Was Minecraft Dungeons zu einem guten Dungeon Crawler macht
Und warum es nicht schlecht ist, übermächtig zu sein.
Einen Dungeon Crawler zu entwickeln ist eine Sache. Die Idee dafür zu haben und dann daraus ein gutes Spiel zu machen, ist was anderes. Wie gelingt das Minecraft Dungeons? "Es gibt mehrere Dinge, die unserer Ansicht nach einen guten Dungeon Crawler ausmachen", erzählt mir Mojangs Game Director Måns Olson. "Ob das Spiel dem am Ende gerecht wurde, müssen andere Leute einschätzen. In Sachen Fortschritt und Items verfolgen wir einen anderen Ansatz als die meisten anderen Spiele in diesem Genre. Unser Konzept lautet 'du bist was du trägst' und es stammt ursprünglich aus Minecraft. Dort hast du keine Charakterfähigkeiten, keine Fähigkeitenbäume, nichts dergleichen. Und es gibt keine Klassen."
Dungeons ermöglicht den Spielern ihre eigene Spezialisierung, die sich im Grunde jederzeit ändern lässt, ohne dass ihr dafür bestraft werdet. Die Charaktere bezeichnet Olson als eine Art "Sandbox", in der ihr Waffen, Rüstung und Artefakte (was im Grunde Fähigkeiten entspricht) kombiniert, hinzu kommen zufällige Verzauberungen auf den Items. "Auf der unmittelbaren Ebene möchten wir sicherstellen, die Kämpfe schnell, spaßig, präzise und arcadig zu halten", erläutert er. "Das beanspruchte während der Entwicklung eine Menge Zeit, bis wir es so weit hatten, dass es sich natürlich und richtig anfühlt. Im Hintergrund laufen indes eine Menge spezielle Dinge ab, kleine Details hinsichtlich der Funktionsweise einer Attacke in Bezug auf die Entfernung zum Gegner und so weiter. So fühlt es sich interessanter an."
Ein Vorteil, den Dungeons' Ansatz hat, ist die Flexibilität und Experimentierfreude, die es im Spieler weckt. "Es ist einfach eine Freude, coole Sachen zu finden und sie dann auszuprobieren", ergänzt Executive Producer David Nisshagen. "Ich probiere es aus und wenn es langweilig ist, verschwindet es in der Tasche." So hat der Spieler die Möglichkeit, Dinge auszuprobieren, ohne großartig was an seinem Charakter zu verändern. "Normalerweise ist es in anderen Spielen des Genres nötig, längere Zeit zu investieren, bis du in eine Position kommst, in der du anfängst zu experimentieren."
Das sorge für mehr unmittelbaren Spaß. Alles, was ihr findet, lässt sich sofort benutzen. Ihr habt nichts, was euch in die Hände fällt und sich zum Beispiel erst dann verwenden lässt, wenn ihr mehrere Stufen im Rang aufgestiegen seid. "Das Spiel funktioniert im Singleplayer und macht Spaß, aber wir designten es so, damit es im Multiplayer glänzt, egal ob im Couch-Koop oder online", sagt er. "Die Mechaniken, die wir haben - das Wiederbeleben, die gegenseitige Beeinflussung durch Flächeneffekte -, fühlen sich wirklich gut an. Wenn Spieler die Chance dazu bekommen, sollten sie es im Multiplayer spielen."
Die Entscheidung, nicht auf Klassen zu setzen, beruht auf Minecrafts Inspiration. "Die Einschränkung kommt daher", sagt Olson. "Natürlich hätten wir uns entscheiden können, das zu ignorieren, denn du hast ja immer Klassen in dieser Art von Spielen. Aber wir verzichteten darauf, wollten Minecraft treu bleiben. Einschränkungen beflügeln die Kreativität und das ermöglicht uns neue Räume, in denen du arbeiten kannst. Es beeinflusste, wie wir mit dem Schwierigkeitsgrad umgehen, spezifischen Loot in einzelnen Missionen verteilen - all diese Sachen resultierten aus der frühen Entscheidung, nicht auf Klassen zu setzen."
Und wenngleich es vielleicht einfach klingt, Minecraft in einen Dungeon Crawler zu verwandeln, gibt es doch das ein oder andere Hindernis, zum Beispiel in puncto Geschichte und Gegner. "Ich weiß nicht, wie ich die Menge an Arbeit beziffern soll, das ist immer eine schwierige Frage", erklärt Olson. "Aber es war eine ganze Menge. Die Sache ist, dass Minecraft im Grunde keine Geschichte hat. Okay, in gewisser Weise gibt es eine, aber du beschäftigst dich nicht viel damit. Wenn du den Enderdrachen besiegt, siehst du den Abspann und die 'End Poem', für Minecraft Dungeons brauchten wir mehr als das."
