Warum Wolfenstein und FIFA die Nintendo Switch eher bremsen als weiterbringen
Ein seeeehr dicker Mann in dem kleinsten Auto der Welt.
Die Switch befindet sich in einer beneidenswerten Situation: Die lange reflexartig gestellte Frage bei der Vorstellung eines neuen Spiels, "kommt das auch für Switch", muss man mittlerweile nicht einmal mehr stellen. Entwickler beantworten sie ungefragt von selbst, indem sie Nintendos Konsolen-Hybriden sogar mitunter als erste Zielplattform nennen - und bedienen sie regelmäßig zeitgleich mit aktuellsten Releases.
Und doch wähnt man sich hier und da in alte Zeiten zurückgeworfen, in denen sich eine Nintendo-Konsole wegen des Third-Party-Supports wie Hardware zweiter Klasse anfühlte. Das war nicht immer aus den gleichen Gründen so - vor allem zu Zeiten des Gamecube schienen die Entwickler Nintendo-Fans schlicht nicht beliefern zu wollen -, aber spätestens seit der Wii verheben sie sich regelmäßig dabei, Projekte auf Nintendo-Geräten zu realisieren, die dort vielleicht besser gar nicht erst eingekehrt wären.
Im Zuge des Switch-Goldrauschs potenzierte sich das Problem zuletzt, die Entwickler unternehmen beachtliche Anstrengungen, um Spiele wie Doom 2016 und Wolfenstein Youngblood so weit einzudampfen, dass sie auf den Handheld-Hybriden passen. Dass ihnen das gelingt und die Spiele noch wiederzuerkennen und spielbar sind, ist ein kleines Wunder. Aber das ist es auch, den dicksten und größten Mann der Welt mit Gewalt so in einen alten Mini Cooper zu quetschen, dass er ihn tatsächlich gerade noch fahren kann. Niemand würde behaupten, der Herr säße bequem oder gehörte da hinein.
Exakt das Gefühl habe ich bei Wolfenstein 2, Doom 2016 und jetzt bei Youngblood. Mit tut es fast leid, das als Beispiel heranzunehmen, denn Bethesda gehört noch zu denen, die sich am meisten Mühe machen. Und es ist im Grunde nur eines von vielen Spielen, die diese Reaktion in mir auslösen. Aber für jedes "oh, Licht und Geometrie sehen erstaunlich originalgetreu aus" gibt es einen oder mehrere Momente, in denen ich mit dem Daumen über den Screen wischen möchte, weil ich meine, der sei beschlagen oder fettig, so verschwommen wird das Bild. Oder Situationen, in denen ich wegen der Kombination aus Motion Blur, hohem Spieltempo und niedriger Bildrate den Überblick über die Gefechtssituation verliere. Oder in denen ein eindrucksvoll gemeintes Panorama eines besetzten Paris' jede Wirkung verliert.
Wie gesagt: Die Ambitionen sind beeindruckend, das technische Know-how ist es ebenfalls und dass Bethesda sich daran versucht, darüber bin ich ausdrücklich froh. Es fällt mir nur schwer, mich für eine Designphilosophie zu begeistern, die mit dem Rotstift geschrieben wurde. Ehrlich gesagt verzichte ich da lieber und wünsche mir für die Zukunft einen komplett reduzierten, umgestellten Grafikstil oder eben strukturelle Streichungen und Umbauten, die eine bessere Performance und ein weniger grobschlächtiges Erscheinungsbild gewährleisten. Oder hey, gebt WayForward oder YachtClub Games die Lizenz, ein Blaskowicz-Metroidvania in Castle Wolfenstein zu machen. Borgt den Amid-Evil-Leuten die Lizenz für ein 3D-Demake im Quake-Look. Aber das sprengt vermutlich den Budget-Rahmen.
Zumal das Problem ist, dass das Budget für einen Switch-Ableger nicht so schnell wachsen dürfte, denn dessen Rahmen definiert sich über den bisherigen Erfolg: EA ist gerade in der misslichen Lage, dass seine Schmalspur-"Legacy"-Editionen seit Jahren zu Recht einen miserablen Ruf weghaben - ohne Zweifel der mit Abstand schlechteste Weg, ein Spiel auf eine schwächere Hardware zu bringen und kein Vergleich zu den Mühen, die Bethesda sich macht - und fragt sich gerade öffentlich, warum das so sein könnte: "Wir haben eine Menge Daten, die zeigen, dass viele Switch-Besitzer auch eine PlayStation 4, eine Xbox One oder einen PC besitzen. Und häufig spielen sie unsere Spiele auf diesen Plattformen, obwohl sie eine Switch haben und auf dieser viel spielen", sagte dieser Tage Andrew Wilson EAs Investoren. Hm ... Ja. Keinen Schimmer.
Ich will niemandem den Spaß an Switch-Umsetzungen großer Konsolen- und PC-Titel verleiden, und EA und Bethesda sind lange nicht die einzigen, die gerade ein paar schwierige Lehren aus den Hardware-Realitäten der Kleinkonsole ziehen müssen - Bloodstained, Dragon Quest Builders 2, Cities Skylines sind nur wenige Beispiele von Spielen, die nicht immer wussten, wann und wo sie besser die Schere angesetzt hätten. Und natürlich sage ich nicht, dass es sie besser nicht gegeben hätte. Ich freue mich für alle, die diese Games mit all ihren Warzen und selbst zugefügten Amputationsnarben akzeptieren. Aber ich befürchte, stille Duldung führt mittelfristig ebenfalls dazu, dass es die Entwickler irgendwann eher sein lassen werden. Die Verkaufszahlen der regelmäßig schlechtesten Version eines tollen Spiels dürften das über die Jahre von selbst erledigen.
Wundern würde mich das nicht, denn all die Performance-Sünder und ihr Verneinen gewisser technischer Realitäten verleiden mir gerade ein wenig die Vorfreude auf das, was dieser Konsole noch so von Drittherstellern ins Haus steht. Es ist an der Zeit, der Wahrheit ins Gesicht zu blicken: So sehr wir alle - nicht zuletzt wir von der Presse - das Problem auch selbst heraufbeschwört haben, indem wir mit unserem endlosen Nachfragen nach Switch-Umsetzungen bisweilen fehlgeleitetes Interesse signalisierten, so sehr müssen wir auch gestehen, dass manche Dinge einfach nicht für die Switch gemacht sind. Diese Erkenntnis ist für die Plattform auf lange Sicht einfach gesünder.