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Was andere Superheldenspiele von Rocksteadys Batman lernen können

Wie schön ein Ende der Stangenware doch wäre.

Während in der Filmwelt Marvel aktuell DC zeigt, wo es langgeht, stellt sich in der Welt der Videospiele ein gänzlich anderes Bild dar. Batmans Arkham-Abenteuer sind - vom ordentlichen, Diablo-artigen Marvel Heroes mal abgesehen - die einzigen ernstzunehmenden Comic-Umsetzungen, die sich sowohl in Sachen Qualität als auch Verkaufszahlen behaupten können. Die Tatsache, dass wir immer noch von Spider-Man 2 von 2004 als eines der besseren Spiele dieser Gattung denken, spricht Bände. Abgesehen von der Schwungmechanik war auch das kein besonders inspirierter Titel. Von der Stangenware, die die Filme von Marvels "Phase 1" flankierte, will ich gar nicht erst anfangen.

Stellt sich die Frage, warum das so ist. Auf welche Art wird Rocksteady seinem nachtschwarzen Helden so besonders gerecht und was kann die Konkurrenz daraus lernen? Fünf Ratschläge für bessere Superheldenspiele.

1. Vergesst Filmumsetzungen!

Mut, von der Vorlage abzuweichen wird belohnt. Drückt einem Helden und seiner Geschichte euren eigenen Stempel auf.

Es ist verlockend, im Anlauf auf einen neuen Superheldenfilm Marketingsynergien zu nutzen und ein Spiel dann auf den Markt zu bringen, wenn das Franchise die größtmögliche Sichtbarkeit besitzt. Im besten Fall profitieren das Kinoerlebnis und das Spiel voneinander. Das Problem: Wer nur die Geschehnisse des Films nachplappert, verliert sich in Redundanzen. Und wer die Ereignisse zwischen zwei Filmen erzählt, erweckt den Eindruck eines Abenteuers, das nicht gut oder aufregend genug war, um Gegenstand eines Kinoabenteuers zu sein. Vom Fan-Fiction-Aspekt, der von vorneherein jedes kreative Werk zur Bedeutungslosigkeit degradiert, ganz zu schweigen.

Nein, wie Batman: Arkham Asylum ganz richtig zeigte, muss ein Superhelden-Spiel sein eigenes Biest sein dürfen, will man mehr als ein Wegwerfprodukt erzeugen. Eine eigene Interpretation, die dem Universum etwas zurückgibt, anstatt sich nur an ihm zu bedienen wie an einem offenen Büffet. Mit einem guten Film lassen sich sicherlich genügend Exemplare eines schnell und mit geringem Aufwand zusammengeschusterten Videospiels verkaufen. Garantiert spielt man seine Entwicklungskosten wieder ein. Aber Synergien gehen eigentlich in beide Richtungen und wenn das Spiel wenig mehr als ein Trittbrettfahrer ist, hat der Film nullkommanichts davon. Und schon gar nicht schafft man so einen langlebigen Verkaufsschlager wie die Arkham-Reihe. Also: vergesst direkte Umsetzungen von Kinofilmen!

2. Lasst euch Zeit!

Arkham Origins: Wenn das schwächste Spiel der Reihe unter allen anderen Superheldenspielen das beste ist.

Das bringt uns direkt zum zweiten Punkt, der eigentlich offensichtlich sein sollte: Hat man sich einmal vom Diktat der durchgetakteten Crossmedia-Offensive gelöst, öffnet das entwicklungsseitig vollkommen neue Möglichkeiten. Immer wieder hört man von Filmumsetzungen, die in weniger als einem Jahr entstanden, und ich bin sicher, dass diese Aussage auch auf viele der Superheldenspiele zutrifft, die in diese Kategorie fallen. Dass bei den heutigen Ansprüchen nichts von Wert dabei herauskommen kann, versteht sich fast von selbst. Niemand sagt, dass das Spiel nicht zeitnah zu einem Film erscheinen kann. Aber wenn man sich schon zwei bis drei Jahre vorher für die Verspielung einer Superhelden-Geschichte entscheidet, kann das zuständige Studio auch ohne fertige Film-Outline, beginnen, dem Helden ein angemessenes Abenteuer auf den Leib zu schneidern.

Sucht euch also ein Studio mit Ideen und Ambitionen und gebt ihnen Raum zur Entfaltung. Rocksteady hatte jede nur erdenkliche Rückendeckung dazu. Warner war sich nicht zu schade, zuletzt den Release von Arkham Knight mehrfach nach hinten zu rücken, um die Qualität sicherzustellen, die die Fans erwarten.