"Gleichermaßen ist es ein Mittel zum Zweck", fährt er fort. "Die Spieler brauchen eine Richtung, einen Grund für ihre Reise. Warum bin ich hier, was tue ich hier - und daher fingen wir an, uns darüber Gedanken zu machen." Am Ende kam Olson zufolge eine Geschichte dabei heraus, die gut dazu passte. "Ich finde, es ist eine nette kleine Geschichte, die den Spielern hoffentlich ein oder zwei Überraschungen bietet. Aber nochmal: Sie ist nicht super tiefgründig, nicht übermäßig komplex. Es ist nicht der Hauptfokus dieses Spiels."
Aus dem ganzen Prozess resultierten zugleich einige Neuzugänge für das Minecraft-Universum, neue Gegnertypen, die es bis dato nicht gab. "Sobald du diese Art von Geschichte hast, brauchst du einen Antagonisten, einen Feind", sagt Nisshagen. "Aber wer ist es und wozu ist er in der Lage? Somit erhalten wir einen Ansatzpunkt für Dinge, die passieren müssen, die sich nicht aus dem vorhandenen Minecraft übernehmen lassen. Nehmen wir als Beispiel ein paar neue Gegnertypen, die wir für die Story oder aus Gameplay-Gründen erstellten. Wir brauchen was, das noch nicht existiert. Es ist ein interessanter Prozess, die Marke um Neues zu ergänzen."
"Absolut", ergänzt Olson. "Die meisten Gegner und Gegenstände, die wir hinzufügten, hatten Gameplay-Gründe. Das ist unser Ansatzpunkt. Es geht darum, das zu identifizieren, was wir brauchen, zum Beispiel einen Feind, der den Spieler davon abhält, einen spezifischen Bereichen zu betreten. Oder einen Gegner, der Kampfszenarien interessanter macht." Dann schauen sich die Entwickler erst einmal an, ob für diesen Zweck etwas im Minecraft-Universum existiert. Und wenn nicht: "Funktioniert das, was wir erschaffen, ebenso im normalen Minecraft? Was nicht heißt, dass wir es dort einführen, es soll aber theoretisch dort funktioniert."
Erneut betont Nisshagen, wie Einschränkungen die Kreativität der Entwickler beflügeln, die unter den gegebenen Limitationen an ihre Grenzen gehen. Eine Vorgehensweise, die sich ihm zufolge am Ende auszahlt: "Ich denke, wir haben ein paar echt coole Sachen erschaffen."
Im Endeffekt ist Dungeons schnell zu verstehen, jeder hat die Möglichkeit, schnell einzusteigen, ohne sich an komplexe Vorgänge gewöhnen zu müssen. Ein Einstiegspunkt in dieses Genre für Neulinge? "Wenn das so ist, dann ehrt uns das", merkt Olson an. "Wir lieben das Genre, es ist unsere Leidenschaft und wir haben viele solche Titel gespielt. Es ist ein wenig beängstigend, neue Spieler in das Genre einzuführen, das ist eine große Verantwortung. Ich halte es aber für möglich, dass uns das gelingt. Minecraft hat viele Fans und eine leidenschaftliche Community, daher probieren hoffentlich einige von ihnen unser Spiel aus und kommen so erstmals in Berührung mit diesem Genre, was cool wäre."
Nisshagen zufolge ist Dungeons kein Spiel, das aus einer Marktforschungsanalyse heraus entstand. "Wir wollten das hier machen, weil wir solche Titel gerne spielen", erläutert er. Und Olson ergänzt: "Viele Spieler sagten uns, sie spielen das normale Minecraft nicht häufig, aber ihnen gefällt dieses Genre und das Spiel sieht so aus, als ob es ihnen Spaß bereiten könnte. Und das ist echt super! So was hatten wir uns gewünscht, aber ob es passiert, weißt du erst, wenn die Spieler es in die Hände bekommen."
Wie Minecraft Dungeons das Genre voranbringt? Zum einen durch seine kooperativen Aspekte, findet Nisshagen. "Dies in Kombination mit der Zugänglichkeit", sagt er. "Du bist sehr schnell im Spiel drin, vor allem auf den Konsolen. Hast du mehrere Controller, lässt sich ganz einfach im Couch-Koop spielen. Und es sorgt schnell für Spaß, weil es nicht nötig ist, weit vorauszuplanen."
