich nicht einmal weit strecken: Immortal-Ankündigung ganz am Anfang - die Einladung an das Publikum, es reihenweise anzuspielen und sich davon zu überzeugen, dass es dem Namen mehr als genug Ehre macht -, dann ein identisches Programm und am Ende ein Logo, das wenig mehr als das sagt, was doch eigentlich sicher ist: Diablo 4 kommt - wann auch immer. Fast egal. Alleine der Hinweis, dass Immortal nicht alles ist, worauf sich die Fans freuen können, und dass der vor Loot-Orgien nur so strotzende Mobile-Markt sich nicht auch noch diese heißgeliebte alte Marke einzuverleiben droht, hätte schon gereicht. Dass dem so ist, daran besteht kein Zweifel - das Echo auf diese Ankündigung wäre komplett anders ausgefallen.

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Der Hass-Zug (hier schön aufgedröselt von Benjamin), der Diablo Immortal gerade überrollt, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unverdient, aber hausgemacht. Nun denn, Blizzard wird seine Gründe haben, mit dem wirklichen nächsten Kapitel von Diablo noch hinterm Berg zu halten. Ob es gute oder schlechte sind, beurteilen wir ein andermal.

Diablo 3 war schon Mitte 2015 unter den zehn meistverkauften Spielen aller Zeiten. Wer sich vor diesem Hintergrund von einem Mobile-Spiel in seiner Identität als Fan bedroht sieht und behauptet, diese Firma wüsste nicht, wie - ok, darüber kann man debattieren -, sagen wir besser wo die Fans sich das nächste "echte" Diablo vorstellen, der möchte sich vermutlich auch ein bisschen in Rage schimpfen. Alles, was ich aus dem Fehlen von Diablo 4 auf der diesjährigen Blizzcon lese, ist: Blizzard lässt sich Zeit, um es richtig zu machen. Insofern. Lasst: Immortal leben!

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Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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Diablo Immortal

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