3. Respektiert eure Helden!

Bruce Waynes innere Dämonen kommen oft genug zur Sprache, was sich besonders in den Scarecrow-Szenen des ersten Teils zeigte.

Es ist wahr, dass Superhelden sich für Videospielumsetzungen förmlich aufdrängen. Comics und Games eint der Hang zum Spektakel, zum Fantastischen, zu Machtfantasien. Aber ein Hulk ist eben doch mehr als ein geistloses Biest, das mit Autos um sich wirft und Häuser zu Klump haut. In ihm steckt auch ein brillanter Wissenschaftler, ein von seiner eigenen Gefährlichkeit gemarterter Mann, der eine Frau liebt, die er niemals haben kann. Spider-Man ist auch ein von Schuldgefühlen geplagter Peter Parker, der Privatleben und die tonnenschwere Verantwortung jongliert, die solche Kräfte nun mal mit sich bringen.

Rocksteady begreift Batmans und Bruce Waynes Charakterzüge und Talente als komplettes Paket. Sei es, wenn in einem stillen Moment in der Crime Alley das Waisenkind durchblitzt oder wenn die Fledermaus all ihre technischen und finanziellen Ressourcen aufwendet, um mit Alfreds Hilfe ein bestimmtes Indiz zu Tage zu fördern. Und obwohl die Designer um Game Director Sefton Hill den "weltbesten Detektiv" gerne noch ein bisschen häufiger aus ihm herauskitzeln dürften, so ist er doch eindeutig wichtiger Bestandteil aller Arkham-Spiele. In diesem Sinne: Hört auf, diese Helden mit ihren Dekaden an persönlicher Entwicklung allein auf ihre Kräfte zu reduzieren!

4. Respektiert ihre Welten!

Die Spielwelt als unterstützender Charakter.

Zugegeben: Gotham City ist der Traum eines jeden Art Directors und gibt gestalterisch einfach sehr viel her. Das heißt aber nicht, dass andere Heldenspiele sich nicht auch mehr ins Zeug legen könnten. Ein fast leergefegtes New York mag einem Spidey eine Menge Freiheiten geben. Aber es ist in der Mehrheit der Fälle auch ein deprimierend eintöniges Erlebnis, weil es hinter all seinen Hochhäusern nur noch mehr Hochhäuser versteckt. Von austauschbaren Sammelgegenständen einmal abgesehen. Viel zu oft sind die Spielwiesen der Helden generische Industriehallen oder Retorten-Metropolen, die mit Ausnahme einiger weniger Wahrzeichen nichts, aber auch gar nichts zu bieten haben. Man spielt nicht den Entdecker, man klappert die Gegenden nur ab. Arkham und die Teile Gothams, die man bisher erleben durfte, spendieren einem nicht nur unnachahmlich stimmungsvolle, in Neonlicht getunkte Panoramen, sie erzählen auch ihre eigenen Geschichten.

Auch hier gibt es natürlich Verbesserungspotenzial, der eine oder andere Zivilist, der sich trotz Ausgangssperre auf die Straße wagt, wäre natürlich nett. Aber Gotham und Arkham versprühen auch so schon so viel Persönlichkeit, dass man die Spielwelt fast als eigenen Charakter wahrnimmt. Das haben die anderen Superheldenspiele bisher nicht begriffen.

5. Und bitte, bitte, wälzt die Comics!

In über siebzig Jahren hat sich eine Menge angesammelt.

Die Arkham-Spiele vermitteln stichhaltig das Gefühl eines Entwicklers, der das Universum in- und auswendig kennt, es vollständig verinnerlicht hat. Ob einem die stilistische Ausrichtung irgendwo zwischen den Nolan-Filmen und der etwas abgehobeneren Comic-Kost nun zusagt oder nicht, ist eine andere Frage. Keine Diskussion gibt es dagegen über die hohe Konzentration, in der sich hier Batman-Lore über den Spieler ergießt. Zahllose Anspielungen an große und kleine Geschichten und Figuren aus über sieben Dekaden Comics geben unmissverständlich zu verstehen, dass hier jemand seine Hausaufgaben gemacht hat. Nur dass es für ihn keine Hausaufgaben waren, sondern eine beinahe kindliche Freude am Ursprungsmaterial.

Mehr noch als in allen anderen Facetten dieser vielleicht nicht perfekten, aber durch und durch bemerkenswerten Spiele kommt hier zum Vorschein, weshalb die Reihe da ist, wo sie heute steht. Auf einer Höhe mit den erfolgreichsten Spieleserien der Welt. Nicht aus Zufall oder weil Batman so cool ist - ok, auch deshalb -, sondern weil Rocksteady fast alles richtig machte, was richtig zu machen war.

Man kann sich schlechtere Vorbilder aussuchen.

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