"Für mich ist das im Grunde die wichtigste Neuerung in Dungeons", ergänzt Olson. "Die Idee, dass du schnell übermächtig wirst, indem du coole und einzigartige Ausrüstung findest. Es ist nicht lange her, als ich einen Bogen fand und mich zu dem Kollegen hinter mir, ein anderer Designer im Team, umdrehte und sagte: 'Hör mal, wir müssen das hier abschwächen, er ist extrem stark. Ich werde nie wieder einen anderen Bogen benötigen, so gut ist er.'"
Das Spiel belehrte ihn dann eines Besseren: "Ich spielte zirka 15 Minuten damit, drehte die Schwierigkeit um eine Stufe höher und im Nu hatte ich keine Pfeile mehr, der Gegenstand war im Grunde nutzlos", fährt er fort. "Und ich sagte ihm: 'Weißt du, unser System scheint zu funktionieren.' Es tut das, was wir beabsichtigt hatten, es spornt dich dazu an, neue Dinge auszuprobieren. Innerhalb weniger Minuten findest du Sachen oder suchst aktiv nach Gegenständen, die dich übermächtig macht. Und ein wenig später trifft das nicht mehr zu und der Prozess beginnt von vorne."
"Absolut, ich liebe es, das System auf diese Art auszutricken", fügt Nisshagen hinzu. "Wenn ich diese speziellen Kombinationen finde, sind sie echt übermächtig. Und geben dir echte Befriedigung beim Spielen. Es ist aber kein dauerhafter Zustand. Früher oder später gerätst du in eine Situation, in der dein übermächtiges Item nicht mehr haushoch überlegen ist. Ich betrachte das als eine große Stärke gegenüber anderen Spielen des Genres, deren Kurve in Sachen Schadens-Output kontrollierter, linearer verläuft. Dort ist es präziser und mathematischer, bei uns schwankt es mehr. Für einen bestimmten Zeitraum ist es möglich, sehr übermächtig zu sein."
In Bezug darauf, welche Ideen die Entwickler während der Produktion des Spiels verwarfen, äußern sich beide vorsichtig. Es sei gut möglich, dass sie diese später noch einmal aufgreifen. "Minecraft gibt es jetzt seit elf Jahren oder so", sagt Nisshagen. "Ich weiß nicht, welche Lebensspanne Dungeons letzten Endes hat, aber wir blicken definitiv nach vorne und möchten dieses Spiel für einige Zeit unterstützen. Und wenn es etwas gibt, das zum jetzigen Zeitpunkt nicht hineinpasste, könnte es etwas sein, dass wir unter Umständen in Zukunft hinzufügen. Wir haben zwei DLCs, die vorbestellbar und als Season Pass zum Launch verfügbar sind. Sie sind noch nicht fertig, aber es gibt einige coole Innovationen darin, die nicht ins Hauptspiel passten."
"Definitiv", fügt Olson hinzu. "Es gibt viele Beispiele für Dinge, die nicht ins Spiel passten oder über die wir nachdachten und es dann als schlechte Idee einstuften. Für kurze Zeit waren eine Menge mehr Verzauberungen des gleichen Typs auf einer Waffe möglich - bis zu neun Stück pro Waffe. Auf dem Papier klingt das nach Spaß, aber der Bildschirm war schnell überladen und alles ging sehr schnell. Letzten Endes war es nicht das Richtige für das Spiel und wir verlagerten einiges von dieser Komplexität in andere Bereiche."
Nisshagen erinnert sich indes an eine Begebenheit mit einem Creeper: "Wir hatten eine frühe Version, in der du Creeper gepackt und durch die Gegend geworfen hast", reminisziert er. "Eine Rückkehr dazu ist zu bezweifeln. Es war witzig, war aber ebenso beängstigend, wenn du sie wirfst, sie dank Ragdoll wie verrückt durch die Gegend fliegen und dann explodieren. Es fühlte sich nicht nach Minecraft an."
"Seitdem haben wir das TNT", wirft Olson ein.
"Ja, es erfüllt den gleichen Zweck", erklärt Nisshagen. "Du wirfst es, erfasst damit einen größeren Bereich und es ist ein wenig unvorhersehbar. Das macht Spaß, aber einen Creeper dafür zu verwenden, war einfach nicht richtig."
Werft hier einen Blick auf unseren Minecraft Dungeons Test.